Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Bochum geht es weiter nach Wuppertal. Nachfolgend geben wir Euch hier ein umfangreiches Urteil des Amtsgerichts Wuppertal zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht (Factoring) gegen die HUK-COBURG bekannt. In dem dem Urteil zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. die berechneten Kosten des vom Geschädigten ausgewählten Sachverständigen einfach gekürzt. Der an Erfüllungs Statt abgetretene Restbetrag wurde rechtshängig gemacht. Die Klage hatte vollen Erfolg. Allerdings überzeugen die Ausführungen zur BVSK-Honorarbefragung als Schätzgrundlage nicht. Der Geschädigte muss das Ergebnis der BVSK-Honorarumfrage nicht kennen (BGH DS 2014, 90 Rn. 10). Was der Geschädigte aus der entscheidenden Ex-ante-Sicht nicht kennen kann und muss, kann später bei der Ex-post-Betrachtung im Rahmen der Schadenshöhenschätzung nicht als Maßstab zugrunde gelegt werden. Positiv ist die Entscheidung in Bezug auf die Ausführungen hinsichtlich des von der HUK-COBURG vorgebrachten Bezahlt-Kriteriums. Ob bezahlt oder nicht, darauf kommt es nicht an. Eine prima Entscheidung liegt daher – bis auf die Interpretation zum BVSK – vor, wie wir meinen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
34 C 27/15
Amtsgericht Wuppertal
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
Deutsche Verrechnungsstelle AG, vertreten durch den Vorstand, Schanzenstraße 30, 51063 Köln,
Klägerin,
gegen
die HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter, vertreten durch den Vorstand, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Wuppertal, Abteilung 34,
im Verfahren nach § 495a ZPO auf der Grundlage der bis zum 03.06.2015
eingereichten Schriftsätze am 25.08.2015
durch den Richter am Amtsgericht T.
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 168,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.03.2015 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung der geltend gemachten Hauptforderung von € 168,95 aus dem Gesichtspunkt eines abgetretenen Schadenersatzanspruchs hinsichtlich restlicher vorgerichtlicher Sachverständigenkosten verlangen, §§ 7 Abs. 1, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 398 BGB.
I.
Die Klage der Klägerin ist dem Grunde nach begründet.
1.
Es ist beklagtenseits eingeräumt und damit unstreitig geblieben, dass aus dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen dem dort Geschädigten als Eigentümer des PKW dem Grunde nach auf der Basis einer Haftungsquote von 100% ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden PKW zusteht, § 7 Abs. 1, § 115 VVG.
2.
Diese Forderung wurde wirksam an die Klägerin abgetreten.
Die streitgegenständliche Forderung ist zunächst durch die Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigenbüro … GmbH vom 14.01.2015 wirksam auf letztere übergegangen. Die Annahme der Abtretung durch den Sachverständigen ergibt sich dabei aus dem Umstand, dass der Sachverständige die betreffende Forderung selbst wiederum abgetreten hat. Eines Zugangs dieser Erklärung an die Gegenseite bedarf es nach § 151 BGB nicht. Durch die weitere Vereinbarung vom 14.01.2015 ist sie dann an die Klägerin abgetreten worden, wobei aus den vorgenannten Gründen auch hier keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung an die Klägerin bestehen. Beide Abtretungen sind insbesondere hinreichend bestimmt. Eine Zustimmung des Geschädigten zur weiteren Abtretung war nicht erforderlich. Diese Abtretung ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines denkbaren Verstoßes gegen die Vorschriften des RDG unwirksam. Ein Verletzung des § 5 Abs. 1 RDG liegt deswegen nicht vor, weil es lediglich um die Höhe der zu ersetzenden Kosten geht und die grundsätzliche Haftung der Beklagten außer Streit steht. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Klägerin bei der Beitreibung nicht das volle wirtschaftliche Risiko trägt (AG Wuppertal, 32 C 221/13, LG Wuppertal 16 S 49/14).
3.
Sonstige erhebliche Einwendungen dem Grunde nach sind für das Gericht nicht erkennbar.
II.
Die Klagehauptforderung ist auch der Höhe nach begründet. Der Klägerin steht vor dem Hintergrund der vorgerichtlichen Teilzahlung der Beklagten auch die verbliebene Honorarforderung als Schadenersatz entsprechend der Rechnung vom 19.01.2015 in Höhe der Klageforderung zu. Gegenüber dem insoweit schlüssigen Vorbringen der Klägerseite zur Forderungshöhe werden beklagtenseits ohne Erfolg Einwendungen erhoben.
1.
Grundsätzlich gilt (unter Verweis auf AG Wuppertal, 31 C 201/14, dessen
Erwägungen sich das erkennende Gericht ausdrücklich zu eigen macht):
Zu den ersatzfähigen Schäden im Sinne der §§ 249 ff. BGB gehören grundsätzlich auch die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schätzung der Schadenshöhe an dem durch den Unfall beschädigten PKW (st. Rspr des BGH, vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13). Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 471/12 mwN). Er ist nach dem – dem Zweck des Schadensrechts und dem Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB entsprechenden – Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06). Wird – wie hier zu entscheiden – bei der Beauftragung des Sachverständigen keine Vereinbarung zur Höhe des Honorars getroffen, ist die übliche Vergütung nach § 632 BGB zu erstatten.
2.
In der hier zu entscheidenden Fallgestaltung ist die Klägerin der Pflicht zur Darlegung der Schadenshöhe durch Vorlage der Rechnung des Sachverständigen ausreichend nachgekommen. Das erkennende Gericht macht sich insoweit ausdrücklich die zutreffenden grundsätzlichen Erwägungen der Entscheidung des Amtsgerichts Wuppertal 31 C 201/14 zu eigen. Danach bildet die ausgestellte Rechnung ein Indiz für die Bestimmung des erforderlichen Betrages bei einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO. Soweit die Rechnung des Sachverständigen gerade von dem Geschädigten nicht ausgeglichen wurde, begründet die Rechnung für sich allein gesehen aber noch nicht die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Betrages, da sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten noch nicht niedergeschlagen haben (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13). Die Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages ist daher an objektiven Anknüpfungskriterien zu messen. Ungeachtet der geäußerten Bedenken gegen die Verwertbarkeit der BVSK-Honorarbefragung sieht das Gericht diese als geeignete Schätzgrundlage an (vgl. LG Arnsberg, Urteil vom 21. Januar 2015 – 3 S 210/14 -, Rn. 36, juris). Die in der Honorartabelle enthaltenen Werte beruhen auf einer relativ breiten Erfassungsgrundlage, was in erheblichem Umfang dafür spricht, diese Werte als übliche Vergütung sachverständiger Tätigkeit im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB anzusehen. Jedenfalls entspricht eine Schätzung auf dieser Grundlage nach § 287 ZPO pflichtgemäßem Ermessen. Im Übrigen hat der BGH nicht entschieden, dass die Ergebnisse der BVSK-Befragung keinesfalls als Schätzgrundlage herangezogen werden können, sondern lediglich festgestellt, dass eine Kürzung des Sachverständigenhonorars in Bezug auf die Nebenkosten nicht allein auf der Basis der BVSK-Werte erfolgen dürfe (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, Rn. 2, juris) bzw. es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn das erkennende Gericht in Bezug auf die Nebenkosten die BVSK-Befragung nicht für geeignet halte (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, Rn. 20, juris). Selbst wenn man vorliegend dazu käme, die Vergütung des Sachverständigen auch nur teilweise, z. B. in Bezug auf die Nebenkosten, als objektiv überhöht und nicht erforderlich im Sinne des § 249 BGB anzusehen, wäre der Anspruch aber auch dann nur unbegründet, wenn dies für den Geschädigten auch erkennbar gewesen wäre. Denn trotz der Abtretung der Forderung kommt es auf die Sicht des ursprünglichen Forderungsinhabers, also den Geschädigten, an. Nur wenn dieser bei der Erteilung des Auftrags erkennen konnte, dass das vereinbarte Honorar, die übliche Vergütung deutlich übersteigen wird, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, Rn. 7, juris). Dieser Grundsatz gilt selbstverständlich auch bei der Frage, ob der Geschädigte das abgerechnete Honorar zahlt oder es wegen einer Überhöhung zurückweist.
Soweit die Beklagtenseite die Ansicht vertritt, die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes spreche ausschließlich einer bereits geschädigtenseits bezahlten Rechnung eine entsprechende Indizwirkung zu, wird diese (das erkennende Gericht im übrigen nicht bindende) Interpretation ausdrücklich nicht geteilt, weil sich entsprechende Ansatzpunkte in der aktuellen Rechtsprechung gerade nicht finden lassen ( vgl. LG Wuppertal 16 S 49/14 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13).
Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob sich sämtliche abgerechneten Positionen tatsächlich innerhalb der Werte der BVSK-Befragung halten, wenn – wie hier – keine greifbaren Anhaltspunkte bestehen, dass für den Geschädigten erkennbar war, ob bzw. dass die Forderung des Sachverständigen tatsächlich objektiv überhöht war, also auch kein Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadenminderungspflicht besteht. Die Erstattungsfähigkeit ist im Ergebnis nur dann – und damit anders als hier – zu verneinen, wenn selbst für einen Laien erkennbar ist, dass der Sachverständige sein gesamtes Honorar geradezu willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, wobei selbst ein Gesamt-Sachverständigenhonorar im oberen Bereich des Erwartbaren noch als angemessen anzusehen ist (vgl. LG Wuppertal 16 S 49/14 unter Verweis auf OLG München 10 U 579/15).
Sonstige erhebliche Einwendungen zur Höhe sind für das Gericht nicht erkennbar.
Es ergibt sich somit folgende Abrechnung:
Der berechtigte Rechnungsbetrag von € 460,95 abzüglich Teilzahlung von € 292,00 ergibt eine offene Restforderung von € 168,95.
III.
Die Zinsentscheidung beruht auf Verzug, §§ 286ff BGB, die Kostenentscheidung auf § 91 Abs. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Nachdem das Gericht auf die Verfahrensart nach § 495a ZPO hingewiesen hat und die gerichtlich gesetzte Frist zur abschließenden Stellungnahme bis 03.06.2015 abgelaufen ist, war der Klage durch Urteil stattzugeben.
Die Berufung war angesichts der bereits zitierten Entscheidung des Landgerichts Wuppertal 16 S 49/14 nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch eine Zulassung der Berufung nicht zur Fortbildung des Rechtes oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 511 Abs. 4 ZPO).
Streitwert: 168,95
Hallo, Willi Wacker,
m.E. ist es interessant, wie in den Entscheidungsgründen das aktuell eingestellte Urteil des AG Bochum schadenersatzrechtlich abdriftet von den Überlegungen des Richters T. am AG Wuppertal im Urteil vom 25.08.2015.
H.U.