Beachtenswert: Der Hinweisbeschluss der Berufungskammer des LG München zur Frage der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten nach unverschuldetem Verkehrsunfall (LG München Hinweisbeschluss vom 3.7.2015 – 17 S 16018/14 -)

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

als bayerisches Sahnehäubchen veröffentlichen wir hier noch einen aktuellen  Hinweisbeschluss des LG München I vom 3.7.2015 in einer Berufungssache zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Bruderhilfe. Auch beim LG München I, als dem untergeordneten Gericht unter dem OLG München, hat man offensichtlich eingesehen, dass nach dem Beschluss des OLG München 10 U 579/15 mit JVEG u. BVSK kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist? Diese Einsicht erfolgt auch völlig zu Recht. Nach dem Urteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (= BGH DS 2014, 90 = NJW 2014, 1947) muss kein Geschädigter den BVSK und dessen Honorarbefragung kennen. Was der Geschädigte nicht kennen muss, kann dann auch nicht Massstab für eine Ex-Post-Betrachtung des Gerichts sein. Mit dem Grundsatzurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) hat der BGH bereits entschieden, dass die Grundsätze des JVEG nicht auf Privatgutachter anwendbar sind.  Dementsprechend ist weder eine direkte noch eine analoge Anwendung möglich, da die Haftungsfragen bei Privatgutachtern gänzlich unterschiedlich sind zu denen des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Insoweit war das (nicht rechtskräftige) Berufungsurteil der Berufungskammer 13 S des LG Saarbrücken vom 19.12.2014 – 13 S 41/13 – ein Irrweg. Das hatte auch bereits das OLG München so gesehen. Jetzt muss sich die frohe Botschaft nur noch an den bayerischen Amtsgerichten herumsprechen – insbesondere in den „speziellen Abteilungen“. Entscheidungen wie die bereits veröffentlichten der Abt. 341 C dürften somit in München keinen Bestand mehr haben. In München hat das Wort des dortigen OLG wohl doch noch etwas Gewicht? Im Saarland hingegen leider nicht. Da peift die –  vom LG-Präsidenten eingerichtete und geleitete – Spezialkammer 13 S des LG Saarbrücken für das Schadensersatzrecht nach wie vor auf Recht und Gesetz und widersetzt sich auch der Rechtsprechung des übergeordneten OLG des Saarlandes. Lest selbst den interessanten – und zielführenden – Hinweisbeschluss des LG München I. Gebt daran anschließend dann bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Euer Willi Wacker

Landgericht München I

Az.: 17 S 16018/14
.      343 C 5489/14 AG München

In dem Rechtsstreit

– Kläger und Berufungskläger –

gegen

– Beklagte und Berufungsbeklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Landgericht München I – 17. Zivilkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht T. , die Richterin am Landgericht Dr. K.-L. und die Richterin am Landgericht Dr. U. am 03.07.2015 folgenden

Hinweis-Beschluss

Die Kammer beabsichtigt, auf die Berufung des Klägers das Ersturteil des Amtsgerichts München vom 14.07.2014 abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 134,16 € zu verurteilen.

Nach dem nunmehr anzuwendenden Beurteilungsmaßstab des OLG München zur Frage der Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren kommt eine Beschränkung des Sachverständigenhonorars unter Verweis auf BVSK-Umfragen oder unter Heranziehung des JVEG unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Auf den anliegenden Hinweis-Beschluss des OLG München, Az.: 10 U 579/15 , wird verwiesen. Bei der Frage der Angemessenheit von Nebenkosten bei privaten Sachverständigen können diese Quellen daher keine Orientierungshilfe bei der Bemessung sein.

Angesichts der gebotenen subjektsbezogenen Schadensbetrachtung und wegen des Fehlens von Gebührenordnungen wird in der Regel die von dem Geschädigten vorgelegte Rechnung des Sachverständigen zu erstatten sein. Selbst einzelne überhöht erscheinende Nebenkosten sind dann nicht zu beanstanden, wenn kein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Gesamtpreis des Sachverständigen und seiner Leistung besteht. Eine Kürzung zu Lasten des Geschädigten scheidet aus, wenn der Gesamtbetrag die in der Branche üblichen Gesamthonorare nicht deutlich übersteigen. Zudem kann die Erstattungsfähigkeit nur dann verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt.

Nach diesem Maßstab können die von dem Erstgericht vorgenommenen Kürzungen bei den Sachverständigenkosten nach Ansicht der Kammer daher keinen Bestand haben.

Es wird hiermit Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Hinweisen bis zum 28.07.2015 gegeben.

gez.

.              T.                                          Dr. K.-L.                      Dr. U
Vorsitzende Richterin                        Richterin                    Richterin
.   am Landgericht                         am Landgericht          am Landgericht

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11 Antworten zu Beachtenswert: Der Hinweisbeschluss der Berufungskammer des LG München zur Frage der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten nach unverschuldetem Verkehrsunfall (LG München Hinweisbeschluss vom 3.7.2015 – 17 S 16018/14 -)

  1. Franz E. sagt:

    Sapralot, da ist der heilige Geist über die bayerische Justiz gekommen. Interessant ist der 3. Absatz: „…Angesichts der gebotenen subjektsbezogenen Schadensbetrachtung und wegen des Fehlens von Gebührenordnungen wird in der Regel die von dem Geschädigten vorgelegte Rechnung des Sachverständigen zu erstatten sein. Selbst einzelne überhöht erscheinende Nebenkosten sind dann nicht zu beanstanden, wenn kein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Gesamtpreis des Sachverständigen und seiner Leistung besteht. Eine Kürzung zu Lasten des Geschädigten scheidet aus, wenn der Gesamtbetrag die in der Branche üblichen Gesamthonorare nicht deutlich übersteigen. Zudem kann die Erstattungsfähigkeit nur dann verneint werden, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt.“

    Damit ist auch dem saaländschen Spuk mit der Kontrolle einzelner Nebenkosten ein Ende gesetzt. Denn das LG Saarbrücken verkennt in seiner zwar vielfach veröffentlichten und zitierten Entscheidung vom 19.12.2014 (Az. 13 S 41/13), deren Betand aber im Revisionsverfahren in Karlsruhe überprüft wird und die daher nicht rechtskräftig ist, dass es nicht auf Einzelpositionen, sondern nur auf den Gesamtbetrag ankommt im Rahmen des § 287 ZPO. Das hat nunmehr auch – völlig korrekt – das LG München I gesehen. Daher dürfte jetzt kein JVEG mehr durch die Gerichtsflure pfeifen. Es dürfte jetzt keine Einzelpositionenprüfung der Nebenkosten mehr durchgeführt werden und letztlich dürfte jetzt auch mit BVSK Schluss sein.

    Hoffentlich kommt der heilige Geist auch noch mal ins Saarland. Dort sollen noch Richter sitzen, die auf den rechten Weg geführt werden müssen.

    Grüße
    Franz E.

  2. Bösewicht sagt:

    Das geht runter wie Öl. So muss das sein! Herrlich…

  3. Werner F. sagt:

    Mit diesem Hinweisbeschluss, der auch vielmehr verbreitet werden muss, ist der Kürzungswahn in München und Umgebung nunmehr zu Ende. Hoffentlich! Entscheidend ist der letzte Absatz des Beschlusses, der der HUK-COBURG und ihrer Bruderhilfe kaum gefallen dürfte. Dort heißt es wortwörtlich, dass „nach diesem Maßstab (gemeint ist der vorgenannte, nach dem nunmehr anzuwendenden Beurteilungsmaßstab des OLG München zur Frage der Angemessenheit von Sachverständigenhonoraren kommt eine Beschränkung des Sachverständigenhonorars unter Verweis auf BVSK-Umfragen oder unter Heranziehung des JVEG unter keinem Gesichtspunkt mehr in Betracht) können die von dem Erstgericht vorgenommenen Kürzungen bei den Sachverständigenkosten nach Ansicht der Kammer daher keinen Bestand haben. „

    So ist es richtig. Und so hat es auch der BGH in seinem Grundsatzurteil am 11.2.2014 (Az. VI ZR 225/13) entschieden. Damit sind grundsätzlich Kürzungen nicht mehr rechtens. Gleichwohl ist der Schädiger nicht rechtlos, wenn er grundsätzlich verpflichtet ist, die berechneten Sachverständigekosten in vollem Umfang auszugleichen bzw. zu erstatten, denn ihm bleibt die rechtliche Möglichkeit des Vorteilsausgleichs. Damit dürfte dann auch die Ottingsche Logik, wonach es für den Versicherer einfacher ist auf der Passivseite den Anspruch einfach zu kürzen als in der Aktivrolle den behaupteten Mehrbetrag zurückzufordern, ad absurdum geführt worden zu sein. Denn letztlich wird den Versicherungen nichts anderes übrig bleiben, wenn es nach Recht und Gesetz gehen soll. Aber bekanntlich richtet sich besonders die HUK nicht so sehr um Recht und Gesetz.

    Danke Captain-Huk-Redaktion, dass ihr diesen aktuellen Beschluss des LG München hier recht zeitnah veröffentlicht habt. Danke.

  4. zeckenzange sagt:

    Damit dürfte die spezielle „Arroganzrechtsprechung“ in München erst mal wieder eingebremst sein.

  5. Iven Hanske sagt:

    Es gibt schon so viele richtige Richtersprüche dieser dem BGB achtenden Art und was hat es genutzt? So lange wie die Versicherer das Geld und die entsprechende Macht haben, wird auch der hiesige Hinweis nur ein kleiner Tropfen der Seriösität und des geltenden Recht sein. Aus meiner Sicht hilft nur Strafanzeige auf Unterlassung wegen rechts-und wettberbswiedrigen Verhalten. Übrigens gibt es bald was wegen Kürzung und Unterlassung gegen die HUK vom OLG Naumburg, da die Berufung zur LG Entscheidung läuft.

  6. COLOMBO sagt:

    Jetzt besuche ich auch wieder das schöne München und das Hofbräuhaus.
    COLOMBO

  7. J.M.C. sagt:

    Der Hinweisbeschluss der Berufungskammer des LG München vermittelt den Eindruck, dass er der Aufwachtrunk für die ewigen Zauderer sein könnte und das hat nichts mit Bier zu tun.-

    Mit freundlichen Grüßen

    J.M.C.

  8. Glöckchen sagt:

    Damit wird nun endlich und überfällig die Entscheidung des BVerfG 1 BvR 1655/05 vom 28.11.2007 beachtet.
    Es ist eben schon ganz schön weit von Karlsruhe bis nach München.

  9. Lenchen sagt:

    @Glöckchen
    „Damit wird nun endlich und überfällig die Entscheidung des BVerfG 1 BvR 1655/05 vom 28.11.2007 beachtet.“

    Hier schon einmal veröffentlicht ?

    Lenchen

  10. Hans-Georg H. sagt:

    … aber es ist noch weiter von Karlsruhe nach Saarbrücken.

  11. Glöckchen sagt:

    @Lenchen
    Die Entscheidung des BVerfG ist zitiert in der Entscheidung des VerfGH Sachsen v.26.04.2013-94-IV-12
    …..guggstdu Google und hier im Blog,posted by WW on 22.09.2013

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