AG Rosenheim verurteilt mit guter Begründung die HUK-COBURG allgemeine Versicherung AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 5.8.2015 – 7 C 982/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

hier stellen wir Euch noch ein Urteil aus Rosenheim zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG vor. In diesem Fall war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, die ohne Rechtsgrund – und damit rechtswidrig – einfach die berechneten Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall kürzte. Dass damit die Rechtsprechung des BGH, z.B. aus dem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – und 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – missachtet wird, interessiert offenbar die Verantwortlichen der HUK-COBURG wenig. In diesem Fall wurden sogar über 200,– € gekürzt. Offenbar geht es der HUK-COBURG sehr schlecht, wenn sie zu derart drastischen Kürzungen greifen muss, auf jeden Fall gab es für die Kürzung keine Rechtfertigung. Im Übrigen muss sich die HUK-COBURG auch fragen lassen, wo denn für ihre immer wieder erhobene Behauptung, die berechneten Sachverständigenkosten seien überhöht, der Beweis erbracht wird? Bekanntlich liegt die Darlegungs- und Beweislast für eine Überteuerung der Kosten beim Schädiger. Die berechneten Kosten – egal, ob beglichen oder noch nicht – bilden vielmehr ein Indiz für die Erforderlichkeit. Diese Entscheidung wird mit Sicherheit die HUK-COBURG in ihren Schriftsätzen nicht anführen, denn die Entscheidung des AG Rosenheim vom 5.8.2015 ist im Wesentlichen gut begründet, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Rosenheim

Az.: 7 C 982/15

IM NAMEN DES VOLKES

ln dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Martein-Greif-Stra-ße 1, 80336 München

– Beklagte –

wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Rosenheim durch den Richter am Amtsgericht S. auf Grund des Sachstands vom 05.08.2015 gem. § 495 a ZPO folgendes

Endurteil

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an den Sachverständigen … zu dessen Gutachten mit der Rechnungsnummer … vom 17.07.2014 weitere 217,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 11.08.2014 zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 217,73 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Beklagte war antragsgemäß zur Zahlung restlicher Gutachtenkosten zu verurteilen.

A.

Unstreitig besteht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen eines Verkehrsunfalles am xx.04.2014 in der Samerstraße/Münchner Straße in Rosenheim gem. §§ 7, 18 StVG, 115 VVG.

Streitig ist zwischen den Parteien die Übernahme restlicher Sachverständigenkosten. Bei dem Kfz-Sachverständigenbüro … sind unstreitig Kosten angefallen in Höhe von 1.204,99 € brutto für die Begutachtung des Pkw des Klägers, amtliches Kennzeichen … . Hierauf wurden von der Beklagten lediglich 987,26 € reguliert, sodass noch ein Betrag in Höhe von 217,73 € offen ist. Diese weiteren offenen Sachverständigenkosten sind von der Beklagten zu tragen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist trotz der erfolgten Abtretung erfüllungshalber der Kläger insoweit auch akivlegitimiert, da ein Fall der gewillkürten Prozessstandschaft vorliegt.

Die Rechnung ist insgesamt ersatzfähig. Es kann hierbei offen bleiben, ob das Sachverständigenhonorar überhöht ist oder nicht, da in diesem Falle eine Überhöhung des Sachverständigenhonorars von der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Schädigers zu bezahlen ist. Auch wenn das vereinbarte oder vom Sachverständigen eindeutig festgesetzte Entgelt objektiv überhöht ist, ist es bei der vorzunehmenden subjektiven Schadenbetrachtung regelmäßig als erforderlicher Aufwand anzuerkennen (Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2007, 217). Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können dem Geschädigten gegenüber nur erhoben werden, wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung derart evident ist, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss. Der Geschädigte ist insbesondere nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen. Hält der Ersatzpflichtige die Vergütung für überhöht, kann er vom Geschädigten analog § 255 BGB Abtretung seiner Ansprüche gegen den Sachverständigen verlangen. Es ist grundsätzlich allein Sache des Haftpflichtversicherers, sich mit dem Sachverständigen wegen dessen Rechnungsforderung auseinanderzusetzen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008, 1 U 246/07). Nur bei einer ihm persönlich ohne weiteres erkennbaren Überteuerung muss sich der Geschädigte eine Kürzung gefallen lassen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2008).

Dieser Grundsatz gilt vorliegend auch. Insbesondere ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des OLG München vom 12.03.2015, Aktenzeichen 10 U 579/15 vorliegend nichts anderes. Der Vernehmung des Zeugen …. als Zeugen bedurfte es nicht. Unstreitig wurde der Anspruch auf Gutachtenerstattung erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten. Desweiteren reicht allein der Einwand, dass der Geschädigte den Sachverständigen nicht selbst gesucht, sondern durch eine Werkstatt und/oder einen Rechtsanwalt hat auswählen lassen nicht. Vielmehr bedarf es eines Verweises auf mehrere vergleichbare Fälle, in denen wegen der Kombination aus einer bestimmten Werkstätte, eines bestimmten Anwalts, eines bestimmten Sachverständigen, bestimmter gleicher Geschehensabläufe eine auffällige Indizienkette besteht, die darauf hinweist, dass in diesen Fällen der Sachverständige regelmäßig nicht vom Geschädigten ausgewählt wurde.

Es bleibt daher bei der subjektiven Betrachtungsweise.

Unter Annahme dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall der Anspruch in der ausgesprochenen Höhe gegeben. Ein Auswahlverschulden des Geschädigten ist nicht im Geringsten ersichtlich.

Es treffen den Geschädigten insbesondere keine umfassenden Erkundigungspflichten vor der Beauftragung eines Sachverständigen, auch sind die üblichen Kosten nicht allgemein erforschbar.

Die in Rechnung gestellten Beträge stellen keine derart evidente Überhöhung dar, als dass eine Beanstandung von dem Geschädigten verlangt werden muss. Insbesondere ist ein Vergleich mit von einzelnen Versicherungen erstellten Tableaus, nach welchen der Versicherer regulieren will, durch den Geschädigten nicht vorzunehmen.

Es ist zu sehen, dass diese Gesamtkosten und auch die Einzelpositionen sich im Rahmen des BVSK-Tableaus befinden.

Es ist auch eine evidente Überhöhung in den Einzelpositionen nicht zu erkennen. Bezüglich der Fahrtkosten von 1,20 € je Kilometer, insgesamt 24 km ist eine Überhöhung nicht zu erkennen.

Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite ist der Geschädigte nicht gezwungen, den nächsten Sachverständigen heranzuziehen, die Grenze liegt im Rahmen des § 254 BGB. Es ist auch zu sehen, dass sich die Abweichung von der direkten Distanz von 17 km mit 24 km unwesentlich darüber befindet und auch bereits durch einen Stau oder eine Baustelle veranlasst worden sein kann.

Die Kosten für Telekommunikation, Porto etc. sind mit 15 € ebenfalls nicht evident überhöht. Auch nicht die Schreibkosten mit 3,65 € pro Seite. Ein Geschädigter stößt der Höhe nach auch auf ähnliche Pauschalen für entsprechende Leistungen, wenn er etwa anwaltliche Tätigkeit für etwas über 100 € in Anspruch nimmt, werden dort zugleich Pauschalen von 20 € für ähnliche Nebenkosten hinsichtlich Porto, Telefon und Schreibarbeit fällig.

Bezüglich der Ermittlungs- und EDV-Kosten ist zwar zu konstatieren, dass diese nach BVSK-Tableau nicht vorgesehen sind. Diese Summe ist jedoch gegenüber den gesamten Gutachterkosten, welche maßgeblich im Vergleich sind, da die Gesamtheit der Leistung geschuldet ist, nicht evident überhöht für einen Laien mit 29 €.

Es ist auch keine Überhöhung hinsichtlich der Fotokosten von 3 € netto zu erkennen. Der Betrag ist nicht derart überhöht, dass dies für jedermann sogleich auffallen muss, zumal nicht lediglich die Kosten der Fotografie zu beachten sind, sondern Gesamtpreis auch der Zeitaufwand.

Zusammengefasst ergibt sich, dass keine Einzelposition für sich derart überhöht ist, dass eine Ersatzfähigkeit für einen Laien erkennbar nicht gegeben ist und auch die beanstandeten Beträge im Gesamten führen nicht dazu. Der Geschädigte muss keine Marktforschung betreiben um derart geringfügige Unterschiede in Einzelpositionen gegenüber anderen Gutachtern zu erkennen.

B.

Verzugszinsen waren erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen, da vorher kein Verzug bestand .

C.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits fußt auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf den §§ 708, 713 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

S.
Richter am Amtsgericht

Verkündet am 05.08.2015

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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