Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
heute veröffentlichen wir hier für Euch ein Urteil des Amtsgerichts Stendal zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den VN der HUK-COBURG. Um es vorweg zu sagen: Im Ergebnis ist das Urteil zwar richtig, aber bei der Begründung hapert es gewaltig. Die Urteilsbegründung ist am Anfang noch recht positiv, dies besonders, wenn es um die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall geht. Später dann gerät die Begründung in eine Prüfung der einelnen Posten der Sachverständigenkostenrechnung, was zu einer Prüfung der Angemesseheit der einzelnen Posten führt. Auf die Angemessenheit kommt es aber nicht an. Entscheidend im Schadensersatzprozess ist einzig die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, was auch für die Höhe der Sachverständigenkosten gilt (vgl. BGH VI ZR 211/03 ; BGH VI ZR 67/06). Das Gericht hätte daher korrekterweise feststellen müssen, ob der Rahmen des Erforderlichen gewahrt wurde, als der Geschädigte zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe einen Kfz- Sachverständigen beauftragte, weil er als Laie selbst dazu nicht in der Lage war. Das ist regelmäßig zu bejahen, wenn kein Auswahlverschulden in Betracht kommt. Dann sind regelmäßig die vom Sachverständigen berechneten Kosten auch ersatzfähig, wobei die berechneten Kosten grundsätzlich ein Indiz für die Erforderlichkeit der Höhe der Sachverständigenkosten bilden. Sollte der Schädiger eine Überhöhung behaupten, so kann er sich den vermeintlichen Anspruch auf Bereicherung gemäß § 812 BGB abtreten lassen und im Wege des Vorteilsausgleichs gemäß § 255 analog BGB vorgehen (vgl. Imhof / Wortmann DS 2011, 149). Lest selbst das Urteil des AG Stendal und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Stendal
3 C 790/15 (3.4)
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
…
Beklagter
hat das Amtsgericht Stendal durch den Richter am Amtsgericht M. im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO mit einer Schriftsatzfrist bis zum 18.09.2015 am 28.09.2015 für Recht erkannt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 43,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18,06.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Auf die Erstellung des Tatbestandes wird nach § 313 a Abs, 1 Satz 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht ein weiterer Schadenersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 22.03.2015 aus § 7 StVG auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten von 43,14 € zu.
Der Beklagte ist ordnungsgemäß vertreten. Die Beklagtenbevoilmächtigten haben eine entsprechende Vollmacht vorgelegt.
Dem Grunde besteht der Schadenersatzanspruch. Der Höhe nach besteht der Schadenersatzanspruch auch.
Grundsätzlich sind im Wege des Schadenersatzes die Vermögensnachteile auszugleichen, die durch die Schädigung entstanden sind. Hierzu gehören auch Kosten der Begutachtung zur Gel-tendmachung des Schadenersatzanspruches, soweit diese erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. hierzu umfassend BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06, zitiert aus Juris m.w.N.). Die Kosten der Schadensbegutachtung gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 – = BGH NJW 2014, 1947; BGH NJW 2007, 1450 ff = DS 2007, 144 ff; BGH VersR 2005, 380; BGH NJW-RR 1989, 953ä 956). Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgh BGH NJW 2007, 1450 ff m.w.N.; BGH VersR 1974, 90; Wortmann, VersR 1998, 1204, 1210 f.). Dabei hat der Schädiger den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag zu erstatten, nicht jedoch vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge (vgl. BGH NJW 2007, 1450 ff; BGHZ 63, 182, 184). Der tatsächliche Aufwand bildet freilich (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO oft einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Indes ist der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Insbesondere deshalb kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten (z.B. einer überhöhten Honorarforderung des Sachverständigen) abhängig gemacht werden (vgl. BGH NJW 2007, 1450 ff; BGHZ 61, 346, 348). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederhersteltung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle – auch bei der Höhe des Sachverständigenhonorars – durchzuführen (vgl. BGH NJW 2007, 1450 ff; BGH VersR 2004, 1189, 1190 f.). Im Regelfall darf er Geschädigte einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH NJW 2007, 1450 ff). Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs, 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGHZ 115, 364, 369; 160, 377, 383; 162, 161, 165). Er ist nach dem Wirtschaftiichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einfiussmögiichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 – BGH aaO. ) Er ist nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Allerdings verbleibt für ihn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH NJW 2007, 1450 ff m.w.N.).
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnisrnögiichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 – aaO.).
Freilich ist der Schädiger auch nicht verpflichtet, dem Geschädigten die Rechnungsbeträge der von diesem im Rahmen der Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmen ohne Möglichkeit der Nachprüfung voll zu ersetzen. Dem Schädiger verbleibt in jedem Falle die Möglichkeit darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Aliein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 – aaO.). Die Grenze der Erforderlichkeit ist daher mit sachverständiger Hilfe oder im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu klären. Es sind die Nebenkosten als nicht erstattungsfähig anzusehen, deren Unangemessenheit von dem Geschädigten entweder bei Abschluss der Honorarvereinbarung oder jedenfalls bei Erhalt der Honorarabrechnung erkannt werden konnten. Erforderlich ist hier eine Einzelfallprüfung (vgl. auch Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 12 StVG, Rn 50 m.w.N.; LG Stendal, Urteil vom 22 S 81/13 vom 13.03.2014). Wenn für den Geschädigten als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er offensichtliche Unrichtigkeiten in der Honorarrechnung missachtet, kann er von dem Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 433; DAR 1997, 275; OLG Nürnberg OLGR 2002, 471; LG Berlin NZV 2004, 635, 637; Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 12 StVG, Rn 50 m.w.N.; LG Stendal, Urteil vom 08.05.2013 – 22 S 122/12; LG Stendal, Urteil vom 22 S 81/13 vom 13.03.2014).
Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger Ersatz der Gutachterkosten zu.
Im Einzelnen:
1.
Grundhonorar: 371,70 €
In Bezug auf das Grundhonorar ist es zulässig, wenn sich der Sachverständige bei seiner Berechnung des Grundhonorars an der BVSK-Honorarbefragung orientiert (OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, 7 U 0111/12; LG Stendal, Urt. v. 08,05.2013 – 22 S 122/12; LG Dortmund, Urteil vom 05.08.2010,4 S 11/10, zitiert aus juris). Dem ist der Kläger hier nachgekommen.
2.
Fahrkosten (46 km zu 0,70 €)
Die geltend gemachten Fahrtkosten erstattungsfähig.
Ohne besondere Anhaltspunkte hat der Geschädigte zwar einen ortsnahen Sachverständigen zu beauftragen, um den Anfall von Fahrtkosten zu vermeiden, falls dem nicht besondere Umstände entgegenstehen; anderen falls liegt ein Verstoß gegen die Schadensminderungspfiicht vor (AG Magdeburg, Urteil vom 28.01.2008, 103 C 2302/07: LG Stendal, Beschluss vom 28.12.2012, 22 S 56/12). Insoweit fehlen aber konkrete Darlegungen des Beklagten. Ein ortsnäherer Sachverständiger ist nicht gerichtsbekannt. Weitere substanziierte Darlegungen des Beklagten hierzu fehlen, insbesondere die Benennung bestimmter Sachverständiger.
Die Höhe der Fahrtkosten von 0,70 € / km ist angemessen (vgl. LG Stendal, Urteil vom 22 S 81/13 vom 13.03.2014).
3.
Originallichtbilder (8 Stück zu 2,00 €)
Der berechnete Preis von 2,00 € je Bild liegt innerhalb der üblichen Preisspanne nach der BVKS-Honorarumfrage 2010/2011 (vgl. LG Stendal, Urteil vom 22 S 81/13 vom 13.03.2014).
Gegen die Anzahl der Fotos fehlen erhebliche Einwendungen des Beklagten. Die pauschale Behauptung, das Foto Nr. 2 sei nicht erforderlich gewesen, ist unzureichend. Der Beklagte hat das betreffende Foto noch nicht einmal vorgelegt.
4.
weiterer Fotosatz (8 Stück zu 0,50 €)
Hierbei handelt es sich um Ablichtungen der Originalaufnahmen, welche der Höhe nach ebenfalls zutreffend berechnet wurden. Der Beklagte hat dem Grunde nach einen Einzelbetrag von 0,50 € auch anerkannt. Wegen der Anzahl wird auf vorstehende Darlegungen verwiesen.
5.
Schreibkosten (pauschal 18,00 €)
Das Gutachten hat nach Angaben des Beklagten 6 geschriebene Originalseiten. Ein Preis von 3,00 € je Seite befindet sich im Rahmen der BVKs – Umfrage (vgl. LG Stendal, Urteil vom 22 S 81/13 vom 13.03.2014). Die Berechnung von 18,00€ ist demnach angemessen und nicht zu beanstanden.
6.
Porto / Telefon pauschal (12,00 €).
Diese Position hat der Beklagte ausdrücklich nicht beanstandet.
7.
Auch insgesamt liegen die geforderten Nebenkosten unter 25 % der Grundgebühr, weshalb auch aus diesem Grunde selbst bei direkter Geltendmachung der Forderung durch den Sachverständigen nach Abtretung eine Überhöhung der Kosten nicht festgestellt werden kann (vgl hierzu umfassend: OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, 7 U 0111/12; AG Krefeld, Urteil vom 16. Oktober 2014 – 10 C 361/14 -, juris; zustimmend: Wenker, jurisPR-VerkR 22/2014 Anm. 1 mit weiteren umfassenden Nachweisen). Wie der Beklagte zu der Behauptung kommt, die Nebenkosten lägen über diesem Wert, ist rechnerisch nicht nachvollziehbar und von Beklagtenseite auch nicht hinreichend erklärt.
Im Ergebnis sind sämtliche berechneten Kosten angemessen, weshalb dem Kläger der noch ausstehende Betrag wie tenoriert zusteht.
Die Zinsen sind nach §§ 286, 288 BGB zu ersetzen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO sind nicht gegeben. Das Gericht orientiert sich an der zitierten Rechtsprechung des hiesigen Landgerichts.