Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend veröffentlichen wir hier noch ein „Sonntags-Urteil“ aus Warburg zu den Sachverständigenkosten und zur fiktiven Schadensabrechnung gegen den Versicherungsnehmer der Bruderhilfe. Der Rechtsstreit wurde durch das erkennende Gericht zur fiktiven Schadensabrechnung kurz und knapp abgehandelt. Aber die Darlegungs- und Beweislast der Schädigerseite wurde zutreffend behandelt. Die Urteilsgründe zu den Sachverständigenkosten sind etwas holprig abgefasst und mit einer Prüfung der „Angemessenheit“ nach BVSK versehen. Alles in allem hat der erkennende Richter dann aber doch noch die Kurve irgendwie hinbekommen. Der Einsendes des Urteils hat uns noch folgendes an Erläuterungen mitgeteilt:
„Die Gegenseite hat das Gericht mit Schriftsätzen überschüttet. Das Gericht hat sich davon nicht beeinflussen lassen und sogar seine bisherige Rechtsprechung zu Gutachterrechnungen aufgegeben.“
Das ist doch erfreulich. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag
Willi Wacker
1 C 15/15
Amtsgericht Warburg
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
Herrn … ,
Beklagten,
hat das Amtsgericht Warburg
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 16.06.2015
durch den Richter G.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 169,50 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 169,50 € festgesetzt.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 169,50 € gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 BGB.
Für das Sachverständigengutachten sind weitere 149,39 € zu zahlen. Auf den Sachschaden sind weitere 20,11 € zu zahlen. Der Zinsanspruch ist erst ab dem 30.12.2014 begründet.
1. Gutachtenkosten
Der für die Erstattung des Gutachtens nach einem Verkehrsunfall aufgewandte Betrag in Höhe von insgesamt 572,39 € brutto ist nicht offensichtlich unangemessen. Es kann daher die Erstattung des gesamten Betrages verlangt werden. Die fehlenden 149,39 € sind zu zahlen.
Die Kosten für ein Sachverständigengutachten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des
Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und
Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 – NJW 2007, 1450 m.w.N.).
(LG Karlsruhe, Urteil vom 25. Februar 2011 – 6 O 350/10 -, juris)
Danach kann der Geschädigte die Sachverständigenkosten in der Höhe ersetzt verlangen, bei denen es sich um die üblichen und angemessenen Honorare für KFZ-Sachverständige handelt. Diese Vergütung darf gemäß § 287 ZPO vom Gericht geschätzt werden.
Als üblich können solche Honorarsätze angesehen werden, die durch eine Befragung ermittelt wurden. Die Befragung der Sachverständigen durch die BSVK stellt eine solche Befragung dar, die eine geeignete Schätzgrundlage ist. Es handelt sich um die Ermittlung eines Durchschnittswerts dessen, was die befragen Sachverständigen als Honorare für ihre Gutachtertätigkeit abrechnen.
(LG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 07. November 2012- 5 S 443/12 -, juris)
Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BGH von 22.07.2014, Az VI ZR 357/13.
Das Amtsgericht verkennt hierbei nicht, dass solche Befragungen grundsätzlich nur ein Anhaltspunkt sein können, weil die Ergebnisse dadurch beeinfiusst werden können, wer die Befragung mit welchem Interesse durchführt. Dies zeigte sich beispielsweise bei den Unfallersatztarifen, bei denen die Werte zwischen der Schwacke Liste und der Befragung des Fraunhofer Instituts deutlich voneinander abweichen, so dass viele Gerichte dazu übergehen, aus beiden Befragungen einen Mittelwert zu bilden.
Die von der Klägerin verfolgten Gutachterkosten sind dennoch in voller Höhe erstattungsfähig, da sich diese im Rahmen der Ergebnisse der Befragung durch die BSVK halten, wenn auch nur leicht unterhalb der Maximalwerte. Nach BVSK könnte der Sachverständige insgesamt 587,44 € berechnen, während er tatsächlich 572,39 € berechnete. Das Gericht kann für den eigenen Gerichtsbezirk nicht erkennen, dass eine Schätzung gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage der BVSK Befragung nicht zu angemessenen Ergebnissen führen würde.
Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die aufgewandten Sachverständigenkosten unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze nicht erforderlich und zweckmäßig waren. Es gibt auch keine hinreichenden Ansatzpunkte für ein treuwidriges Verhalten des Geschädigten oder des Sachverständigen, der einen „dolo agit“ Einwand rechtfertigen würde. Für das Gericht ist auch unerheblich, in welchen Einzelpositionen die Gesamtforderung berechnet wird, da nur die Gesamtsumme zählt.
Soweit andere Sachverständige einzelne Rechnungspositionen günstiger oder teuer berechnen, wird dies regelmäßig bei anderen Rechnungspositionen wieder kompensiert. Sinnvoll und zweckmäßig ist daher nur eine Betrachtung der abgerechneten Gesamtkosten.
2. Abzugsposition
Der Abzug von 20,11 € unter Verweis auf einen Referenzbetrieb ist nicht zulässig, da die Beklagte nicht dargelegt hat, dass dieser Referenzbetrieb unabhängig repariert, sondern der Behauptung der dauernden Geschäftsbeziehung zwischen Werkstatt und Haftpflichtversicherung des Beklagten und der daraus folgenden Abhängigkeit nicht substantiiert entgegentreten ist.
3.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, allerdings erst ab dem Zeitpunkt der Ablehnung der Regulierung des weiteren Schadens. Ein Verzug vor diesem Zeitpunkt ist nicht vorgetragen, zumal der beantragte Zinsbeginn noch vor dem Unfallereignis liegt.
4.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 Nr. 11, 713 ZPO.
5.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Im Kern handelt es sich um eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO, die von dem Tatrichter durchgeführt wird. Zudem gibt es bereits Entscheidungen des Berufungsgerichts, die ebenfalls ein Honorar innerhalb der BVSK Tabelle grundsätzlich für erforderlich halten (Urteil des LG Paderborn vom 11.06.2014, Az.: 5 S 23/14; Urteil des LG Paderborn vom 15.05.2014, Az.: 5 S 22/14).
Hallo, Willi Wacker,
wie sagte ehemals ein Sachverständiger zum rechtswidrigen Kürzungsschreiben der Bruderhilfe-Versicherung aus Kassel ?
„Euch Brüdern werde ich helfen“, trat aus der Kirche aus, verklagte den Glaubensbruder als Schädiger und liess diesem dann – wie unter Brüdern inzwischen üblich- auch noch die Kopie eines Urteils zukommen, damit er sehen konnte, wie seine Glaubensbrüder aus Kassel ihm falsche Versprechungen gemacht haben, von wegen „wir regeln das schon für dich“ und v.a.m. Er fühlte sich jämmerlich hinters Licht geführt und soll den Brüdern aus Kassel keinen Glauben mehr geschenkt haben.
An dem aktuellen Fall jetzt sieht man, dass sie immer noch der weltlichen Verführung das Wort reden und mit Verwunderung nehme ich zur Kenntnis:
„Die Gegenseite hat das Gericht mit Schriftsätzen überschüttet. Das Gericht hat sich davon nicht beeinflussen lassen und sogar seine bisherige Rechtsprechung zu Gutachterrechnungen aufgegeben.“
Da sieht man mal wieder beispielgebend, dass Kampf zu Krampf führt, weil sie es zwingen wollen, wie einst die Kreuzritter. Der Richter des AG Warburg verspürte jedoch -und das verständlicherweise- keine Lust, diesem Krampf Rechnung zu tragen und hat das in den Entscheidungsgründen seines Urteils dann auch deutlich gemacht. Ein solches „Vater unser“ werden auch die Brüder aus Kassel noch oft zu lesen bekommen und den Zorn der hinters Licht geführten Brüder dazu, da bin ich mir ganz sicher.
Herzlichst
Eure HUK-Drohne
„Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die aufgewandten Sachverständigenkosten unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze nicht erforderlich und zweckmäßig waren.
Es gibt auch keine hinreichenden Ansatzpunkte für ein treuwidriges Verhalten des Geschädigten oder des Sachverständigen, der einen „dolo agit“ Einwand rechtfertigen würde.
Für das Gericht ist auch unerheblich, in welchen Einzelpositionen die Gesamtforderung berechnet wird, da nur die Gesamtsumme zählt.“
Im Hinterkopf speichern für die nächste klageabweisende Replik.-
Knurrhahn
@ Für das Gericht ist auch unerheblich, in welchen Einzelpositionen die Gesamtforderung berechnet wird, da nur die Gesamtsumme zählt.
Es ist schon verwunderlich, dass ein „Feld- Wald- und Wiesenamtsgericht“ bessere Rechtskenntnisse hat als die für Verkehrssachen spezialisierte 13. Zivilkammer des LG Saarbrücken (sog. Freymann-Kammer). Während diese Kammer entgegen der Fassung des § 287 ZPO Einzelpositionen der Gesamtrechnung auf ihre Angemessenheit prüft, hat der junge Richter des AG Warburg es bereits richtig erfasst. Bei § 287 ZPO ist nur eine Schätzung der Höhe des Schadens vorzunehmen.
Eine Preiskontrolle ist dem Schädiger und dem Gericht untersagt (BGH NJW 2007, 1450). Das auch mit gutem Grund, denn im Schadensersatzprozess geht es nicht um die Angemessenheit, sondern um die Erforderlichkeit, wie der Geschädigte sie im Zeitpunkt der Beauftragung der Wiederherstellungsmaßnahmen für notwendig und zweckmäßig erachtet hat (Ex-ante-Betrachtung).