Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
wir kommen nun wieder zum eigentlichen Thema dieses Blogs, nämlich Haftpflicht – Unfall – Kasko. Nachfolgend veröffentlichen wir ein ordentlich und richtig begründetes Urteil zu den Sachverständigenkosten aus dem Saarland. In diesem Fall war es die HUK 24 AG, die rechtswidrig die berechneten Sachverständigenkosten kürzte. Eine Rechtsgrundlage für die eigenmächtige Kürzung gab es für die HUK 24 AG nicht, wie das Urteil des AG Völklingen beweist. Gleichwohl wird immer weiter gekürzt. In seiner Urteilsbegründung bezieht sich das Gericht vollständig auf die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken und lässt die – unsinnige – Rechtsprechung der Freymann-Berufungskammer des LG Saarbrücken links liegen. Zu Recht, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure Kommentare zu diesem Urteil aus dem Saarland ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
5 C 78/14(12) Verkündet am: 27. März 2015
Amtsgericht Völklingen
U r t e i l
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
…
Beklagte
hat das Amtsgericht Völklingen durch die Direktorin des Amtsgerichts S.-K. im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 13.03.2015 am 27.03.2015 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 297,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2013 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1, S. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 1 StVG, § 249 BGB.
Die alleinige Haftung der Beklagtenseite ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.
Der Anspruch der Klägerin ist der Höhe nach auch nicht auf den von der Beklagten bereits regulierten Betrag beschränkt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten. Der Sachverständige hat insgesamt Kosten in Höhe von 897,50 € geltend gemacht. Unter Berücksichtigung der vorprozessualen Zahlung der Beklagten in Höhe 600,00 € war der Klägerin daher bezüglich der Sachverständigenkosten noch der mit der Klage geltend gemachte weitere Betrag in Höhe von 297,50 € zuzusprechen.
Der entsprechende Freistellungsanspruch hat sich, nachdem die HUK24 AG die weitere Regulierung verweigert hat, in einen Geldersatzanspruch umgewandelt (Palandt, 73. Auflage 2014, § 250 BGB Rn. 2 mit weiteren Nachweisen).
Grundsätzlich kann ein Unfallgeschädigter einen Sachverständigen mit der Schätzung des Schadens an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).
Dabei sind als erforderlich diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).
Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).
Bei der Prüfung der Frage, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).
Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (so OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).
Nach dem Dafürhalten des Gerichtes ist jedoch festzustellen, dass es dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls in der Regel nicht möglich ist, sich über die entstehenden Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens vorab ausreichend zu informieren.
Selbst wenn der Geschädigte zwei oder drei Sachverständige anrufen würde, wäre er dadurch nicht in der Lage, ausreichende Angaben und insbesondere aussagekräftige Angebote bezüglich der entstehenden Kosten zu erhalten.
Die Sachverständigengebühren werden von vielen Sachverständigen anhand der Höhe des Schadens pauschal berechnet. Da aber die Höhe des Schadens zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen noch nicht feststeht, ist eine Feststellung der voraussichtlich entstehenden Gebühren des Sachverständigen praktisch ausgeschlossen. Dies gilt auch bezüglich der Sachverständigen, die nicht pauschal nach der Höhe des Schadens abrechnen. Auch der Zeitaufwand, nach dem diese Sachverständigen abrechnen, steht nämlich bei der Beauftragung des Sachverständigen nicht fest. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann regelmäßig nicht selbst schätzen, welchen Zeitaufwand der Sachverständige für die Erstellung des Gutachtens benötigt. Auch der Sachverständige selbst kann vor der Besichtigung des Wagens den wahrscheinlichen Zeitaufwand nicht angeben, weil sich erst bei der Besichtigung des Wagens der tatsächliche Umfang des Schadens zeigt.
Es ist einem Geschädigten auch nicht zuzumuten, vor der Beauftragung eines Sachverständigen mit dem Fahrzeug eine Werkstatt aufzusuchen, um dort die ungefähre Schadenshöhe in Erfahrung zu bringen. Unabhängig davon, dass ungefähre Angaben einer Werkstatt auch nicht wirklich weiterhelfen würden, würde der Geschädigte mit einer solchen Vorgehensweise auch Gefahr laufen, weitere Kosten zu verursachen. Die meisten Werkstätten werden nämlich kaum bereit sein, eine Kostenschätzung ohne entsprechende Bezahlung zu erstellen. Immerhin ist eine derartige Schätzung für eine Werkstatt mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, weil vor einer Schätzung der Schadenshöhe erst der Umfang der Beschädigungen festgestellt werden müsste.
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Geschädigte vor der Beauftragung eines Sachverständigen ohnehin eine Werkstatt aufsucht. Vielmehr ist es so, dass viele Geschädigte nach einem Unfall zunächst einen Rechtsanwalt aufsuchen, der dann darauf hinweist, dass der Schadensumfang durch einen Sachverständigen festgestellt werden muss.
Im Ergebnis hat ein Geschädigter regelmäßig praktisch keine Möglichkeiten, die tatsächlich entstehenden Sachverständigengebühren vor der Beauftragung des Sachverständigen zu ermitteln.
Daher ist dem Geschädigten aber auch ein Vergleich mit den Gebühren anderer Sachverständiger nicht möglich.
Der Geschädigte könnte lediglich in Erfahrung bringen, ob von dem jeweiligen Sachverständigen die Gebühren pauschal oder nach dem Zeitaufwand berechnet werden. Aus diesen Feststellungen können jedoch keine Rückschlüsse auf die Höhe der späteren Rechnung gezogen werden.
Unter Berücksichtigung dieser Schwierigkeiten ist nach der Auffassung des Gerichts der von dem Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag jedenfalls im Verhältnis zur Klägerin als erforderlicher Herstellungsaufwand anzusehen.
Ob die streitgegenständlichen Sachverständigengebühren objektiv überhöht sind oder nicht, kann indes nach dem oben Gesagten vorliegend dahinstehen.
Wie oben dargelegt konnte die Klägerin im Vorhinein nicht erkennen, dass der Sachverständige evtl. überhöhte Kosten abrechnen würde.
Auch nach der Vorlage der Rechnung des Sachverständigen musste die Geschädigte keine Bedenken bezüglich der Höhe der Rechnung des Sachverständigen haben.
Der Geschädigten kann nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht über umfangreiche rechtliche Kenntnisse bezüglich der Abrechnung von Sachverständigengebühren verfügt. Über ein derartiges Spezialwissen (verschiedene Abrechnungsmöglichkeiten, Konsequenzen der BVSK-Honorarbefragung) verfügen praktisch nur in diesem Bereich tätige Juristen und Sachverständige. Es muss nicht weiter erörtert werden, dass bei einem „Normalbürger“, es muss auf den verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten und nicht auf Juristen abgestellt werden, derartige Kenntnisse nicht ansatzweise vorhanden sind.
Dem Schädiger verbleibt in jedem Falle die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Geschädigte gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem sie bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Kosten evtl. zu hoch sind, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes der Geschädigten allerdings nicht (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az.: 4 U 61/13, mit weiteren Nachweisen).
II.
Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO. Die Klagerücknahme bezüglich des ursprünglichen Klageantrags Ziffer 2 (Feststellungsantrag bezüglich der Verzinsung der Gerichtskosten) ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine oder allenfalls nur geringfügig höhere Kosten veranlasst.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Berufung war vorliegend nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich macht.
III.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 297,50 € festgesetzt.
Hei Willi,
die Direktorin des AG völklingen an der Saar lässst nicht nur das LG Saarbrücken links liegen. Sie erwähnt noch nicht einmal die Rechtsprechung des LG Saarbrücken, so praktisch mit einer Nichtberücksichtigung gestraft. Richtig so.
Amtsrichter aus Saarlouis sind da nicht so zurückhaltend.
Sie bezeichnen es als rechtswidrig was an der Berufungskammer geurteilt wird.
Sie beanstanden zu Recht,dass die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten aus §249II,1 BGB unterlaufen wird,wenn man ihm zu Recht bei der Auswahl des SV freie Hand lässt und ihn nicht zu einer Preiskontrolle verpflichtet,im Nachhinein es aber für richtig hält,den Schaden in Form der Gutachterkosten a´la JVEG zu kürzen.
Gutachter frei auswählen,auf Teilen der Kosten dann aber selber sitzen bleiben“
Die Folge ist eine Art von „Zuckerbrot und Peitsche“,was unserem Schadensrecht wesensfremd ist.
Klingelingelingelts?