AG Darmstadt verurteilt mit lesenswertem Urteil vom 17.7.2015 – 308 C 28/15 – den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG zur Zahlung der restlichen, von der HUK-COBURG rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nach dem Kölner Mietwagenurteil stellen wir Euch heute wieder ein Sachverständigenkosten-Urteil vor. Wieder einmal war es die HUK-COBURG, die die vollständigen Sachverständigenkosten – trotz eindeutiger Haftung – nicht erstatten konnte oder wollte. Auch in diesem Fall hat die HUK-COBURG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung aber die Rechnung ohne das angerufene Gericht gemacht. Nachdem die HUK-COBURG nicht vollständig Schadensersatz in Form der berechneten Sachverständigenkosten leisten konnte oder wollte, obwohl die Kürzung rechtswidrig war, nahm der Geschädigte bzw. der Neugläubiger, an den der Restschadensersatzanspruch erfüllungshalber abgetreten wurde, nicht mehr die – ohnehin zahlungsunwillige – HUK-COBURG, sondern deren Versicherungsnehmer persönlich in Anspruch. Zutreffend hat das erkennende Gericht bei der Beurteilung der berechneten Sachverständigenkosten auf das Grundsatzurteil des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) hingewiesen. Bei der Beurteilung des abgetretenen Schadensersatzanspruchs hat das Gericht – zu Recht – darauf hingewiesen, dass sich mit der Abtretung der Rechtscharakter der Forderung nicht verändert. Schadensersatz bleibt auch nach der Abtretung Schadensersatz. Das Urteil, bei dem sich die zuständige Amtsrichterin kurz fassen konnte, ist eine runde Sache, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure Kommentare nach der Lektüre des Urteils bekannt.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Darmstadt                                                    Verkündet durch Zustellung
Aktenzeichen: 308 C 28/15

Im Namen des Volkes
Urteil

In dem Rechtsstreit

der D., D. & K. GbR vertr. d.d. Gesellschafter, aus R.

Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I. u. K. aus A.

gegen

Herrn H. G. aus O. (Versicherungsnehmer der HUK-COBURG)

Beklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte L. u. K. aus H.

hat das Amtsgericht Darmstadt durch Richterin am Amtsgericht J. im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO am 17.07.2015 Recht erkannt:

1.   Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 19.05.2012 zu zahlen.

2.    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 30.11.2012 zu zahlen.

3.   Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Mahnkosten in Höhe von 5,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 09.06.2012 sowie Auskunftskosten in Höhe von 5,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 08.05.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.   Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6.   Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

7.   Der Streitwert wird auf 83,75 € festgesetzt.

Tatbestand

Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 83,75 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 249 BGB, 115 VVG, § 398 BGB aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall, der sich am 26.04.2012 in Ober-Ramstadt ereignete.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Bezüglich der vorgelegten Abtretungserklärung vom 27.04.2012 bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. Der Geschädigte Herr C. K. hat seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachterkosten an die Klägerin abgetreten. Die vorgelegte Abtretungserklärung entspricht auch den Anforderungen, die der BGH gemäß Urteil vom 07.06.2011 (Az.: VI ZR 260/10) aufgestellt hat.

Es kommt nicht darauf an, ob die Rechnung des Sachverständigen überhöht ist. Die vertragsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten sind von der schadensersatzrechtlichen Beziehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger zu unterscheiden. Eine unter vertragsrechtlichen Gesichtspunkten überhöhte Rechnung ist grundsätzlich erstattungspflichtig. Die Berechnung des Schadens kann nicht von Mängeln von Verträgen abhängig gemacht werden, die der Geschädigte abgeschlossen hat, um den Schaden zu beheben. Die Erstattungspflicht einer Sachverständigenrechnung richtet sich nach schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere nach § 249 BGB (Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts, Verkehrsrecht 4. Aufl., Kapitel 6, Rz. 224 u. 226, Seite 463 u. 464).

Erstattungsfähig ist, was „dem wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint“ (BGH NJW 2007, 1450 ff = DS 2007, 144 m. zutr. Anm. Wortmann). Dabei ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Einfluss-und Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH a. a. O.). Preisvergleiche sind dem Geschädigten in diesem Bereich nicht zuzumuten. Im Verhältnis zum Geschädigten gilt, dass dieser vor Erteilung des Gutachterauftrages keine Marktforschung betreiben muss, soweit für ihn als Laie nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige seine Vergütung geradezu willkürlich ansetzt. Dem Geschädigten fehlt häufig, anders als bei Mietwagenkosten, schon die praktische Möglichkeit, sich im Vorfeld nach der Höhe der Sachverständigengebühren im konkreten Fall zu erkundigen. Denn diese Gebühren richten sich meist nach der Schadenshöhe, weshalb der Sachverständige ex-ante meist keine zuverlässigen Angaben zur voraussichtlichen Höhe seiner Gebühren treffen kann. Da der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist, nicht des Geschädigten, sind die Fehler des Sachverständigen somit dem Schädiger zuzurechnen. Das Prognoserisiko geht zu Lasten des Schädigers (Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts, Verkehrsrecht, 4. Aufl., Kapitel 6, Rz. 227, S. 465).

Die Klägerin macht gegen den Beklagten keine vertragsrechtiichen Ansprüche geltend, sondern einen Anspruch auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht, wobei sich der Ersatzanspruch durch die Abtretung nicht verändert oder umwandelt. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass dem Geschädigten eine Unangemessenheit der Vergütung bei Auftragserteilung offensichtlich ins Auge springen musste.

Der Schädiger ist im Übrigen nicht benachteiligt, da er, wenn er die Vergütung für überhöht hält, vom Geschädigten die Abtretung seiner Rückforderungsansprüche gegen den Sachverständigen verlangen kann.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286, 288, 291 BGB. Zwar waren die Aufforderungsschreiben an die Haftpflichtversicherung des Beklagten gerichtet. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Mahnung gegenüber dem Krafthaftpflichtversicherer eine Gesamtwirkung entfaltet (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage, § 423, Rz. 3). Der Anspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht in Höhe von 39,00 € (1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Pauschale aus einem Gegenstandswert in Höhe von 83,75 €). Hinsichtlich der Mahnkosten ist ein Betrag in Höhe von 2,50 € je Mahnung angemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Darmstadt verurteilt mit lesenswertem Urteil vom 17.7.2015 – 308 C 28/15 – den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG zur Zahlung der restlichen, von der HUK-COBURG rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht.

  1. Franz H. sagt:

    … und wieder wurde ein VN der HUK-Coburg direkt verklagt – und zur Zahlung dessen verurteilt, was die HUK-Coburg dem Geschädigten rechtswidrig verweigert hatte. Richtig so! Was die HUK-Coburg nicht leisten will, das muss eben der VN ausbaden!

  2. SV-Mann sagt:

    Ein sehr bemerkenswertes Urteil, insbesondere auf die schadenrechtlichen Ausführungen. Wenn alle Richter dies so gut erkennen würden, gäbe es nicht mehr die Ansicht, dass bei klagendem SV werkvertragliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Lt. einigen Vorsitzenden macht es nämlich einen Unterschied, ob der SV, als Fachmann in Sachen SV-Rechnungen, klagt oder der Geschädigte als Laie, der einmal in seinem Leben damit konfrontiert wird. Mir wird schlecht.

    Mfg SV-Mann

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