Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Halle in Sachsen-Anhalt geht es weiter nach Frankenthal in Rheinland-Pfalz. Hier stellen wir Euch ein positives Urteil aus Frankenthal zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Bruderhilfe Sachversicherung AG vor. Kurz und knapp konnte das erkennende Gericht unter Bezugnahme auf BVSK den Rechtsstreit um restliche Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht entscheiden. Dabei hat das Gericht im Rahmen der Schadenshöhenschätzung die BVSK-Honorarumfrage zugrunde gelegt. Gleichzeitig aber auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH verwiesen, wonach nur bei für den Geschädigten erkennbar erheblich überhöhten Kosten die Indizwirkung nicht mehr gilt. Auf die – unsinnige – Rechtsprechung des OLG Dresden zum dolo-agit-Einwand konnte das Gericht zu Recht verzichten. Lest selbst das Urteil des AG Frankenthal vom 10.6.2015 und gebt anschließend bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
3b C 46/15
Amtsgericht
Frankenthal (Pfalz)
IM NAMEN DES VOLKES
Endurteil
In dem Rechtsstreit
– Kläger –
gegen
Bruderhilfe Sachversicherung AG im Raum der Kirchen, vertreten durch d. Vorstand, Kölnische Straße 108-112, 34108 Kassel
– Beklagte –
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) durch den Richter am Amtsgericht E. am 10.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 117,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.09.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10,00 € Mahnkosten zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.09.2014 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten seiner außergerichtlichen anwaltlichen Vertretung in Höhe von 83,54 € freizustellen durch Zahlung an die Kanzlei … .
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6. Eine Berufung wird nicht zugelassen.
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird nach § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung mangels Erreichens der Berufungssumme von mehr als 600,00 € unzweifelhaft nicht zulässig ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in vollem Umfange begründet.
Die Beklagte schuldet dem Kläger den geltend gemachten Betrag in Höhe von 117,90 €, nachdem sie auf die Rechung vom 02.07.2014 über 870,00 € nur einen Teilbetrag von 752,10 € ausgeglichen hat. Nach § 249 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand diejenigen Kosten verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten für die Schadensbehebung zweckmäßig und notwendig erscheinen. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit findet seine Grenzen freilich in der speziellen Situation des Geschädigten; insbesondere seinen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten. Im vorliegenden Fall hat der Kläger seiner Darlegungslast dadurch genügt, dass er die Rechnung des mit der Begutachtung des Fahrzeuges beauftragten Sachverständigen vorgelegt hat. Der darin ausgewiesene Betrag bildet nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 Abs. 1 Satz 2 BGB. Liegen die vom Sachverständigen berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden.
Im vorliegenden Fall orientiert sich das vom Sachverständigen berechnete Grundhonorar von 710,00 € an der Honorarbefragung des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeughandwerk (BVSK), die bei Reparaturkosten von mehr als 9.000,00 € einen Honorarrahmen von 423,00 bis 940,00 € eröffnet. Das berechnete Honorar bewegt sich innerhalb dieses Rahmens, so dass keine Rede davon sein kann, dass der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Gleiches gilt für die Nebenkosten, die entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung nicht in dem Grundhonorar enthalten sind. Was die Höhe der Nebenkosten angeht, darf nicht übersehen werden, dass hinsichtlich der Fotos nicht nur die Materialkosten, sondern auch die Urheberrechte abgedeckt sind. Auch die übrigen Nebenkosten sind nicht zu beanstanden, weil sie sich im üblichen und angemessenen Rahmen halten. In Anwendung des § 287 ZPO geht das Gericht daher davon aus, dass es sich bei den geltend gemachten Sachverständigenkosten um den erforderlichen Aufwand im Sinne des § 249 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt. Der Klage konnte nach alledem der sachliche Erfolg nicht versagt werden.
Die Zinsforderung und die vorgerichtlichen Mahnkosten sowie der Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren rechtfertigen sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziffer 11, 713 ZPO.
Eine Berufung gegen die Entscheidung konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes erfordert (§ 511 Abs. 4 ZPO).
Urteile kurz, kürzer, am kürzesten und man sieht, in der Kürze liegt die Würze. So ist es richtig.-
Jan Stoffel
Jan Stoffel @ 15.09.2015 at 11:32
Was mir allerdings nicht gefällt trotz aller Kürze ist die Bezugnahme auf BVSK.
Wenn sich nämlich durchsetzt, dass BVSK geeigneter Maßstab sein soll, dann wird durch die Hintertür das JVEG eingeführt, noch bevor der BGH dazu entscheiden kann.
Die Bezugnahme auf BVSK oder VKS-BVK kann nur die Angemessenheit im werkvertraglichen Sinne prüfen. Die werkvertraglichen Bestimmungen, wie angemessen oder üblich, haben jedoch im Schadensersatzrecht nichts zu tun, auch nicht hilfsweise. Würde man nämlich die Angemessenheit bei der Erforderlichkeit prüfen, dann machte die Ex-ante-Betrachtung im Zeitpunkt der Auftragserteilung keinen Sinn mehr, denn dann hätte nach werkvertraglichen Gesichtspunkten der Geschädigte bereits Vergleichsmöglichkeiten, nach denen er das zu berechnende Honorar für die Erstellung des Schadensgutachten beurteilen kann. Der BGH hat aber ausdrücklich eine Markterforschungspflicht verneint. Er hat auch ausdrücklich bestätigt, dass der Geschädigte nicht unbedingt den preiswertesten Sachverständigen beauftragen muss. Letztlich kann er ohnehin nicht Preise vergleichen, da die Schadenshöhe noch nicht feststeht.
Die richtige Lösung kann nur sein, dass der Schädiger, wenn er meint, der Geschädigte hätte bei der Beauftragung des Sachverständigen den Rahmen des Erforderlichen überschritten, sich mögliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen abtreten lassen und dann im Wege des Vorteilsausgleichs vorgehen. Allerdings muss der Schädiger vorher dem Geschädigten vollen Schadensersatz leisten. Wegen des Vorteilsausgleichs ist er allerdings nicht rechtlos, so dass durch dieses Ergebnis auch erreicht wird, dass der Rechtsstreit um das erforderliche Sachverständigenhonorar nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen wird. So hatte bereits auch das OLG Naumburg entschieden.
Ob man die Angemessenheit und Üblichkeit hilfweise vortragen sollte, vermag ich nicht zu entscheiden, da sollen sich die Damen und Herren Juristen auseinandersetzen. Für mich gilt hilfsweise so, als ob ich mir in der Hauptsache nicht sicher wäre. Das dürfte aber sofort die Anwälte der Versicherer auf den Plan rufen, und die Unsicherheit ausnutzen. Aber bitte, die Juristinnen und Juristen sind gefragt. Vielleicht sollten die unabhängigen Sachverständigenverbände BVK und VKS sich mal darüber Gedanken machen. Den BVSK kann man ja nicht beauftragen, denn der meint ja das JVEG, das der BGH ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt hat, im Rahmen der Angemessenheit einführen zu können. Daher disqualifiziert sich dieser Verband schon von vornherein.