Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend veröffentlichen wir wieder einmal ein „Angemessenheitsurteil“ mit positivem Ergebnis aus Cham zu den Sachverständigenkosten gegen die AachenMünchener Versicherung. Es kann nur immer wieder betont werden, dass es im Rahmen des Schadensersatzprozesses nicht auf die (werkvertraglich entscheidende) Angemessenheit im Sinne der §§ 631, 632 BGB ankommt, sonden auf die in § 249 BGB normierte Erforderlichkeit. Die von den Gerichten immer wieder zu Hilfe genommenen Listen und Tabellen, wie Honorarumfragen oder ähnliches, geben nur die „angemessenen“ Werte im Rahmen des Werkvertragsrechts wieder. Auf die kommt es aber eben nicht an. Auch steht es dem Gericht nicht an, einzelne Positionen aus dem Schadensbetrag zu kontrollieren. Eine derartige Preiskontrolle ist dem Schädiger und dem Gericht untersagt, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, z.B. bei der Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen seiner Wahl zur Schadenshöhenfeststellung und zur Feststellung des Schadensumfangs, wahrt. (vgl. BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). Gleichwohl nimmt das erkennende Gericht hier Bezug auf eine Honorarabfrage, bei der noch nicht einmal die Mitglieder zu den Nebenkosten Angaben machen konnten. Schon von daher disqualifiziert sich die BVSK-Honorarabfrage 2015 als ungeeignete Schätzgrundlage für Sachverständigenkosten. Bereits 2014 hatte der BGH die BVSK-Honorarumfrage mit Nebenkosten als nicht geeignete Schätzgrundlage angesehen (BGH NJW 2014, 1947 Rn. 10). Das Urteil widerspricht daher der BGH-Rechtsprechung, als es die BVSK-Umfrage als Schätzgrundlage anwendet. Lest selbst das Urteil des AG Cham und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Cham
Az.: 1 C 834/15
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
AachenMünchener Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Aureliusstraße 2, 52064 Aachen
– Beklagte –
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Cham durch den Richter am Amtsgericht … am 18.11.2015 aufgrund des Sachstands vom 18.11.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 28,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.8.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 70,20 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 3.11.2015 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
B e s c h l u s s :
Der Streitwert wird auf 28,56 € festgesetzt.
Tatbestand
(entfällt gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist zulässig und in der Sache auch begründet.
1.
Der Kläger, an dessen Aktivlegitimation das Gericht aufgrund der letztlich unstreitigen Gesamtumstände des hier zu entscheidenden Falles (vgl. hierzu insbesondere Anlage B 1) auch ohne Vorlage einer entsprechenden Abtretungserkiärung keinen begründeten Anlass zu zweifeln hat, hat gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 249 ff. BGB einen Anspruch auf Zahlung von weiteren Schadensersatz in geltend gemachter Höhe.
a)
Die alleinige Haftung der Bekiagtenpartei dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
b)
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2007, 1450) ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalles im Regelfall berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen, soweit ein solches zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Hierbei ist der Geschädigte grundsätzlich zu keiner Erforschung des ihm zugänglichen Markes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Schadensersatzanspruch nach § 249 BGB umfasst somit grundsätzlich auch die streitgegenständlichen Sachverständigenkösten als Kosten der Schadensfeststellung.
Die Höhe der zu erstattenden Sachverständigenkosten ist dabei im Zweifel anhand der üblichen Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB durch gerichtliche Schätzung gemäß § 287 ZPO zu bestimmen, im Rahmen dieser Schätzung greift das Gericht auf die BVSK-Honorarbefragung 2015 zurück. Diese ist allerdings nur insoweit als geeignete Schätzgrundlage anzusehen, als sich die dort ausgewiesenen Grundhonorare und Nebenkosten im Rahmen des Marktüblichen halten. Dem entspricht die Heranziehung der jeweiligen HB III-Werte vollumfänglich. Hierfür spricht insbesondere die Tatsache, dass 95 % der befragten Sachverständigen unterhalb des HB III-Wertes abrechnen. Mithin kann es sich bei den 5 % der Sachverständigen, die darüber abgerechnet haben, jeweils nur um (nicht repräsentative) „Ausreißer“ nach oben hinsichtlich des .Marktniveaus handein: Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass der HB III-Wert, der im Übrigen auch deutlich über den Mittelwert aus den beiden Grenzwerten des HB V-Honorarkorridors liegt, die Grenze der erstattungsfähigen Kosten wiederspiegelt.
d)
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze und Ausführungen errechnen sich die erstattungsfähigen Sachverständigenkosten im hier zu entscheidenden Fall entsprechend der BVSK-Honorarbefragung 2015 wie folgt:
Grundhonorar (bei einer Nettoschadenshöhe incl. Wertminderung in Höhe von 6.832,28 €):
730,00 €
Fotokosten (11 x 2,00 €): 22,00 €
Porto/Tefefon pauschal: 15,00 €
+ Fahrtkosten: 5,00 €
Gesamtbetrag netto: 772,00 €
+ 19 %MWSt: 146,68 €
Gesamtbetrag brutto: 918,68 €.
e)
Rechnet ein Sachverständiger dabei in Summe unterhalb der Obergrenze die entsprechenden HB III-Werte ab, so ist nach Auffassung des Gerichts bereits unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht dieser (niedrigere) Wert, vorliegend mithin ein Betrag in Höhe von 899,64 €, maßgeblich. Abzüglich der beklagtenseits bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 871,08 € verbleibt somit ein weiterer Anspruch der Klagepartei in Höhe des geltend gemachten Betrages von 28,56 €.
2.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderungen gründet sich aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
3.
a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
4.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.