Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Alzenau bei Aschaffenburg geht es im gleichen Sinne weiter nach Ettlingen. Auch hier musste die Versicherungsnehmerin der KRAVAG das ausbaden, was die KRAVAG verursacht hatte. Weil die KRAVAG wegen „finanzieller Engpässe“ möglicherweise nicht in der Lage war, den von der Versicherungsnehmerin verursachten Schaden bei voller Haftung zu einhundert Prozent zu ersetzen, war das Unfallopfer gezwungen, wegen des Restschadensersatzes die Versicherungsnehmerin der KRAVAG gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Da wird sich die betroffene Firma aber gefreut haben, dass sie wegen der wohl bestehenden „finanziellen Klemme“ der KRAVAG-Versicherung zur Erstattung des nicht bezahlten Schadensersatzbetrages verurteilt wurde? Da kommt richtig Freude auf, wenn es um die Verträge bei der KRAVAG geht. Denn bei größeren Schäden ist ja mit der gleichen Strategie der KRAVAG zu rechnen. Je nach Schadenshöhe kann so etwas bis zur Insolvenz des Versicherungsnehmers – hier eines Unternehmens – führen. Hoffentlich nicht KRAVAG versichert? Was denkt Ihr? Lest aber selbst das Urteil des Amtsgerichts Ettlingen zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Versicherungsnehmerin der KRAVAG Versicherung und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Leider gebraucht auch die erkennende Richterin das falsche Wort „Gebühren“ bei den Sachverständigenkosten. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor übersandt durch die Rechtsanwälte Dr. Imhof und Partner aus Aschaffenburg. Insgesamt ist aber festzustellen, dass immer mehr Unfallopfer dazu übergehen, wegen des Restschadensersatzes nicht mehr die – ohnehin nicht regulierungsbereite – Haftpflichtversicherung, sondern den Schadenverursacher, also in der Regel den Versicherungsnehmer der Versicherung, auch gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Damit wird das rechtswidrige Kürzungsverhalten der betreffenden Versicherung publik und auch der eigene Versicherungsnehmer erfährt von den rechtswidrigen Machenschaften seiner Versicherung. Was sind Eure Erfahrungen?
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
3 C 90/14
Amtsgericht Ettlingen
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
…(Versicherungsnehmerin der KRAVAG-Versicherung AG)
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte G., S., St. u.a. aus H.
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Ettlingen durch die Richterin B. am 11.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 78,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2014 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Hamburg-St. Georg entstanden sind; diese hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 78,60 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 398 BGB aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Erstattung restlicher Sachverständigenkosten aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 17.12.2013 in Karlsbad in Höhe von 78,60 €.
Die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten, Herrn K., an den Kläger in Bezug auf die Sachverständigenkosten ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger als Zessionar kann nur das verlangen, was der geschädigte Zedent nach § 249 Abs. 2 BGB als Schadensersatz von der Beklagten hätte verlangen können.
Die vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 78,60 € sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB. Die Einwände der Beklagten gegen die Höhe des Sachverständigenhonorars greifen im Ergebnis nicht durch.
Die Beklagte ist nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verpflichtet, den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Dazu gehören auch die Kosten, welche zur Feststellung des Schadens der Höhe nach erforderlich sind. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats diejenigen Aufwendungen anzusehen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (BGH v. 22.7.2014, Az. VI ZR 357/13). Dazu gehören auch die Kosten eines Gutachtens mit der entsprechenden Fachkunde ausgestatteten Sachverständigen. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH v. 22.7.2014, Az. VI ZR 357/13). Der Geschädigte genügt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seiner Darlegungslast zur Schadenhöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadenbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne der genannten Norm. Diese Indizwirkung kommt der Rechnung aber nur zu, sofern diese nicht auch für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH v. 11.2.2014, Az. VI ZR 225/13).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger durch Vorlage der Rechnung grundsätzlich die Notwendigkeit der dem Geschädigten angefallenen Kosten hinreichend dargelegt. Einem Laien wie dem Geschädigten müssen Honorarerhebungen verschiedener Berufsverbände, die einen Gebührenrahmen darstellen (z.B. BVSK, VKS/BVK), nicht bekannt sein. Aufgrund des Fehlens von Gebührenordnungen bzw. verlässlicher Größenordnungen ist es für den Geschädigten regelmäßig nicht zu erkennen, wann die Honorarsätze die in der Branche üblichen Preise deutlich überschreiten. Insofern ist die vom Geschädigten vorgelegte Rechnung des Sachverständigen in der Regel zu erstatten (vgl. dazu OLG München v. 12.3.2015, Az. 10 U 579/15). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall für die vom Kläger vorgelegte Gutachterhonorarrechnung vom 22.01.2014 gelten. Die einzelnen Rechnungsposten und Beträge entsprechen dabei zudem der bereits am 20.01.2014 zwischen dem Kläger und Herrn K. als Geschädigtem getroffenen Honorarvereinbarung.
Selbst wenn dem Geschädigten die in der VKS/BVK-Honorarumfrage 2012/2013 dargestellten Gebührenrahmen bekannt waren, ist ihm kein Mitverschulden vorzuwerfen. Denn sowohl das in der Gutachterhonorarrechnung aufgeführte Grundhonorar als auch die einzelnen Nebenkostenpositionen halten sich innerhalb der Bandbreite der genannten Honorarumfrage.
Des Weiteren spielt es auch keine Rolle, ob einzelne Nebenkostenpositionen, wie von der Beklagten dargelegt, überteuert sind oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der gesamte Rechnungsbetrag für den Laien erkennbar überteuert ist. Die Erstattungsfähigkeit kann mithin nur dann verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung also in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen (OLG München v. 12.3.2015, Az. 10 U 579/15). Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Für den Zedenten ist nicht erkennbar, dass die Gutachterkosten in Höhe von 558,17 € unverhältnismäßig hoch angesetzt wären. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Beklagte von den Gutachterkosten lediglich 78,60 € nicht regulieren will. Herr K. als Geschädigter verstößt somit nicht gegen seine Schadensminderungspflicht.
Da der Geschädigte selbst dem Sachverständigen zur Zahlung der streitgegenständlichen Kosten verpflichtet ist, steht dem Kläger ein diesbezüglicher Erstattungsanspruch aus abgetretenem Recht zu. Durch die vorgerichtliche Zahlung von 479,57 € ist der begründete Anspruch gem. § 362 BGB bis auf den zugesprochenen Beitrag erloschen.
Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat mit Schreiben vom 29.01.2014 die Bezahlung der restlichen Gutachterkosten ausdrücklich abgelehnt. Dies stellt eine ernsthafte und endgültige Verweigerung im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar. Die Verzugszinsen fallen damit ab dem 30.01.2014 an. Die Beklagte muss sich insoweit die Zahlungsverweigerung durch die hinter ihr stehende Haftpflichtversicherung zurechnen lassen.
Der Kläger kann zudem die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € aus §§ 280, 286 BGB als Verzugsschaden geltend machen. Nach Kürzung der Schadensposition der Gutachterkosten durch die Haftpflichtversicherung der Beklagten und des damit eingetretenen Regulierungsverzuges sind durch die außergerichtliche Zahlungsaufforderung zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens Rechtsanwaltskosten für den Kläger entstanden, welche die Beklagte zu ersetzen hat.
Der Zinsanspruch hinsichtlich dieser Kosten ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.02.2014 zur Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bis zum 27.02.2014 aufgefordert. Dieser Aufforderung ist die Haftpflichtversicherung der Beklagten nicht nachgekommen. Verzug ist damit am 28.02.2014 eingetreten. Auch diesbezüglich muss sich die Beklagte die Zahlungsverweigerung durch ihre Haftpflichtversicherung zurechnen lassen.
Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Erstattung der Auskunftskosten in Höhe von 5,10 €. Es ist nicht erkennbar, auf welcher Anspruchsgrundlage dieser Anspruch beruhen soll. Zudem ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen eine Halterabfrage erforderlich war. Insofern fehlt es an einem substantiierten schlüssigen Sachvortrag des Klägers.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 3 S. 2, 495 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
KRAVAG = R+V Versicherung.
Wen wundert es, dass die R+V kein Geld für Geschädigte übrig hat, wenn Mitarbeiter wie Dagobert Richter an jedem Monatsende „fette Beute“ aus dem Palast schleppen?