Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochende geben wir Euch hier und heute ein Urteil des AG Coburg gegen die am Gerichtsort ansässige HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. bekannt. Um es vorweg zu sagen: Das Ergebnis ist richtig. Die Begründung allerdings nicht. Der von dem Gericht im Rahmen der Schadenshöhenschätzung gemäß § 287 ZPO herangezogene Maßstab der BVSK-Honorarbefragung ist ein Maßstab für die Angemessenheit der berechneten Sachverständigenkosten. Die Angemessenheit hat grundsätzlich allerdings nur Bedeutung im Verhältnis des Kunden zum Sachverständigen, nicht jedoch im Verhältnis Geschädigter zum Schädiger. In dem letzteren Verhältnis, das auf einer unerlaubten Handlung des Schädigers fußt, ist einzig und allein die in § 249 BGB angegebene Erforderlichkeit maßgeblich. Angemessenheit und Erforderlichkeit sind aber nicht identisch. So können durchaus auch unangemessene Beträge erforderlich im Sinne des § 249 BGB sein. Schon von daher ist die Bezugnahme auf BVSK kritisch zu betrachten. Hinzu kommt, dass der BGH in der Entscheidung vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – Randnote 10 ( = BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90) festgestellt hat, dass der Geschädigte die Honorarbefragung des Sachverständigenverbandes BVSK nicht kennen muss. Was der Geschädigte ex-ante aber nicht kennen muss, kann später nicht ex-post als Maßstab für eine Schadenshöhenschätzung verwendet werden. Denn es kommt auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung bzw. im Zeitpunkt des Erhaltes der Rechnung an. Das ergibt sich aus der vom BGH gut geheißenen subjektbozogenen Schadensbetrachtung. Im Ergebnis ist daher erfreulich, dass die Justiz auch in Coburg funktioniert und die größte Arbeitgeberin am Ort verurteilt. Allerdings hätte es eine Zahlungsverurteilung werden müssen. Denn der Freistellungsanspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Schuldner ernsthaft und endgültig die Zahlung verweigert. Dann kann der Gläubiger auch Zahlung an sich selbst verlangen. Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht Coburg
15 C 1350/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G. in Coburg, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 98450 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Coburg durch Richter am Amtsgericht… am 22.06.2015 auf Grund des Sachstands vom 25.05.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Klägerin wird von der Verpflichtung zur Begleichung der restlichen Honorarforderung des KFZ-Sachverständigen … in Höhe von 79,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 21.08.2014 diesem gegenüber uneingeschränkt freigestellt.
2 Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4 Der Streitwert wird auf 79,66 € festgesetzt, § 48 I GKG.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist umfassend begründet.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten Anspruch auf Freistellung von weiteren Sachverständigenküsten nach dem Verkehrsunfall vom 07.03.2014 gemäß §§ 249 ff., 631 ff. BGB, 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG zu.
Die Beklagte ist dem Grunde nach umfassend eintrittspflichtig für den Unfallschaden. Dazu gehören auch die Kosten der Feststellung der Schadenshöhe infolge Beauftragung eines Sachverständigenbüros. Die Klägerin hat dabei auch nicht gegen ihre Schadensmindeamgspflicht verstoßen.
Das Amtsgericht orientiert sich an der neuesten und damit aktuellen Entscheidung derBerufungskammer des Landgerichts Coburg (zuletzt in den Verfahren 32 S 67/14 bzw. 32 S 89/14 vom 27.03.2015). Die Berufungskammer hat ausgeführt, dass diese eine evidente und damit für den Unfailgeschädigten und Auftraggeber des Schadensgutachtens erkennbare Überschreitung der Sachverständigenkosten dann annimmt, wenn der vom Sachverständigen abgerechnete Betrag oberhalb des höchsten Wertes des BVSK-Honorargruppenkorridors HB II und HB IV liegt, wobei der höchste Wert regelmäßig in HB II abgebildet ist. Der Sachverständige… hat den Schaden am klägerischen Pkw mit brutto 1.554,59 € beziffert und den Wiederbeschaffungswert mit 150 €. Somit ist der Gesamtschaden mit brutto 1.704,59 € anzusetzen. Legt man die BVSK-Honorarbefragung 2013 zugrunde, findet sich dort für diese „Meßzahl“ in HB III ein Betrag von 324,00 € netto, in der eingeklagten Rechnung des Ingenieurbüros … ist hingegen ein niedrigerer Betrag von 320,00 € in Ansatz gebracht.
Gleiches gilt für Nebenkosten. Auch diese bewegen sich innerhalb des Rahmens der von der Berufungskammer aufgestellten Grundsätze und sind damit nicht zu beanstanden.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 709 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Hallo, Willi Wacker,
nicht unbedingt ein Urteil des AG Coburg, das schadenersatzrechtlich mit Gold verziert ist, wenn es da u.a. heißt:
„Das Amtsgericht orientiert sich an der neuesten und damit aktuellen Entscheidung derBerufungskammer des Landgerichts Coburg (zuletzt in den Verfahren 32 S 67/14 bzw. 32 S 89/14 vom 27.03.2015). Die Berufungskammer hat ausgeführt, dass diese eine evidente und damit für den Unfallgeschädigten und Auftraggeber des Schadensgutachtens erkennbare Überschreitung der Sachverständigenkosten dann annimmt, wenn der vom Sachverständigen abgerechnete Betrag oberhalb des höchsten Wertes des BVSK-Honorargruppenkorridors HB II und HB IV liegt, wobei der höchste Wert regelmäßig in HB II abgebildet ist.“
Angesichts von zu berücksichtigenden Honorarbandbreiten ist ein solcher Beurteilungsansatz schadenersatzrechtlich bereits verfehlt.
Es geht deshalb auch nicht um eine Annahme der Berufungskammer, was die Grenze der Schadenersatzverpflichtung rechtswidrig gekürzter Gutachterkosten angeht und dazu fehlt auch ansatzweise eine Begründung vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Erhebung eines Berufsverbandes nicht um eine Gebührenordnung handelt und der Sachverständige möglicherweise noch nicht einmal Mitglied dieses als versicherungsnah bekannten Berufsverbandes ist und ein Geschädigter deshalb diese, wie übrigens auch die Erhebungen anderer Berufsverbände, nicht kennen muss.
Er würde selbst dann noch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, wenn er einen Sachverständigen beauftragt hätte , der teurer ist als andere Sachverständige. Ebenso wenig ist er ohne nähere Anhaltspunkte verpflichtet, die Rechnung des Sachverständigen kritisch zu prüfen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 16. Juli 2014 – 13 S 54/14 -, Rn. 9, juris, AG Hohenstein-Ernstthal, Urteil vom 28. September 2012, Aktenzeichen 1 C 570/12).
Die Begründung des AG aus Coburg ist also schwammig und kann selbst unter Bezugnahme auf die aktuelle Entscheidung der Berufungskammer des Landgerichts Coburg (zuletzt in den Verfahren 32 S 67/14 bzw. 32 S 89/14 vom 27.03.2015) nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich auch hier wieder um ein sogenanntes „Pril-Urteil“ handelt mit der wahrscheinlichen Absicht durch viel Schaum Glanz und Frische für die Coburger Gerichtsbarkarkeit zu kommunizieren.
Auch dieses Urteil des AG Coburg wird deshalb die schadenersatzrechtliche Bedeutung der angesprochenen Honorarerhebung nicht glaubhafter machen können und es wäre angezeigt, sich einmal ein paar Gedanken mehr darüber zu mache, warum solche „Grenzziehungen“ nicht als „im Verkehr anerkannte Bewertungsmasstäbe“ existieren können. Dass das damit Gemeinte weder objektiv noch mit dem Gesetz zu vereinbaren ist, hat der BGH bisher durchgängig unmißverständlich deutlich gemacht. Die vom AG Coburg favorisierte Rechtsauffassung haben weder mit dem realen Schaden noch mit dem Gesetz etwas zu tun. Die Art, wie die Berufungskammer des LG Coburg die Schwierigkeiten von Unfallopfern verharmlost und die bekannten Verhaltensweisen div. Versicherungsgesellschaften damit verharmlost und ignoriert, ist nicht geignet, diesem Eindruck entgegenzuwirken.
Knurrhahn
BVSK hin oder her, wenn alle Geschädigten (oder Sachverständige aus abgetretenem Recht), bei denen sich die SV-Honorarrechnung innerhalb dieser Honorarkorridore bewegen, am Sitz der HUK in Coburg klagen würden, dann dürfte es doch innerhalb z.B. eines Jahres grob geschätzte fünf bis zwanzigtausend (oder noch viel mehr) Urteile gegen die HUK in Coburg geben…
HÄ????????????
Wie willste denn diesen Scheisstenor vollstrecken?
Selten so einen Schwachmaten gelesen.
Der Freistellungsanspruch ist übrigens gem.§250 S2 BGB ERLOSCHEN,dennoch wird einer zugesprochen.
Da is ja ALLESFALSCH!
Diese Richterstelle ist wohl von der HUK finanziert.
Hei Hein Blöd,
W.W. hatte bereits im Vorwort darauf hingewiesen, dass richtigerweise auf einen Zahlunganspruch (der auch vollstreckt werden kann) hätte entschieden werden müssen.
In Bayern und besonders in Coburg werden manchmal kuriose Rechtsansichten vertreten.