Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochenende veröffentlichen wir hier für Euch noch ein Urteil aus Geestland zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG. Zu den Sachverständigenkosten hat das erkennende Amtsgericht Geestland top entschieden, zu den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren allerdings flop, wie wir meinen. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich beim Kläger wohl um einen Hellseher, wenn der schon vorher wissen soll, wie die Beklagtenseite sich in dem jeweiligen Fall verhält? Und weil er seine hellseherischen Fähigkeiten hier nicht genutzt hat, muss er nun anteilige Prozesskosten tragen? Diese Begründung überzeugt keineswegs und ist als absurd zu bezeichnen. Es kommt nicht auf hellseherische Fähigkeiten an, sondern darauf, was der Geschädigte in dem Zeitpunkt der Beauftragung für erforderlich ansah. In diesem Fall nahm er zu Recht an, dass anwaltliche Hilfe, gerade bei dieser eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung mit Sitz in Coburg , notwendig ist, um seine berechtigten Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Wie steht es eigentlich mit den Kosten, wenn z.B. die HUK – ohne außergerichtliche Aktivitäten – nach Klageerhebung sofort anerkennt? Eine Begründung dieser Art ist unseres Erachtens sowas von daneben. „Sachverständigengebühren“ gibt es bei außergerichtlichen Sachverständigen natürlich auch nicht. Aber das Gericht ist insoweit wohl den Ausdrücken aus den Schriftsätzen der HUK-COBURG erlegen, denn die dortigen Textbaussteine verwenden gerade den falschen Begriff „Sachverständigengebühren“, obwohl es solche nicht gibt. Aber die HUK-COBURG ist wohl noch nicht einmal in der Lage, ihre Textbausteine auf ordentliche juristische Beine zu stellen? Lest selbst das Urteil des AG Geestland und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht
Geestland
2 C 48/15 (V)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
HUK-Coburg-Allgemeine Versicherung AG vertr.d.d.Vorstand, d.vertr.d.d.Vorstandsvors. Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 96444 Coburg
Beklagte
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Geestland im Verfahren gem. § 495a ZPO am 20.07.2015 durch den Richter am Amtsgericht M. für Recht erkannt:
1. Unter Klageabweisung im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 55,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 24.02.2015 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Niederlegung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Die Kläger können als Gesamtgläubiger von der Beklagten aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 StVG, 823 Abs. 1, 249, 428, 398 BGB die Zahlung restlicher 55,11 € Gutachterkosten beanspruchen.
Mit der Sicherungsabtretung vom 18.11.2014 ist der Schadensersatzanspruch betreffend die Gutachterkosten aus dem Verkehrsunfall vom xx.11.2014 in der Bergstraße in Bad Bederkesa unter der Schadens-Nr. 1… und der Versicherungsnummer… bei der Kfz-Haftpflichtversicherung der Beklagten, der HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG, wirksam abgetreten. Der abgetretene Anspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch identifizierbar bezeichnet. Die Sicherungsabtretung steht im Einklang mit dem Urteil des BGH vom 07.06.2011, VI ZR 260/10. In der zitierten Entscheidung des BGH hatte der Geschädigte nach einem Fahrzeugschaden seine Ansprüche aus dem Verkehrsunfall in Höhe der Gutachterkosten abgetreten, mithin sämtliche Ansprüche aus dem Verkehrsunfall, begrenzt nur auf die Gutachterkosten. Dies hatte der BGH wegen mangelnder Bestimmtheit der Abtretung beanstandet. Indes sind vorliegend nicht sämtliche Schadensersatzansprüche, begrenzt nur auf die Gutachterkosten, von dem Geschädigten an die Sachverständigen abgetreten worden sondern, wie der Formulierung in der Sicherungsabtretung zu entnehmen ist, die sowohl der Auftraggeber als auch einer der beiden Sachverständigen unterschrieben hatte, waren die Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Kosten der Erstellung dieses Gutachtens aus dem oben genannten Verkehrsunfall gegenüber dem Fahrer, dem Halter und der Haftpflichtversicherung des unfallbeteiligten Fahrzeuges an den beauftragen Sachverständigen abgetreten worden.
Nach der mit der Rechtsprechung des Berufungsgerichts (z.B. 1 S 35/13 Landgericht Stade) aber auch nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung (siehe z.B. nur Amtsgericht Hamburg-Altona, Entscheidung vom 26.09.2011, 341 a C 91/11, zitiert nach juris; siehe auch BGH NJW 2006, 2472 ff.) können Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten nur dann erhoben werden, wenn den Geschädigten ein Auswahlverschulden hinsichtlich des Sachverständigen trifft oder die Überhöhung der Sachverständigenkosten evident ist. Die Beklagte hält im vorliegenden Rechtsstreit Sachverständigenkosten in Höhe von 648,00 € für angemessen, die Kläger erheben nach Maßgabe ihrer Rechnung vom 18.11.2014 Sachverständigenkosten in Höhe von 703,11 €, das sind gerade einmal 8,5 % mehr als von der Beklagten als angemessen erachtet. Eine Überschreitung der durchschnittlichen Sachverständigenkosten um 8,5 %, ausgehend vom Standpunkt der Beklagten, enthält keine konkreten Anhaltspunkte für einen Vorwurf gegenüber dem Geschädigten auf ein Auswahlverschulden durch Beauftragung der Kläger als Sachverständige, noch liegt selbst vom Standpunkt der Beklagten eine evidente Überhöhung üblicher Sachverständigenkosten vor.
Im Übrigen sind auch die sonstigen Einwendungen der Beklagten gegenüber den Rechnungspositionen Grundhonorar, Fahrtkostenpauschale, Fotos, Schreibgebühren nicht stichhaltig. Kosten von 25,00 € zzgl. Mehrwertsteuer für die Fahrt eines Sachverständigen vom Sitz des Sachverständigenbüros in der …straße in 21745 Hemmoor zum Unfallort, Bergstraße, Bad Bederkesa oder zur Wohnung des Geschädigten oder zur Werkstatt in Bad Bederkesa sind aufgrund der zwischen den Orten bestehenden Entfernung nicht unverhältnismäßig. Im Übrigen sind die Einwände der Beklagten, soweit sie die Auswahl eines nicht aus Bad Bederkesa stammenden Sachverständigenbüros bemängelt, unsubstanziiert. Kein Geschädigter ist verpflichtet, ausschließlich Sachverständige auszuwählen, die – soweit überhaupt vorhanden – ihren Geschäftssitz nur wenige Straßen entfernt vom Unfallort oder Werkstattort haben.
Hinsichtlich der Positionen Grundhonorar, Fotos, Porto, Telefon, Auslagen, Schreibgebühren enthält das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen, Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richtern und ehrenamtlichen Richterinnen, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs-und Entschädigungsgesetz) nach § 8 JVEG ähnliche Regelungen. Auch dort wird ein Grundhonorar festgesetzt, wenn auch auf Stundenbasis und darüber hinaus sind weitere Aufwendungen erstattungsfähig, die nicht Bestandteil des Grundhonorars sind.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1, 428, 398 BGB.
Indes können die Kläger nicht aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges gemäß §§ 286 Abs. 1, 280, 398 BGB i.V.m. den Bestimmungen des RVG von der Beklagten die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Zum Einen entsteht den Klägern ein Schaden in Höhe außergerichtlicher Rechtsanwaltskoste für die versuchte Beitreibung der Forderung nicht dadurch, dass die anwaltliche Gebührenforderung in Höhe von 70,20 € nur gegenüber der Beklagten geltend gemacht wird. Des Weiteren streiten sich die Parteien gerichtsbekannt – trotz mehrerer Entscheidungen des erkennenden Gerichts – immer wieder in Verkehrsunfallsachen über die Angemessenheit der Sachverständigengebühren (da es keine Sachverständigengebühren gibt, meint das erkennende Gericht wohl die Sachverständigenkosten, Anm. des Autors!). Lehnt die Kfz-Haftpflichtversicherung von Anfang an die Zahlung eines überschießenden Betrages an Sachverständigenkosten ab, widerspricht es einer Schadensminderungspflicht der Kläger nach § 254 BGB, den Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Beitreibung der Forderung zu beauftragen. In derartigen Fällen ist eine versuchte außergerichtliche Beitreibung der Forderung offensichtlich sinnlos und es ist sogleich Klage zu erheben.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Ziffer 11, 713 ZPO. Wird ein Kläger mit einem Teil seiner Nebenforderung abgewiesen, die im Verhältnis zur Hauptsache nicht unerheblich ist, so wird zwar die Nebenforderung streitwertmäßig nicht berücksichtigt, kann aber bei der Kostenverteilung berücksichtigt werden (Zöller/Herget, Kommentar zur ZPO, 30. Auflage, § 92 Rdnr. 11 mit weiteren Nachweisen).
Und trotzdem liefert auch dieses Urteil positive Aspekte. Danke für die Einstellung.
Fanco D.
Hallo, Willi,
Kfz.-Sachverständige betreiben ein Sachverständigenbüro und kein Büro zur Beitreibung überfälliger oder gekürzter Honorarforderungen, denn auch dieser Berufsstand ist gezwungen, mit seiner Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen, den ihm div. Versicherungen streitig machen.
Roland
Hallo Roland,
genau der Einwand hat jedenfalls bei mir die Erkenntnis wachsen lassen das soweit möglich anwaltliche Unterstützung hinzugezogen werden sollte bei der Schadensregulierung. Für mich liegen die Vorteile jedenfalls klar auf der Hand, denn im Regelfall übernimmt der beauftragte Rechtsanwalt auch das Inkasso meiner Rechnung.
Der Dozent während meiner Ausbildung sagte immer den prägenden Satz: „Recht haben und Recht bekommen sind zweierlei Dinge“. Die Versicherungsgesellschaften wollen verständlicherweise sparen, nur in dem Fall sparen sie am falschen Ende, denn ihre Kürzungsarien produzieren weitere und in den meisten Fällen vermeidbare Kosten.
MfG
A. Oberländer
@ „nur in dem Fall sparen sie am falschen Ende“
Versicherer, wie VHV, Allianz und HUK Coburg sparen nicht am falschen Ende. Sie agieren angesichts der Masse an verlorenen Rechtsstreitigkeiten schlichtweg rechts- und treuewidrig. Aber irgendwann in naher Zukunft wird auch den Managern der Versicherer ihr Handeln an Recht und Gesetz vorbei auf die Füße fallen, ähnlich der Deutschen Bank (min. 6000 Strafverfahren), VW (manipulierte Abgaswerte in USA) oder Kali und Salz (Strafermittlungen wegen Verdacht illegaler Laugenentsorung m. Unterstützung von Landesbehörden), um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen.
Hallo virus,
dessen bin ich mir bewusst und dennoch können wir sie (die Versicherer) nur da treffen wo es ihnen weh tut. In diesem Fall ist es beim Geldbeutel…
Es dürfte eine normale Mischkalkulation sein und wenn bei 10 Kürzungen nur einer klagt, so geht die Kalkulation auf. All die hier gesammelten Urteile sind doch nur die Spitze des Eisberges der Kürzungsarien, die sich täglich abspielen.
Sicher verursacht es zunächst Kosten sein Recht einzuklagen, aber wenn ich mir auf der anderen Seite „Kopfprämien“ in Form von Tankgutscheinen zwischen 30 und 100 Euro/Auftrag leisten kann oder sich das Provisionsbudget für Werkstattaufträge stetig erhöht, so sollten uns Summen von 105 € wohl zunächst weniger abschrecken.
Ferner sind es in vielen Fällen nicht nur unsere Honorarrechnungen die gekürzt werden sondern auch die Regulierungssummen unserer Kunden. Vielfach wohl auch hier klar rechtswidrig. Da unser Auftrag weit mehr ist als die Erstellung eines Gutachten, sondern der Geschädigte imho zurecht ein professionelles Schadensmanagment erwartet wenn er zu einem Sachverständigen geht ist es also unser Auftrag für eine Rechtskonforme Regulierung zu sorgen.
Sicher ist auch hier die Kooperation unserer Kunden wichtig und es ist unsere Aufgabe ihnen zu erklären warum sie bei einem, im günstigsten Fall unserem, Fachanwalt für Verkehrsrecht besser aufgehoben sind als bei ihrem (man verzeihe mir die Wortwahl) „Wald&Wiesen“ Anwalt.
Ich bin kein Befürworter der o.g. Provisionsmodelle und daher der Auffassung das die 100 Euro sinnvoller in eventuellen Kosten eines Rechtsstreits investiert wären und dies auch ein Vorteil für unsere Kunden wäre…
Zu den genannten Beispielen VW usw. verkneife ich mir jetzt einen Komentar 😉
MfG
A. Oberländer
@Andreas Oberländer
Hallo, Andreas,
man hört ja u.a. zu Prämienzahlungen an Werkstätten dies und das. Da soll auch ein TÜV xxxxxxxxx – ganz „offiziell“- fleißig mitmischen. Das wird dann mit der Nutzung betrieblicher Einrichtungen erklärt. Außer der Betriebstoilette wurde aber wohl noch nichts benutzt. Wenn ein solcher Verein, betraut mit hoheitlichen Aufgaben, auf eine solche Art und Weise Markteroberung betreiben sollte, gehört das vor die Schranken der Wettbewerbszentrale und der Staatsanwaltschaft. Ob andere Überwachungsvereine auch ein solches Spiel betreiben, weiß ich nicht, aber nichts ist unmöglich.-
MOBY DICK
Hallo Moby Dick,
vermutlich eine Mentalitätsfrage. Sicher rennen mir die Leute die Bude ein wenn es als Zugabe zum Schadensgutachten noch einen 30 € Tankgutschein gibt, den der SV sicher nicht aus eigener Tasche bezahlt, ebenso wenig wie die von Dir genannten Prämienzahlungen. Zwangsläufig wird durch die Masse die Qualität der Gutachten bzw. das Schadensmanagement leiden. Unsere Honorare sind nicht grundlos so angesetzt, denn ein Schadensfall ist mehr als nur das Gutachten. Das ganze Drumherum fällt bei den angestellten Sachverständigen der Versicherungswirtschaft weg und darum hält man dort unsere Honorare für zu hoch?!
Aber um nicht ganz vom Thema abzukommen, klare Aussage des Anwaltes meines Vertrauens: „99,9% der Fälle von Honorarkürzungen gewinnen wir!“ Ich denke die Zahl spricht für sich und bei anderen Rechtsanwälten dürfte die Quote kaum anders aussehen, auch wenn die Versicherungswirtschaft es gerne anders hätte 😉
Mit freundlichen Grüßen
A. Oberländer