Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
als Kontrast zu dem „Katastrophen-Urteil“ des AG Münster stellen wir Euch hier ein positives Urteil aus Hamburg-Bergedorf zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. Im Gegensatz zu dem Münsteraner Urteil handelt es sich hier um eine gut begründete Schadensersatzrechtentscheidung. Das erkennende Gericht in Hamburg ist zutreffend auf die beiden letzten Urteile des BGH eingegangen. Im Gegensatz zu BGH VI ZR 357/13 hat das erkennende Gericht bei der Schadensschätzung jedoch nicht einzelne Positionen, sondern die Gesamtsumme zum Gegenstand der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO gemacht. Völlig korrekt, denn die Kontrolle einzelner Positionen ist im Schadensersatzprozess auch dem Gericht verwehrt (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144). Diesen Fehler mit der Überprüfung einzelner Rechnungspositionen hat die Berufungskammer des LG Saarbrücken in dem zur Revision vorliegenden Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – gemacht, indem diese einzelnen Positionen nach dem JVEG bemessen werden – obgleich der BGH in BGH VI ZR 67/06 (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144) entschieden hatte, dass eine Übertragung der Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter nicht angebracht ist. (BGH aaO.). Der Argumentation des AG Hamburg -Bergedorf und des LG Hamburg ist daher zuzustimmen. Lest daher selbst das Urteil aus Hamburg und gebt Eure – sachlichen – Kommentare ab.
Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch Frau Synatschke-Tchon aus Hamburg.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-Bergedorf
Az: 410a C 24/15
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. in Coburg, vertreten durch d. Vorstand, dieser vertreten durch d. Sprecher Herrn Dr. Wolfgang Weiler, Nagelsweg 41-45, 20097 Hamburg
– Beklagte –
erkennt das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf – Abteilung 410a – durch den Richter am Amtsgericht E. S. am 09.06.2015 auf Grund des Sachstands vom 22.05.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 106,06 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.06.2014 sowie weitere 70,20 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 106,06 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB ein Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes für die Erstattung des Gutachtens vom 07.05.2014 in Höhe von 106,06 € zu.
Die Abrechnung des Klägers gegenüber dem Zedenten in Höhe von 594,94 € (Anlage K4) hält sich an die zwischen ihnen abgeschlossene Honorarvereinbarung (Anlage K2).
Die Kosten für das Sachverständigengutachten sind der Höhe nach voll erstattungsfähig, weil sie den erforderlichen Herstellungsaufwand darstellen, dessen Ersatz der Zedent nach § 249 Abs. 2 BGB beanspruchen kann.
Das Gericht macht sich die Ausführungen des Landgerichts Hamburg in seinem Urteil vom 22.01.2015, Az. 323 S 7/14 – juris – zu eigen:
Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung wird der erforderliche Herstellungsaufwand nicht nur nach objektiven Kriterien, etwa durch die Art und das objektive Ausmaß des Schadens, sondern auch durch die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt (st. Rspr. seit BGHZ 63, 182,185). Dem liegt die Wertung zugrunde, dass dem Geschädigten im Verhältnis zum Schädiger das dem Einfluss des Geschädigten entzogene Risiko nicht zugerechnet werden darf.
Der Geschädigte ist – anders als bei Mietwagenkosten – nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes an Kfz-Sachverständigen verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, Zum einen gibt es bei Kfz-Sachverständigen – anders als etwa im Mietwagengewerbe – keine allgemein zugänglichen Preislisten, zum anderen orientiert sich das in der Regel geltend gemachte Grundhonorar an der erst noch zu ermittelnden Schadenhöhe, sodass vor der Begutachtung ohnehin keine konkreten Angaben zu den tatsächlichen Kosten des Sachverständigengutachtens gemacht werden könnten, die der Geschädigte miteinander vergleichen könnte. Der Schädiger kann daher nur dann den Ausgleich der Sachverständigengebühren in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen und Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Vergütungsvereinbarung aufdrängen muss, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt „deutlich erkennbar“ (BGH, NJW 2014, 1947, 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (BGH, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt.
Bei der Frage, wann von „erkennbar“ überhöhten Preisen auszugehen ist, ist nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto- / Fahrtkosten etc. abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, d.h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Anderenfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt.
Vorliegend überschreitet das geltend gemachte Honorar einschließlich der Nebenkosten die Werte des von der Beklagten für die Beurteilung der Angemessenheit zugrunde gelegte „Honorartableaus 2012 HUK-Coburg“ (Anlage B1) um ca. 22 %. Unabhängig von der Frage, ob das von der Versicherungswirtschaft erstellte Honorartableau überhaupt eine geeignete Grundlage zur Ermittlung der üblichen Sachverständigenkosten darstellt, liegt damit jedenfalls keine Überschreitung vor, die es gebietet, die als Schadensersatz geltend gemachten Sachverständigenkosten als „nicht erforderlich“ im schadensersatzrechtlichen Sinne anzusehen, zumal Besonderheiten, die eine überdurchschnittliche Kenntnis des Geschädigten von der üblichen Honorarhöhe nahe legen, weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.
Es ist auch insoweit keine andere Beurteilung geboten, als der Kläger, dem die Beklagte eine überhöhte Entgeltforderung vorwirft, durch die Abtretung selbst Gläubiger des Schadensersatzanspruchs geworden ist. Der Geschädigte hat seine Ansprüche wirksam an den Kläger abgetreten, die dieser somit gegen die Beklagten geltend machen kann.
Unmittelbare Gegenansprüche der Beklagten als Versicherer gegen den vom Geschädigten beauftragten Kfz-Sachverständigen, etwa über eine Einbeziehung der Beklagten in den Schutzbereich des Gutachtervertrags zwischen dem Geschädigten und dem Kläger nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, bestehen nicht.
Das für die Annahme des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter notwendige Einbeziehungsinteresse setzt voraus, dass der Vertragspartner ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat. Dies ist sicherlich im Bereich der Hauptleistungspflicht des Gutachters der Fall; die Beklagte wendet sich indes nicht gegen die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens.
Der Vorwurf, dass der Kläger den Geschädigten hier nicht vor Vertragsschluss über eine etwaige Überschreitung des ortsüblichen Preisniveaus informiert haben könnte, rechtfertigt Einwendungen der Beklagten gegen den Anspruch des Klägers insoweit nicht. Unabhängig von der Frage, ob die Einbeziehung der Beklagten in den vertraglichen Schutzbereich bereits in der Anbahnungsphase erfolgen kann, kommt eine Aufklärungspflicht über die (Un-)Angemessenheit des geforderten Entgelts vor dem Grundsatz der Privatautonomie nur in Ausnahmefällen in Betracht. Der in seinem Wissen überlegene Vertragsteil muss den anderen grundsätzlich nicht von sich aus über alle Umstände aufklären, die für dessen Willensbildung von Bedeutung sein könnten. Es ist grundsätzlich Sache des Auftraggebers, sich zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von Vorteil sind oder nicht.
Die Rechtsprechung des BGH zu den Pflichten eines Autovermieters, den Mieter bei Tarifen, die deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegen, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstatten könnte (vgl. BGH Urteil vom 24.10.2007, Az. XII ZR 155/05, zit nach juris), beruht auf den rechtlichen Besonderheiten bei der Erstattung von Mietwagenkosten. Eine Übertragung auf Kfz-Sachverständige erscheint nicht gerechtfertigt. Anders als bei der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeugs obliegt dem Geschädigten bei der Beauftragung eines Unfallsachverständigen wie bereits ausgeführt gerade keine Pflicht zur Markterforschung, so dass ihm aus der Beauftragung eines – für ihn nicht erkennbar- überteuerten Sachverständigen keine Nachteile entstehen.
Die Beklagte kann ihrer Inanspruchnahme aus dem Haftungsanspruch jedenfalls im Ergebnis keine Einwendungen entgegensetzen, die dem Zedenten gegen den Kläger aus einem anderen Rechtsverhältnis (hier: dem Werkvertrag) zustehen würden.
Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt vertragliche Rechte des Zedenten gelten machen kann. Zwar erscheint ein solcher Einwendungsdurchgriff, der aus § 242 BGB unter Rückgriff auf den in § 404 BGB enthaltenen Rechtsgedanken herzuleiten zu sein könnte, prinzipiell dogmatisch herleitbar. Dem Recht der Abtretung liegt die Wertung zu Grunde, dass der Schuldner durch eine Abtretung der Forderung keine Nachteile erleiden soll. Diese Wertung könnte auch den Schluss erlauben, dass der Zessionar durch eine Abtretung, die erfüllungshalber erfolgt, hinsichtlich der zu erfüllenden Schuld keine Besserstellung erlangen darf. Hätte der Zedent selber gegenüber seiner eigenen Inanspruchnahme aus dem Werkvertrag dem Kläger vertragliche Einwendungen entgegenhalten können, so erschiene es nicht unbedenklich, wenn der Kläger diese Einwendung durch die erfüllungshalber erfolgte Abtretung des Schadensersatzanspruchs entkräften und so im Ergebnis seinen vollen, nicht durch ein Mitverschulden zu kürzenden Anspruch liquidieren könnte. Andererseits müsste eine nach den Rechtsgrundsätzen des § 242 BGB orientierte Wertung in Erwägung ziehen, dass die Beklagte auch unter Geltung eines Einwendungsausschlusses nicht schutzlos ist, da ihrem Interesse dadurch Rechnung getragen wird, dass der ursprüngliche Haftungsgläubiger, der Zedent, nach den Rechtsgrundsätzen des Vorteilsausgleichs zur Abtretung etwaiger Schadensersatzforderungen gegenüber dem Kläger verpflichtet wäre.
Vorliegend scheitert der Einwendungsdurchgriff in jedem Fall daran, dass auch dem Zedenten vertragliche Ansprüche gegen den Kläger nicht zustehen.
Angesichts der geltend gemachten Honorarhöhe ist ein „auffälliges Missverhältnis“ von Leistung und Gegenleistung i.S.d. § 138 BGB bereits objektiv nicht anzunehmen.
Auch im Übrigen kann dem Sachverständigen nicht der Einwand einer Überhöhung der Gebühren entgegengehalten werden.
Da diejenigen Kosten, die der Geschädigte für erforderlich halten durfte, grundsätzlich als die erforderlichen Kosten anzusehen sind und den Geschädigten wie oben ausgeführt und anders als bei den Mietwagenkosten keine Erkundigungspflicht bzgl. der Honorare anderer Sachverständiger trifft, scheiden insoweit vertragliche Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen, auf die sich nunmehr der Versicherer berufen könnte, aus. Insbesondere trifft den Sachverständigen keine Pflicht, dem Geschädigten mitzuteilen, ob bzw. inwieweit er von den ortsüblichen Preisen abweicht.
2. Der Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten rechtfertigt sich als Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gem. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Die Beklagte hat auf die erstmalige Rechnungsstellung des Klägers erklärt, dass die in Rechnung gestellten Kosten für das Gutachten nicht in voller Höhe ersetzt werden würden. Die Beklagte zahlte dementsprechend am 05.06.2014 nur einen Teilbetrag. Diese Zahlungsverweigerung steht der Mahnung gleich (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur vorgerichtlichen Geitendmachung verstößt in der Regel nicht gegen § 254 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 286 Rn. 45), außer der Gegner war erkennbar zahlungsunwillig oder -unfähig. Derartige Umstände liegen hier nicht vor. Den genauen Inhalt der Zahlungsverweigerung hat die Beklagte nicht dargelegt. Es lässt sich bereits deshalb nicht feststellen, dass die vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts erkennbar ohne jede Erfolgsaussicht war.
Die Rechtsanwaltsgebühren sind nach einem Gegenstandswert von 106,06 € zu berechnen. Dies stellt keine unzulässige gesonderte Berechnung nach Teilwerten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar (etwa BGH NJW-RR 2014, 1341). Denn für den Zedenten handelt es sich nicht um einen Teilwert, sondern um die einzige ihm gegen die Beklagte zustehende Forderung, mit deren vorgerichtlicher Durchsetzung er seine Prozessbevollmächtigte beauftragt hatte.
3. Die Zinsansprüche folgen aus §§ 280 Abs, 1 und 2, 286, 288, 291 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Ein in allen Einzelpunkten verständliches und überzeugendes Urteil.-
Dipl.-Ing. Harald Rasche