Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
von Frankfurt am Main geht es weiter nach Hamburg an der Elbe. Nachfolgend stellen wir Euch heute am Karfreitag ein positives Urteil aus Hamburg-Barmbek zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. Wieder war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG, die meinte, eigenmächtig die berechneten Sachverständigenkosten kürzen zu können. Aber auch hier hat die HUK-COBURG die Kürzungsrechnung ohne das örtlich zuständige Amtsgericht Hamburg-Barmbek gemacht. Zu Recht hat das erkennende Gericht dem klagenden Sachverständigen aus abgetretenem Recht des Restschadensersatzanspruch auf Erstattung der vollständigen Sachverständigenkosten zugesprochen. Wieder ein Urteil für die Urteilsliste gegen die HUK-COBURG. In der Vorstandsetage müßte jetzt doch endlich einmal die Überlegung Platz greifen, dass ein Weiter-so-kürzen keinen Sinn macht, wenn bereits unzählige Urteile diesen Kürzungswahn für rechtswidrig erklärt und die HUK-COBURG verurteilt haben, die gekürzten Beträge verzinslich und gebührenpflichtig nachzuzahlen. Lest selbst das positive Urteil des AG Hamburg-Barmbek vom 8.12.2015 – 822 C 104/15 – und gebt dann anschließend bitte Eure sachlichen Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingesandt durch Frau Rechtsanwältin Synatschke-Tchon aus 22041 Hamburg.
Viele Grüße und noch einen schönen Karfreitag.
Willi Wacker
Amtsgericht Hamburg-Barmbek
Az.: 822 C 104/15
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung, vertreten durch den Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Nagelsweg 41-45, 20090 Hamburg
– Beklagte –
erkennt das Amtsgericht Hamburg-Barmbek – Abteilung 822 – durch den Richter R. am 08.12.2015 auf Grund des Sachstands vom 21.09.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75,12 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.04.2015 sowie weitere 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 06.08.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 75,12 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
I. Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
II. Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich zu.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages i.H.v. € 75,12, § 7 Abs. 1 StVG, §§ 249, 398 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
a. Der Kläger ist aktivlegitimiert für den hier geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte. Der Zedent Ahmet Arslan hat unstreitig den behaupteten Anspruch wirksam an den Kläger abgetreten, § 398 BGB.
b. Der Zedent hatte vor der Abtretung gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Sachverständigengutachten i.H.v 505,12 brutto.
aa. Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 7 Abs. 1 StVG, §§ 249, 398 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Das Gericht vermag dem Einwand der Beklagten, der Kläger habe den haftungsbegründenden Tatbestand nicht ausreichend schlüssig dargelegt, nicht zu folgen. Der Kläger hat dargelegt, dass sich am 15.04.2015 zwischen dem Zedenten und einem Versicherungsnehmer der Beklagten auf der Hamburger Straße in Höhe der Hausnummer 180 ein Verkehrsunfall ereignet habe und die Beklagte hierfür zu 100 % eintrittspflichtig sei. Da die Beklagte eine im haftungsbegründenden Tatbestand festzustellende hundertprozentige Eintrittspflicht weder vorgerichtlich noch im Rahmen des anhängigen Prozesses in Abrede gestellt hat, vielmehr den Schaden mit Ausnahme der hier anhängigen Positionen vollumnfanglich reguliert hat, erachtet das Gericht eine weitere Konkretisierung des Vortrags zum Unfallhergang für nicht erforderlich (so auch AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 13.05.2015, 816 C 61/15).
bb. Der Zedent konnte von der Beklagten auch Zahlung eines Betrages i.H.v. € 505,12 verlangen.
(1) Der Zedent war berechtigt, zur Begutachtung des durch den Verkehrsunfall entstandenen Sachschadens einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Ist nach einem Verkehrsunfall wegen der Beschädigung des Geschädigtenfahrzeugs Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung vornehmlich frei (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13). Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (BGH, Urteil vom 18.01.2005, VI ZR 73/04). Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06; AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 13.05.2015, 816 C 61/15).
(2) Die Kosten des Sachverständigengutachtens sind auch in voller Höhe und nicht – wie die Beklagte annimmt – nur in Höhe von € 430,00 ersatzfähig.
Der Geschädigte kann zwar vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand lediglich die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13). Er ist deshalb nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13). Allerdings ist bei der Beurteilung der Frage, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis-und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. Subjektsbezogene Schadensbetrachtung, vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Geschädigte bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, VI ZR 67/06; LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, 323 S 7/14). Es gibt bei Kfz-Sachverständigen – anders als etwa im Mietwagengewerbe – keine allgemein zugänglichen Preislisten, zudem fehlen einheitliche Abrechnungsmodalitäten. Lässt sich der Geschädigte auf eine Vergütungsvereinbarung mit einem Sachverständigen ein, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass von seiner subjektiven Warte aus die infolge dieser Vergütungsvereinbarung für die Schadensbegutachtung zu erwartenden Kosten zweckmäßig und notwendig erscheinen durften. Anders ist dies nur dann zu beurteilen, wenn für den Geschädigten erkennbar war, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen. Dann gebietet ihm das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 528/12; LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, 323 S 7/14). Vom Schädiger kann in einem solchen Fall nicht mehr der (vollständige) Ausgleich der getätigten Aufwendungen bzw. Freistellung verlangt werden. Gleiches gilt, wenn offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder Honorarabrechnung vorliegen.
Einen solchen Sachverhalt hat die Beklagte nicht dargelegt. Vorliegend überschreitet das geltend gemachte Honorar einschließlich der Nebenkosten die Werte des von der Beklagten als angemessen beurteilten Honorars i.H.v. € 430,- brutto lediglich um 17 %. Damit liegt keinesfalls eine Überschreitung vor, die es gebietet, die als Schadensersatz geltend gemachten Sachverständigenkosten als „nicht erforderlich“ im schadensersatzrechtlichen Sinne anzusehen (LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, 323 S 7/14), zumal Besonderheiten, die eine überdurchschnittliche Kenntnis des Zedenten von der üblichen Honorarhöhe nahe legen, weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.
Ob hingegen die in Rechnung gestellten Nebenkosten für sich betrachtet als erkennbar überhöht anzusehen sind, ist nicht entscheidend. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist bei der Frage, wann von erkennbar überhöhten Preisen auszugehen ist, nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto-/Fahrtkosten etc. abzustellen (so auch LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, 323 S 7/14; AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 13.04.2015, 811a C 118/14). Vielmehr ist die Frage, ob eine deutliche Überhöhung vorliegt, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung, d.h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da nur die Höhe des zu erwartenden Rechnungsendbetrages darauf Rückschlüsse zulässt, ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, 323 S 7/14). Ansonsten bliebe unberücksichtigt, dass der Geschädigte, da solche Nebenkosten oft im Rahmen einer Mischkalkulation des Sachverständigen in das Pauschalhonorar einfließen, hier Missverhältnisse nur schwer erkennen kann (AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 13.05.2015, 816 C 61/15). Zudem kann einem Geschädigten weder unter dem Gesichtspunkt Erforderlichkeit der Kosten noch unter dem der Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden, er habe einen Sachverständigen beauftragt, dessen Nebenkosten überhöht sind, solange sich das Gesamthonorar nicht als überhöht darstellt (AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 29.04.2015, 818 C 236/14). Andernfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar verhältnismäßig hohe Nebenkosten kompensiert und dafür sorgt, dass es trotz hoher Nebenkosten nicht zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt.
Doch auch bei einer Einzelbetrachtung erscheinen die geltend gemachten Nebenkosten nicht derart hoch angesetzt, dass für den Geschädigten als Laien ein auffälliges Missverhältnis zwischen Gesamtpreis und Gesamtleistung hätte erkennbar sein können.
Soweit Pauschalen angesetzt worden sind, ist dies nicht zu beanstanden (vgl. AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 13.05.2015, 816 C 61/15). Dies führt zwar im Einzelfall dazu, dass diese in einzelnen Fällen höher sein mögen als der damit abgerechnete Aufwand. Doch ist die Abrechnung von Pauschalen indes nicht unüblich und wird auch in anderen Bereichen vielfach hingenommen.
Das Gericht hält auch die Kosten des zweiten Fotosatzes für ersatzfähig. Die Erforderlichkeit ergibt sich aus dem Dokumentationsinteresse des Geschädigten für den Abwicklungsprozess und ist Teil seines Wiederherstellungsinteresses (AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 22.12.2013, 820 C 282/13). Soweit die Beklagte die Anzahl der angefertigten Fotos rügt, vermag das Gericht der in diesem Zusammenhang dargelegten Auffassung nicht zu folgen. Der Sachverständige hat bei der pauschale begründet. Die 1,3-Geschäftsgebühr ist die übliche Geschäftsgebühr und im vorliegenden Fall auch angemessen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
IV. Von der Zulassung der Berufung wird gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 ZPO abgesehen. Die Rechtssache erfordert keine Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13, zur Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall Stellung genommen.
Quelle: IWW vom 05.03.2010 | Kostensparende Regulierung der Versicherer
Wo liegt die Grenze zum Betrug am Geschädigten?
Es häufen sich Vorgänge, die die Frage aufwerfen: Darf das Interesse der Versicherer an kostensparender Regulierung nach dem offenbar beliebten Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“ umgesetzt werden? Oder werden Grenzen berührt, die strafrechtlich relevante Vorwürfe nach sich ziehen?
Sicher dürfte sein, dass die Grenzen weit gesteckt sind. Immerhin finden die hartleibigen Versicherer für jede auch noch so abwegige Argumentation irgendein Urteil eines Amtsgerichts, das sich dafür anführen lässt. Falsche Urteile sind nie vermeidbar. Weil das so ist, gibt es das System der Rechtsmittelinstanzen. Sicher ist aber auch, dass keine Schrankenlosigkeit herrscht.
Die Merkmale des Betrugs sind vereinfacht dargestellt wie folgt (§ 263 Strafgesetzbuch):
– Täuschung
– Darauf basierender Irrtum beim Getäuschten
– Darauf basierende Vermögensverfügung des Getäuschten, die der ohne die Täuschung nicht vorgenommen hätte und auf die der Täuschende keinen Anspruch hat und
– Beim Getäuschten zu einem Schaden führt
– Das Gegenstück zum Schaden beim Betrogenen ist ein Vermögensvorteil, den der Täuschende für sich oder einen Dritten erstrebt.
Gelingt der Betrug nicht, weil das Opfer ihn durchschaut, ist bereits der Versuch strafbar. Der Einwand, der Geschädigte könne sich ja jeweils wehren und gegebenenfalls seinen Schadenersatz einklagen, verfängt nicht. Es ist das typische Merkmal des versuchten Betrugs, dass der Betroffene nicht darauf hereingefallen ist.
Daran sind die folgenden Beispiele zu messen.
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Salvatorbruder
Betr.: Art und Umfang des Schadenersatzes BGH-Urteil vom 18.01.2005 – VI ZR 73/04
„Im Vordergrund steht das Interesse des Geschädigten an einer vollständigen Restitution (vgl. BGH VI ZR 109/03 – VI ZR 266/03 – V ZR 158/95.
Deshalb müssen die nach § 249 Satz 2 BGB zur Verfügung zu stellenden Mittel so bemessen sein, dass sich die Vermögenslage des Geschädigten, sofern er nur wirtschaftlich vernünftig verfährt, nicht besser, aber auch nicht schlechter darstellt, als wenn der Schadensfall nicht eingetreten wäre.
Der danach „erforderliche“ Herstellungsaufwand wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens sowie die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bestimmt.
In diesem Sinne ist der Schaden nicht „normativ“ zu bestimmen, sondern subjektbezogen (vgl. BGH VI ZR 266/03). Deshalb darf der Geschädigte zur Schadenbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vgl. BGH VI ZR 159/67).“
D.H.