Hallo verehrte Leserinnen und Leser des Captain-Huk-Blogs,
erneut müssen wir über die Schadensersatzkürzungen durch die HUK-COBURG berichten. Nachdem die HUK-COBURG auf die berechneten Sachverständigenkosten in Höhe von 794,09 € lediglich 290,– € geleistet hatte, wurde wegen des Differenzbetrages von 504,09 € der bei der HUK-COBURG versicherte Schadensverursacher gerichtlich in Anspruch genommen, und zwar durch den Sachverständigen, an den der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten erfüllungshalber nach § 398 BGB abgetreten worden war. Der zuständige Amtsrichter des AG Magdeburg gab dem klagenden Sachverständigen in vollem Umfang Recht. Bemerkenswert ist, dass das erkennende Gericht eine Anwendbarkeit des JVEG auf Rechnungen von Privatgutachtern mit überzeugender Begründung ablehnt. Damit liegt erneut eine – zutreffende – Entscheidung gegen die Anwendbarkeut der Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter vor. Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken sowie des LG München kann daher wohl als Mindermeinung bezeichnet werden. Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Amtsgericht Magdeburg
103 C 3063/14 (103)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn Dipl-Ing. M. L. aus A-W
– Klägers –
Prozessbevollmächtigte: RAe. D. I.&P. aus A.
g e g e n
Herrn W. G-W. aus M.
– Beklagter –
Prozessbevollmächtigte: RAe. M&M aus M.
hat das Amtsgericht Magdeburg durch den Richter am Amtsgericht G. im Verfahren nach billigem Ermessen am 19.5.2015 für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 504,09 € nebt Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.3.2011 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosen in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.4.2011 zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Auskunftskosten in Höhe von 5,10 € zu zahlen.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes ist gemäß § 313 a ZPO abgesehen worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klaage ist begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 504,09 € aus abgetretenem Recht gemäß § 298 BGB in Verbindung mit §§ 7 I ff. StVG zu.
Die Haftung des Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 18.2.2011 ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.
Gemäß § 249 II 1 BGB sind als Herstellungsaufwand die objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 794,09 € ersatzfähig, so dass nach Abzug der vorgerichtlich gezahlten 290,– € eine Restforderung in Höhe von 504,09 € verbleibt. Die Kosten eines Sachverständigen gehören dann zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 II BGB, wenn eine vorerige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. So liegt es hier. Dabei darf der Geschädigte im Rahmen der Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seineer Sicht seinen Ineressen am besten zu entsprechen scheint und in diesem Sinne einen qualifizierten Sachverständign seiner Wahl mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragen.
Der Geschädigte genügt seiner Darlegngslast hinsichtlich der Schadenshöhe in der Regel bereits dadurch, dass er die Rechnung des Sachverständigen vorlegt, wobei deren Höhe für die Schadenshöhenschätzung gemäß § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Schadensbeseitigung erforderlichen Betrages liefert. Danach ist die vom Kläger ersellte Rechnung vom 18.2.2011 als Indiz für die Angemessenheit der Höhe der Schadensschätzung zugrunde zu legen, wobei auch die nachfolgende Atretung des Schadensersatzanspruchs an den Kläger zu keiner inhaltlichen Änderung der Ansprüche oder deren Höhe führt. Ein Verstoß des Geschädigten gegen die aus § 254 II 1 BGB folgende Schadensgeringhaltungspflicht ist nicht ersichtlich. Nach dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht ist der Geschädigte gehalten, den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen zu halten, wobei eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist. Der Unfallgeschädigte kann daher nicht nur das verlangen, was objektiv erforderlich ist, sondern was er in seiner konkreten Situation zur Schadensbeseitigung für erforderlich halten durfte. Ein Verstoß des Geschädigten gegen ein Auswahlverschulden ist nicht dargelegt. Insbesondere hat der Beklagte nicht dargelegt, dass dem Geschädigten ein günstigerer Sachverständigentarif ohne Weiteres zugänglich gewesen wäre. Der Geschädigte ist regelmäßig nicht verpflichtet, sich nach dem günstigsten Sachverständigen zu erkundigen. Vielmehr darf er sich damit begrügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen und muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen des § 249 II 1 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift unberücksichtigt bleiben, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll.
Eine überhöhte Forderung des Sachverständigen könnte dem Geschädigten nur dann entgegengehalten werden, wenn der Geschädigte erkennen konnte, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tättigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen. Bei der Beurteilung dieses Umstands beschränkt sich die gerichtliche Prüfung darauf, ob das angesetzte Honorar willkürlich erscheint und ob dies für den Laien, der den Sachverständigen beauftragt, erkennbar ist. Im vorliegenden Fall sind von dem Beklagten keine Umstände vorgetragen worden, aus denen geschlossen werden könnte, dass für den Geschädigten eine gänzlich willkürliche Abrechnungsweise des Sachverständigen erkennbar gewesen wäre. Solche erkennbaren Bedenken bestehen auch im Hinblick auf die von dem Sachverständigen gemachten Nebenkosten, selbst wenn diese rund 31 % des Grundhonorars ausmachen. Die Kostenaufstellung lässt erkennen, dass der wesentliche Teil der Gesamtforderung ein „Grundhonorar“ im Umfang von 460,– € netto ausmacht, während es sich bei den übrigen Positionen (Fahrt-, Foto-, Telefon- und Schreibkosten) um aufwandsbezogene Einzelbeträge in Höhe von 207,30 € netto handelt. Die Höhe der Nebenforderung gegenüber dem Grundhonorar ist bei geringer Schadenshöhe, die eine geringere Grundvergütung zur Folge hat, vorgegeben. Die Länge des Gutachtens, die Zahl der erforderlichen Lichtbilder, die anfallenden Fahrtkosten und der Aufwand an Porto- und Telefonkosten ist tendenziell unabhängig von der Höhe des entstandenen Fahrzeugsachschadens, so dass man im Ansatz von einem fixen Betrag an Nebenkosten ausgehn kann, mit dem Ergebnis, dass die Nebenkosten innerhalb des Gesamthonorars einen umso größeren Anteil ausmachen, je geringer das Grundhonorar ist.
Auch verfängt der Hinweis der Beklagtenseite auf das JVEG nicht. Der Anwendungsbereich des JVEG ist auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Eiiner Übertragung auf Privatgutachten steht schon der Umstand entgegen, dass Privatgutachter im Unterschied zu gerichtlichen Sachverständigen, die zu den Parteien nicht in einem Vertragsverhältnis stehen, dem Auftragggebeer nach allgemeinen Regeln sowohl vertragsrechtlich als auch deliktsrechtlich haften, während die Haftung gerichtlicher Sachverständiger der Sonderregelung des § 839 a BGB unterliegt, die die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränken, damit der Sachverständige, der nach den Verfahrensordnungen regelmäßig zur Übernahme der Begutachtung verpflichtet ist, seine Tätigkeit auch ohne Druck eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben kann. Die wirtschaftliche Interessenlage bei gerichtlich bestellten Sachverständigen und privatrechtlich tätigen Schverstänigen ist daher nicht vergleichbar.
Da ein eigenes Verschulden des Geschädigten, das zu einer Anwendung des § 254 BGB führen könnte, nicht erkennbar ist, kann der Beklagte dem Sachvertändigen nur solche Einwendungen entgegenhalten, die ursprünglich dem Geschädigten gegenüber dem Sachverständigen zustanden und die sich der Schädiger in entsprechender Anwendung des § 255 BGB von dem Geschädigten abtreten lassen kann. Als Ansprüche des ursprünglichen Geschädigten gegen den Kläger wegen vermeintlich überhöhter Kosten kommen nur solche gemäß § 138 BGB in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Leistung des Klägers und seinem Honorar ein krasses Missverhältnis besteht und sich der Kläger das Honorar unter Ausnutzung einer Zwangslage bzw. aufgrund der Unerfahrenheit des Geschäddigten hat versprechen lassen, liegen indes nicht vor.
Weiterhin kann es auch dahinstehen, ob der Geschädigte die Forderung des Klägers bereits beglichen hat, da er in jedem Fall mit der Verbindlichkeit des Klägers belastet ist. Auch die Kosten der Halteranfrage in Höhe von 5,10 € beruhen auf dem Unfall vom 18.2.2011 und sind daher von dem Beklagten gemäß §§ 398 BGB, 7 I ff. StVG zu ersetzen.
Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergeben sich aus Verzug gem. §§ 280, 286 ff. BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Da bleibt zu hoffen, dass das Urteil dieses Richters den Weg über die Flure des AG Magdeburg in weitere Amtsstuben findet.