Hallo verehrte Captain-Huk-Lesereinnen und -Leser,
wir bleiben in Nordrhein-Westfalen und gehen von Düsseldorf nach Dortmund. Nachstehend veröffentlichen wir für Euch hier noch ein Urteil des Amtsgerichts Dortmund zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht (Factoring) gegen die VHV Versicherung. Wieder wurde die Angemessenheit gemäß der BVSK-Honorarbefragung im Rahmen der Schadenshöhenschätzung vorgenommen. Wenn eine derartige Tabelle zu Hilfe gezogen wird, kann diese nur einzelne Werte angeben. Sinn und Zweck der Schadensschätzung ist es aber, dass der besonders freigestellte Tatrichter die H ö h e des Schadens ermittelt und nicht einzelne Positionen einer Rechnung nach werkvertraglichen Gesichtspunkten überprüft. Eine Preiskontrolle im Schadensersatzprozess hat der BGH auch untersagt (vgl. BGH DS 2007, 144 mit zust. Anm. Wortmann = NJW 2007, 1450). Immer wieder wird daher im Rahmen des Schadensersatzprozesses dieser gravierende Fehler begangen. Sofern der Schädiger meint, die Sachverständigenkosten seien überhöht, so muss er gleichwohl den vollen Betrag erstatten, kann allerdings den Vorteilsausgleich suchen (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff). Insofern ist der Schädiger nicht rechtlos. Und was nicht korrekt ist, ist die vom Gericht gewählte Bezeichnung der „Sachverständigengebühren“. Bereits mehrfach wurde hier darauf hingewiesen, dass der Kfz-Sachverständige keine Gebühren berechnet. Aber leider liest man auch in Abrechnungsschreiben der HUK-COBURG und anderere Versicherer diese falsche Bezeichnung. Auch in Schriftsätzen der Versicherungsanwälte ist der falsche Begriff „Gebühren“ nicht unüblich. Lest aber selbst das Urteil aus Dortmund und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
429 C 1252/15
Amtsgericht Dortmund
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Deutsche Verrechnungsstelle AG, vertr.d.d. Vorstand Sven Ries und Jan Pieper, Schanzenstr. 30, 51063 Köln,
Klägerin,
gegen
die VHV Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandssprecher Thomas Voigt, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Dortmund
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO
am 07.05.2015
durch die Richterin am Amtsgericht Dr. W.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 174,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.3.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
(Entfällt gemäß § 313 a ZPO)
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 174,28 € gemäß §§ 398 BGB, 7 StVG, 115 VVG.
Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus der Abtretungserklärung des Geschädigten A. K. vom 30.11.14 an die Firma Kfz Sachverständigenbüro … sowie der weiteren Abtretungserklärung der Firma … an die Klägerin vom 14./15.1.2015.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig. Die Parteien streiten lediglich um die Höhe der erforderlichen Kosten.
Gemäß § 249 BGB hat die Beklagte den Geldbetrag zu erstatten, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Hierzu zählen grundsätzlich auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, sofern die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig war. Daran bestehen im vorliegenden Fall keine Zweifel.
Bei einem Schaden kann als erforderlicher Schadensaufwand nur Ersatz derjenigen Kosten verlangt werden, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen, den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Es können daher nur diejenigen Kosten als ersatzfähiger Schadensbetrag in Ansatz gebracht werden, die üblicherweise anfallen. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob die Geschädigte mit dem Kläger eventuell einen überhöhten Tarif vereinbart hat. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich der vereinbarte Betrag in den Grenzen des Üblichen hält. Nur in diesem Fall besteht eine Erstattungspflicht.
Das Gericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Kfz-Sachverständigenhonorar dann nicht zu beanstanden ist, vielmehr die Höhe als ortsüblich und angemessen anzusehen ist, wenn sie sich in den Grenzen derjenigen Honorare bewegt, die ausweislich der BVSK-Honorarbefragung für das Jahr 2013 grundsätzlich in Ansatz zu bringen sind.
Das Gericht hält die Werte der BVSK-Honorarbefragung für eine taugliche Schätzungsgrundlage im Sinne des § 287 ZPO. Halten sich die geltend gemachten Werte innerhalb der aus dieser Befragung folgenden Spannen, bedarf es einer weiteren Beweisaufnahme über die Ortsüblichkeit bzw. Angemessenheit der Gebühren nicht. Weichen die in Ansatz gebrachten Werte von diesen Werten ab, so ist allein derjenige Betrag noch als gerechtfertigt anzusehen, der sich im Rahmen der Werte der BVSK-Honorarbefragung bewegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Dortmund im Urteil vom 05.08.2010, Aktenzeichen 4 S 11/10.
Das Landgericht hat mit zutreffenden Ausführungen, die sich das erkennende Gericht zu eigen macht, die Angemessenheit der BVSK-Honorarbefragung als taugliche Schätzungsgrundlage dargelegt. In Übereinstimmung mit dieser Argumentation entspricht es ständiger Rechtsprechung der hiesigen Abteilung, bei der Bemessung der Honorarhöhe die Werte der aktuellen BVSK-Honorarbefragung zugrunde zu legen.
Die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Gebühren bzw. Kosten für das Grundhonorar, die pauschalen Fahrtkosten, die Fotosätze, die Schreibkosten, die Kopierkosten, die Porto- und Telekommunikationskosten sowie die Restwertermittlungskosten halten sich sämtlich in dem Rahmen, den die BVSK-Honorarbefragung 2013 zum Honorarkorridor (HB III) vorgibt.
Dabei kann die beklagte Partei auch nicht damit gehört werden, das sich in Anlehnung an die Honorarbefragung der BVSK ergebende Honorar sei „übersetzt“. Hierzu hat der BGH in seiner Entscheidung (NJW 2007, 1450) bereits festgestellt, dass der Sachverständige dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte Pauschalierung des Honorars vornimmt, nicht die Grenzen der zulässigen Preisgestaltung überschreitet. Auch diese Rechtsprechung macht sich das erkennende Gericht zu eigen.
Auch ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von der Unüblichkeit der Honorarrechnung auszugehen, weil die Nebenkosten gesondert berechnet werden. Im Gegenteil führt eine gesonderte Auflistung von entstandenen Nebenkosten zu einer erhöhten Rechnungstransparenz. Allein ein hoher Prozentanteil von Nebenkosten gegenüber dem Grundhonorar stellt keinen Hinweis auf nicht erforderliche Kosten dar. Da sich die geltend gemachten Nebenkosten wie auch das Grundhonorar im Rahmen des Honorarkorridors der BVSK-Honorarbefragung 2013 bewegen, bestehen an der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Nebenkosten ebenfalls keine Zweifel.
Insgesamt sind die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten aus der Rechnung vom 1. Dezember 2014 nicht zu beanstanden. Auf den Gesamtbetrag in Höhe von 636,38 € hat die Beklagte vorgerichtlich bereits einen Teilbetrag in Höhe von 462,10 € gezahlt, sodass sich ein noch ausstehender Betrag in Höhe von 174,28 ergibt.
Die beklagte Partei war daher, ohne dass es einer Beweisaufnahme bedurfte, im tenorierten Umfang zur Zahlung zu verurteilen.
Die Zinsforderung folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht gegeben sind.