Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Sonnabend veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil aus Hamburg-St. Georg zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die VHV Versicherung. Offenbar geht jetzt auch die VHV Versicherung dazu über, massiv die berechneten Sachverständigenkosten zu kürzen. Wie die HUK-COBURG, so fällt auch die VHV mit diesem Vorgehen regelmäßig auf die Nase. Obwohl vorgerichtlich bereits ein größerer Teil der Sachverständigenkosten gezahlt wurde, wurde nun im Schadensersatzprozess aus abgetretenem Recht die Aktivlegitimation des klagenden Sachverständigen gerügt. Das ist widersprüchliches Verhalten und verstößt gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Insoweit hätte das erkennende Gericht deutlicher auf das widersprüchliche Verhalten der VHV Versicherung hinweisen müssen. Gänzlich falsch ist die Bezugnahme auf den dolo-agit-Einwand. Zwar hatte das OLG Dresden diesen Einwand für erheblich erachtet. Seine Rechtsprechung wurde jedoch durch das wenige Tage später veröffentlichte Urteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – überholt. Im Übrigen wäre der dolo-agit-Einwand auch nur gegen den Werklohnanspruch möglich. Der Sachverständige macht aber einen Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht geltend. Richtig wäre vielmehr der Verweis auf den Vorteilsausgleich gem. § 255 analog BGGB gewesen (vgl. dazu die zutreffenden Ausführungen von Imhof/Wortmann in DS 2011, 149; vgl. auch Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 6 Rn. 226 ff.). Dass die Versicherer den Hinweis auf den dogmatisch richtigeren Weg des Vorteilsausgleichs nicht gerne hören, ist mir bekannt. Aber richtiger wäre der Weg des vollständigen Schadensausgleichs unter Rückgriffsmöglichkeit gegen den Sachverständigen in einem gesonderten Verfahren. Lest aber selbst das Urteil des AG Hamburg-St. Georg vom 28.10.2015 – 912 C 107/15 – und gebt dann bitte Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus 22041 Hamburg.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-St. Georg
Az.:912C 107/15
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Thomas Voigt, Dr. Per-Johan Horgby, Jürgen A. Junker, Dierich Werner, VHV-Platz 1, 30177 Hannover
– Beklagte –
erkennt das Amtsgericht Hamburg-St. Georg – Abteilung 912 – durch den Richter am Amtsgericht Dr. L. am 28.10.2015 auf Grund des Sachstands vom 28.10.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 145,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.02.2015 sowie weitere 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 24.04.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat den streitgegenständlichen Anspruch schlüssig begründet. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagtenseite greifen nicht durch.
I)
1) Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Abtretungserklärung ist wirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen § 305c BGB oder § 307 BGB. Die Erklärung ist in Fettdruck mit „Abtretung“ überschrieben, so dass von einer überraschenden Klausel nicht die Rede sein kann. Sie benachteiligt den Vertragspartner auch nicht unangemessen. Im Gegenteil ist sie für ihn günstig, da er sich (zunächst) nicht um die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zu kümmern braucht.
2) Der abgetretene Anspruch besteht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.
a) Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (vgl. BGH NJW 2014, 1947).
Dem Kläger steht als Zessionar freilich nicht in jedem Fall das zu, was dem Geschädigten zugestanden hätte. Der Kläger hat als ständig mit Regulierungsfragen befasster Fachmann andere Erkenntnisse als ein geschädigter Durchschnittsbürger. Das bedeutet, dass der Kläger nur angemessene und übliche Honorar verlangen kann, die aus seiner Sicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 1 S. 1 BGB waren (AG Hamburg, Urteil vom 27.05.2014 – 9 C 70/14). Fordert der Sachverständige ein überhöhtes Honorar, kann der Schädiger bzw. die hinter diesem stehende Versicherung dem Sachverständigen dies nach § 242 BGB entgegenhalten. Zwar erhebt der Kläger hier die originären Ersatzansprüche der Geschädigten, die sich durch die Abtretungen in ihrer Rechtsqualität nicht verändern. Jedoch müsste der Kläger im Falle der Zahlung eines überhöhten Honorars seitens des Schädigers das Geleistete sogleich als Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zurückzahlen (sog. „dolo agit“ – Einrede; vgl. OLG Dresden, Urteil vom 19. Februar 2014 – 7 U 111/12 -, Rn. 19, juris).
Als aus sachverständiger Sicht angemessen und erforderlich erachtet das Gericht die Sätze aus dem Gebührentableau der Honorarbefragung 2013 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen („BVSK 2013“; OLG Dresden, Urteil vom 19. Februar 2014 – 7 U 111/12, juris; das Gericht konnte nicht feststellen, dass im Zeitpunkt des Unfalls bereits die Honorarbefragung 2015 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen vorlag). Hierbei stellt das Gericht auf den oberen Wert des Korridors „HB V“ ab.
b) Gemessen hieran ist das vom Kläger geforderte Honorar nicht zu beanstanden. Der Kläger kann insbesondere die Kommunikationspauschale sowie die Kosten der Restwertanfrage geltend machen. Beide Kostenpositionen sind in der vorliegend als gültig vereinbarten Preisliste aufgelistet. Dasselbe gilt für die Schreibkosten. Dem Sachverständigen ist es nicht verwehrt, diese als Nebenkosten abzurechnen.
Ob die Preisliste gegen die Preisangabenverordnung verstößt, kann hier offen bleiben. Ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung würde nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung zwischen Sachverständigem und Geschädigten führen mit der Folge, dass dem Sachverständigen überhaupt kein Anspruch zustünde.
Es sei auch darauf hingewiesen, dass nach dem Bundesgerichtshof bei einem Reparaturaufwand für das verunfallte Fahrzeug von rund 1.050 Euro zzgl. USt. ein Sachverständigenhonorar von 534,55 Euro, das sich zusammensetzt aus einem Grundhonorar von 260,00 Euro, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 Euro, Telefon-, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 Euro, Fahrtkosten/Zeitaufwand in Höhe von 91,80 Euro (d.h. 1,80 Euro je km, max. 100,00 Euro) sowie auf den daraus errechneten Betrag entfallender Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht der Höhe des Grundhonorars noch in Anbetracht der Nebenkosten zu beanstanden ist. Vorliegend beträgt der Reparaturaufwand nach dem Sachverständigengutachten rund 3.200 € und damit ca. 3 mal so viel bei einem in etwa vergleichbaren Honorar.
3) Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.
… und mit der Verweisung auf Alternativwerkstätten hat die HUK Coburg in Hamburg auch kein Glück. 😉
Es ist doch kein Wunder, dass auch die VHV-Versicherung in Hannover bei dem einfältigen Inhalt der Kürzungsschreiben auf die Zurückweisung ihrer rechtswidrigen Kürzungen stößt. Da nützen auch keine schon längst aufgeweichten Ablenkmanöver bezüglich der Aktivlegitimation, der dolo agit-Einrede und eines angeblichen Verstoßes gegen die Preisangabeverordnung. Wer schon im ersten Kürzungsschreiben erklärt, dass die Versicherung nicht wüßte, ob dem Gebot der Schadengeringhaltungspflicht seitens des Unfallopfers Rechnung getragen worden sei, dessen ungeachtet dann aber dreist nach eigenem Belieben rechtswidrig drauf los kürzt, dass die Heide wackelt, darf sich nicht wundern, wenn der erhoffte Erfolg ausbleibt. Das Dümmste ist aber wohl die Bezugnahme auf die BVSK-Befragung 2015, die überhaupt keine ist und schon gar nicht als eine Art „Gebührenordnung“ verstanden werden darf, wenn der Geschäftsführer des BVSK und die Assekuranz dies auch gerne verwirklichen möchten. Insoweit ist eine Abstimmung mit dem Bundeskartellamt nicht festzustellen, wie bei der VKS-/BVK-Umfrage, die inzwischen auch einer Aktualisierung bedarf. Es muss schon sehr verwundern, mit welcher Intensität Herr Fuchs diese propagierten „Erkenntnisse“ unters Volk schleudert und nichts mehr wünscht als Akzeptanz. Es kann jedoch nicht verwundern, dass mal wieder ein unter Insidern als versicherungsnah bekannter Berufsverband, wie der BVSK, mit solchen Sonderkonditionen auf ein Wohlverhalten der Assekuranz spekuliert.
Mit besten Grüßen
VHV-Ranger