Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Hamburg geht es elbabwärts nach Stade. Nachstehend veröffentlichen wir hier ein Urteil des Amtsgerichts Stade zu den Sachverständigenkosten gegen die VHV Versicherung. Die Sachverständigenkosten wurden zu 100% zugesprochen, die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hingegen nicht. Die Begründung der erkennenden Amtsrichterin überzeugt allerdings nicht. Praktisch in jeder Schadensersatzangelegenheit wegen eines unverschuldeten Verkehrsunfalls und der sich daraus ergebenden Schadensersatzleistung durch die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung ergibt sich die Notwendigkeit, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der mittlerweile ergangenen Urteilsflut zu den Schadensersatzforderungen des Unfallopfers hat der Normalbürger keinen Durchblick mehr. Während die Haftpflichtversicherer über gut ausgebildete Juristen verfügen, gebietet es das Prinzip der Waffengleichheit, dass auch bei geringen Streitwerten das Unfallopfer einen Juristen beauftragen darf. Hätte der Haftpflichtversicherer den – geringen – Restschaden reguliert, wäre eine anwaltliche Beauftragung auch nicht nötig gewesen. Der Geschädigte hat nur von seinem Recht auf vollständigen Schadensausgleich Gebrauch gemacht. Ein Mitverschulden gemäß § 254 II BGB kann ihm daher – entgegen der Auffassung des erkennenden Gerichts – nicht gemacht werden. Insofern sind auch die Anwaltskosten zu einem Streitwert von knapp 14 Euro erstattungsfähig. Insoweit ist das Urteil fehlerhaft. Lest aber selbst die gerichtliche Entscheidung vom 22.5.2015 – 61 C 271/15 – und gebt dann anschließend bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht
Stade
61 C 271/15
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, ges. vertr. d.d. Vorstand, d.vertr.d.d. Vorstandsmitgl. Thomas Voigt, Dr. Per-Johan Horgby, Jürgen A. Junker, D.Werner, Constantinstraße 90, 30177 Hannover
Beklagte
hat das Amtsgericht Stade ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren gem. § 495 a ZPO am 22. Mai 2015 durch die Richterin am Amtsgericht S.-A. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 13,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 13,42 € festgesetzt.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung nebst zugesprochener Zinsen begründet.
Darüber hinaus ist sie unbegründet.
Soweit die Beklagte antragsgemäß verurteilt worden ist, haben die Kläger schlüssig vorgetragen, insbesondere haben sie im Rahmen des § 249 BGB den Gesamtschaden schlüssig dargelegt.
Da die Beklagte hinsichtlich des schlüssigen Sachvortrags der Beklagtenseite binnen der gesetzten Frist in der Sache nichts erwidert hat, war gem. § 138 Abs. 3 ZPO von dem schlüssigen Klagevorbringen als zugestanden auszugehen, mit der Folge, dass insoweit die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen war.
Was die vorgerichtlichen Anwaltskosten angeht, ist die Klage unschlüssig. Insoweit war sie als unbegründet zurück zu weisen. Die Kläger können die vorgerichtlichen Anwaltskosten im Rahmen des § 249 BGB nicht erstattet verlangen – darauf hatte das Gericht in seiner Verfügung vom 27.04.2015, auf die Bezug genommen wird, bereits hingewiesen. Die Stellungnahme der Klägerseite vom 04.05.2015, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, ändert an der Rechtsauffassung des Gerichts nichts.
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten waren in diesem Fall nicht als erforderlich i. S. des § 249 BGB anzusehen. Nach dem Schutzzweck der Norm sind ansatzfähig als Schaden nur diejenigen Aufwendungen, die der Geschädigte aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei in gleicher Lage hat aufwenden dürfen. Dem ist hier nicht so, da die Hauptforderung mit 13,42 € extrem niedrig und im Übrigen der Sachverhalt einfach gelagert ist, so dass die Kläger hätten selbst anmahnen können und müssen. Nach entsprechender Nichtzahlung der geforderten 13,42 € durch die Beklagte hätten die Kläger angesichts der sehr geringfügigen Forderung gleich den Klageweg anstrengen müssen, um nicht unnötige, weitere unverhältnismäßig hohe Kosten durch vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts auszulösen. Die unverhältnismäßig hohen Zusatzkosten von 70,20 € gehen zu Lasten der Kläger.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Ein Fall des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor, da die Zuvielforderung nicht verhältnismäßig geringfügig war, sondern im Gegenteil ein Mehrfaches der Hauptforderung darstellt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Für die Zulassung der Berufung bestand kein Anlass.
Wie Willi Wacker es bereits richtig im Vorwort erwähnt hat, handelt es sich bei den Anwaltskosten um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung. Nur, weil die VHV nicht vollständig reguliert hat, musste der Rechtsweg beschritten werden und der Geschädigte war gewzwungen anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Da die VHV mit der vollständigen Schadensersatzleistung in Verzug war, denn der Schadensersatz ist sofort fällig, sind die Anwaltskosten auch aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu zahlen gewesen. Auch insoweit ist das Urteil falsch.