Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
wir kehren ins Rheinland zurück und stellen Euch heute zwei Urteile aus dem Rheinland vor. Als weitere Wochenendlektüre veröffentlichen wir zunächst ein Urteil des Amtsgerichts Köln. Wieder hatte die HUK-COBURG die berechneten Sachverständigenkosten rechtswidrig gekürzt. Das konnte und wollte der Geschädigte nicht hinnehmen und klagte gegen die HUK-COBURG. Damit der bei der HUK-COBURG versicherte Kfz-Halter über die rechtswidrigen Kürzungen seiner Versicherung mit dem blanken Schild informiert wird, wäre es vielleicht besser gewesen, dirkt den Schädiger wegen des Restbetrages zu verklagen. Aber auch so erging ein Urteil gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG. Am Anfang hat die zuständige – noch nicht endgültig beamtete – Richterin der 266. Zivilabteilung des AG Köln noch alles richtig gemacht. Dann zum Schluss verfiel sie auf eine werkvertragliche Überprüfung der üblichen Vergütung, obwohl werkvertragliche Gesichtspunkte bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB keine Rolle spielen. Nach BVSK kann allerdings nur die Angemessenheit, nicht die Erforderlichkeit geprüft werden. Entscheidend ist die Ex-ante-Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung. Im Übrigen sind die berechneten Gutachterkosten ein Indiz für deren Erforderlichkeit. Dass eine eventuelle eklatante Überhöhung der Sachverständigenkosten vorliegt, die der Geschädigte hätte erkennen können, hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – = BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Einen derartigen Vortrag hat die HUK-COBURG nicht gebracht. Lest daher das Urteil des AG Köln und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und noch einen schönen Samstag
Willi Wacker
266 C 32/15
Amtsgericht Köln
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
die HUK Coburg Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, Gereonsdriesch 13, 50421 Köln,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Köln
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
28.05.2015
durch die Richterin B.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 266,66 EUR (in Worten: zweihundertsechsundsechzig Euro und Sechsundsechzig Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.12.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes i.H.v. 266,66 EUR gemäß §§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG.
Die Ersatzpflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten lediglich darüber, ob die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten erforderlich war.
Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (zuletzt BGH vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13). Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB beruhenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu beschreiten. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Falle so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Denn in letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzicht üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von Abs. 2 S. 1 des § 249 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass nämlich dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtun’g anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Funktion des Geschädigten insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis-und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, schlagen sich in ihm doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich der vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder.
Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von §§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden offenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die dieser Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen.
Nach diesen höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen ist der von den Klägern geltend gemachte Rechnungsbetrag indiziell als erforderlich anzusehen.
Soweit die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.02.2014 (VI ZR 225/13) darauf abstellt, dass der jeweilige Geschädigte nicht ohne Weiteres eine Kürzung auf die jeweiligen Sätze einer Schätzgrundlage hinzunehmen hat, sondern eine Kürzung nur dann in Betracht kommt, wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige nicht branchenübliche Honorarsätze verlangt -mithin auf die bereits zuvor in der Rechtsprechung erörterten Erwägungen zu einem krassen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung und dessen eindeutige Erkennbarkeit Bezug nimmt – schließt sich das Gericht diesen Erwägungen vollumfänglich an. Daher kann die Beklagte auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass die VIN- Abfrage sowie die Restwerteinholung und die Marktwertanalyse Leistungen des Sachverständigen darstellen, die zur Grundpauschale gehören. Für den Kläger war nicht deutlich erkennbar, dass diese Leistungen zur Grundpauschale gehören. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Da die Beklagte nach zutreffender Auffassung (BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 – VI ZR 205/08 -, juris; OLG Dresden, a. a. O.) in den Schutzbereich des zwischen dem Kläger und dem Privatgutachter geschlossenen Vertrag einbezogen ist, mithin gegebenenfalls eigene Schadensersatzansprüche gegen diesen besitzt, ist sie insoweit auch nicht schutzlos gestellt.
Im Übrigen entspricht die Abrechnung der üblichen Vergütung.
Die übliche Vergütung ist aber, anders als die gemäß § 249 BGB erforderliche, durchaus anhand der BVSK-Tabelle zu schätzen. Diese bietet insoweit eine hinreichende Schätzgrundlage im Sinne von § 287 ZPO. Dass die Beklagte das Honorartableau 2012 der HUK Coburg als Schätzgrundlage zugrundelegen möchte, ist unerheblich. Das Gericht erachtet die BVSK-Tabelle als belastbare Schätzgrundlage.
Wie sich aus der BVSK Befragung 2013 ergibt, haben immerhin 840 Sachverständigen an der Befragung teilgenommen. Daher ist die Tabelle geeignet, zu schätzen, wie hoch die üblichen Sachverständigenkosten sind. Aus der Befragung ergibt sich, dass praktisch sämtliche Sachverständige ihr Grundhonorar anhand der Schadenshöhe berechnen. Dies ist vom BGH auch nicht beanstandet worden (BGH, Urteil vom 23.1.2007, VI ZR 67/06, Rdn. 17 m.w.N, zitiert nach juris).
Die Schadenshöhe wird bei der Befragung definiert als Reparaturkosten netto zuzüglich einer eventuellen Wertminderung und im Totalschadensfalle als Wiederbeschaffungswert brutto. Zur Schätzung der üblichen Kosten ist auf den HB V-Korridor zurückzugreifen. Denn dies stellt den Korridor dar, innerhalb dessen 50-60% aller Befragten , d.h. die Mehrheit der Sachverständigen, abrechnen (so im Ergebnis auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 29.2.2012, 8 S 2791/11, zitiert nach juris).
Die von den Klägern in Ansatz gebrachten Kosten bewegen sich stets im Korridor HB V der BVSK-Befragung, so dass die Einwendungen der Beklagten insoweit ins Leere laufen.
Das erkennende Gericht beanstandet im Grundsatz die Abrechnung von Nebenkosten zusätzlich zu einem Grundhonorar nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die von den Klägern abgerechneten Nebenkosten nicht bereits im Grundhonorar enthalten. Hiergegen spricht zum einen, dass die BVSK-Befragung eben diese Nebenkosten separat ausweist, so dass davon auszugehen ist, dass 95 % der Sachverständigen die entsprechenden Nebenkosten als separat zu begleichende Rechnungspositionen abrechnen. Wären diese Positionen bereits vom Grundhonorar erfasst, läge es auf der Hand, dass die durchschnittlichen Grundhonorare entsprechend erhöht würden. Soweit die Beklagte einwendet, dass die insoweit abgerechneten Nebenkosten zum Teil nicht berücksichtigungsfähig bzw. zum Teil überhöht seien, so steht diesem Einwand bereits der Umstand entgegen, dass diese Posten in der BVSK-Honorarbefragung als abrechenbare Nebenkosten, und damit als übliche Sachverständigenleistungen, erbracht werden. Die in Ansatz gebrachten Kosten bewegen sich allesamt im Korridor HB V, so dass sie auch der Höhe nach gerechtfertigt sind. Soweit die Beklagte pauschal bestreitet, dass die in Rechnung gestellten Leistungen überhaupt erbracht worden bzw. die erbrachten Leistungen erforderlich gewesen sein sollen, dringt sie hiermit nicht durch. Es handelt sich nämlich um ein unzulässiges Bestreiten ins Blaue hinein. Anknüpfungspunkte dafür, dass die von dem Sachverständigen in Rechnung gestellten Positionen tatsächlich nicht angefallen bzw. nicht erforderlich gewesen sind, werden von der Beklagten nicht vorgebracht.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf 266,66 EUR festgesetzt.