Hallo verehrte Catain-Huk-Leserinnen und -Leser,
heute beginnen wir unsere Urteilsreise in Niedersachsen am Amtsgericht Geestland. Die dort Recht sprechende Amtsrichterin hatte über einen Restschadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht auf Erstattung restlicher Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall zu entscheiden. Wieder war es die HUK-COBURG, die – trotz einhundertprozentiger Haftung – keinen vollständigen Schadebsersatz leistete. Die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG hatte von den berechneten Sachverständigenkosten in Höhe von 1.015,07 € lediglich 895,– € erstattet. Der Differenzbetrag war Gegenstand des Rechtsstreites vor dem AG Geestland. Die Amtsrichterin hat zu den Sachverständigenkosten alles bestens entschieden. Bei den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat sie jedoch „gepatzt“, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Anmerkungen ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Geestland
2 C 19/15 (I)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin
gegen
HUK Coburg Allgem.Vers.AG vertr.d.d.Vorstand Dr. Wolfgang Weiler u.a., Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Geestland im Verfahren gem. § 495a ZPO am 12.08.2015 durch die Richterin am Amtsgericht S. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 120,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Januar 2015 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu 37 % die Kläger und zu 63 % die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Abfassung des Tatbestandes ist gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Die Beklagte ist dem Zedenten H.-D. v. G. gegenüber gemäß den §§ 7, 17 StVG, 115 VVG, 249 BGB zur Erstattung der dem Zedenten von dem Kläger am 17.11.2014 (Anlage K2) in Rechnung gestellten Forderung verpflichtet. Da der Zedent seine Ansprüche gegen die Beklagte am 14.11.2014 sicherungshalber an den Kläger abgetreten hat und der Kläger entsprechend der Vereinbarung vom 14.11.2014 berechtigt ist, „die Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Herstellung des Sachverständigengutachtens aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall im eigenen Namen geltend zu machen“, ist der Kläger aktivlegitimiert und zur Durchsetzung der Ansprüche berechtigt. Er kann daher direkt Zahlung an sich selbst verlangen.
Die Beklagte hat die gesamten Sachverständigenkosten zu erstatten. Dass zur Ermittlung des dem Zedenten an seinem Pkw entstandenen Schaden die Beauftragung eines Sachverständigen erforderlich war, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Aus der aus den Lichtbildern des Gutachtens ersichtlichen Beschädigung an dem Fahrzeug des Zedenten ist zudem zu erkennen, dass es sich nicht nur um ganz geringfügige Schäden handelte urid die Einschaltung eines Sachverständigen unverhältnismäßig gewesen wäre.
Die Kosten zur Schadensfeststellung waren im vorliegenden Fall gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 287 ZPO erforderlich. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen, u.a. in der von den Parteien zitierten Entscheidung vom 11.02.2014 (Az. VI ZR 225/13) ausgeführt, dass als erforderlich diejenigen Aufwendungen anzusehen sind, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH a.a.O.). Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH a.a.O.). Hierauf hat sich der Kläger berufen. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentlichen Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH a.a.O.), wobei letztlich jedoch nicht die rechtlich geschuldeten, sondern tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend sind. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (BGH a.a.O.). Derartiges hat die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgetragen. Es bleibt daher dabei, dass der Geschädigte nur dann, wenn er erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH a.a.O.). Es ist nicht ersichtlich, woraus sich derartiges zu Lasten des Geschädigten ergeben sollte. Unstreitig befindet sich das von dem Kläger abgerechnete Grundhonorar innerhalb des von der Honorarumfrage des Bundesverbandes der Sachverständigen aus dem Jahr 2013 liegenden Kostenrahmens, der bei einem Schaden von brutto 8.199,63 – wie vorliegend – einen Gebührenrahmen von 704,00 € bis 766,00 € als Grundhonorar vorsieht. Der Kläger hat 750,50 € abgerechnet.
Die Beklagte trägt ebenfalls nicht substanziiert vor, dass sich dem Geschädigten aufdrängen musste, dass der Kläger überhöhte Nebenkosten abrechnet. Dem Begriff „Grundhonorar“ ist nicht bereits zu entnehmen, dass damit sämtliche Ansprüche, die die Gutachtenerstellung kostenrechtlich auslöst, abgegolten sind. Bereits das Wort „Grund“honorar besagt, dass es außer dem Grundhonorar ggfs. noch weitere anfallende Kosen gibt. Die Abrechnung einer Fahrtkostenpauschale von 35,00 € erscheint nicht per se zu hoch zu sein, zumal sich aus dem Gutachten Seite 1 ergibt, dass die Fahrbereitschaft des zu begutachtenden Fahrzeugs nicht gegeben war. Der Kläger hat unwidersprochen dargelegt, dass auch andere Sachverständige im hiesigen Bereich Fahrtkosten erheben, so u.a. das Sachverständigenbüro H. & D. eine Fahrtkostenpauschale von 30,00 € und TÜV Nord Fahrtkosten von 1,08 € je Kilometer. Unstreitig ist auch, dass die von dem Kläger abgerechneten Nebenkosten die sich aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze nicht überschreiten. Wenn nach BGH (a.a.O.) selbst die Überschreitung der entsprechenden Höchstsätze der BSVK-Umfrage noch nicht die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen die Pflicht zur Schadensminderung auslöst, muss dies erst recht gelten, wenn sich die Nebenkosten im Rahmen der BSVK-Umfrage bewegen. Weshalb also der Geschädigte hätte erkennen müssen, dass der Kläger überhöht abrechnet, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Er durfte daher die angefallenen, mit Rechnung vom 17.11.2014 abgerechneten Kosten für erforderlich halten. Aus diesem Grund hat die Beklagte die gesamte Forderung von 1.015,07 € abzüglich gezahlter 895,00 € zuzüglich Prozesszinsen gemäß § 291 BGB zu ersetzen.
Vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren kann der Kläger indessen nicht als Verzugsschaden verlangen. Zwar ist durch die Verweigerung der Beklagten, die vollständigen Kosten aus der Rechnung vom 17.11.2014 zu zahlen, gemäß § 286 BGB Zahlungsverzug eingetreten. Auch dürfte der Kläger aktivlegitimiert zur Geltendmachung eines etwaigen Verzugsschadens wegen der verzögerten Regulierung aktivlegitimiert sein. Denn im Zusammenhang mit der sicherungshalber erfolgten Abtretung der Ansprüche ist der Kläger auch berechtigt worden, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Dies ist nicht auf ein bloßes Gerichtsverfahren beschränkt. Ein Zahlungsanspruch des Klägers scheitert aber an fehlendem schlüssigem Vortrag, dass er die außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühr an seinen Bevollmächtigten bereits beglichen hat. Dies setzte voraus, dass der Kläger von seinem außergerichtlich Bevollmächtigten eine Rechnung erhalten hat, da anderenfalls der Anspruch gar nicht fällig geworden wäre. Außerdem setzt ein Zahlungsanspruch voraus, dass der Kläger die Forderung tatsächlich beglichen hat, was jedoch nicht vorgetragen worden ist. Da mit der Klageschrift keine Gebührenrechnung vorgelegt, sondern die Gebührenabrechnung in der Klageschrift vorgenommen worden ist, geht das Gericht davon aus, dass ein Anspruch noch nicht fällig ist. Aus diesem Grunde ist die Klage insoweit abzuweisen. Eines Hinweises bedurfte es wegen § 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Ziffern 1 und 2 ZPO nicht vorliegen.