Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
heute melde ich mich der verehrten Leserschaft als Autor zurück. Das bisherige Tempo werde ich nicht mehr einhalten können. Es muss eben alles etwas langsamer gehen. Für die Zeit, in der ich nicht im Captain-Huk-Blog arbeiten konnte, sind dankenswerterweise die Mitautoren dieses Blogs eingesprungen. Ich bedanke mich dafür bei ihnen recht herzlich. Hier und heute stelle ich Euch ein – zwar etwas älteres – Berufungsurteil aus Darmstadt zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Nürnberger Versicherung vor. Auch bei der Abfassung der Vorworte werde ich mich zunächst einmal etwas kürzer fassen. Längere Arbeiten am Schreibtisch sind mir noch nicht möglich. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Landgericht Darmstadt Verkündet am:
. 17.05.2013
Aktenzeichen: 6 S 232/12
360 C 107/11 Amtsgericht Offenbach
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
… ,
Kläger und Berufungskläger
gegen
Nürnberger Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand d. vertr. d. d. Vors. Dr. H.-J. Rauscher, Ostendstraße 100, 90482 Nürnberg,
Beklagte und Berufungsbeklagte
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht H.-G.
die Richterin B.
die Richterin am Landgericht S.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2013
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG Offenbach am Main vom 07.12.12 – AZ: 360 C 107/11 – abgeändert:
Das Versäumnisurteil des AG Offenbach vom 28.09.12 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.021,14 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 05.03.11 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i. H. v. 130,50 Euro zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis im Termin vom 28.09.12 entstandenen Kosten; die trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
Der Kläger ist Kfz-Sachverständiger und begehrt von der beklagten Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht des Geschädigten den vollständigen Ersatz vorgerichtlich nicht regulierten Schadens aus einem Verkehrsunfall am 11.02.2011 in Offenbach am Main.
Die 100 %ige Einstandspflicht der Beklagten für den Unfallschaden ist unstreitig. Der Geschädigte beauftragte den Kläger mit der Erstattung eines Kfz-Sachverständigengutachtens; mit Erklärung vom 11.02.2011 trat der Kläger seinen auf Reparaturaufwand bzw. auf Wiederbeschaffungsaufwand gerichteten Schadensersatzanspruch in Höhe der Gutachterkosten an den Kläger ab. Auf Bl. 21 d. A. wird insoweit Bezug genommen.
Am 18.02.2011 erstellte der Kläger ein Schadensgutachten, das Reparaturkosten in Höhe von netto 38.328,72 € (brutto 45.504,08 €) bezifferte und das der Kläger mit 3.996,14 € (brutto), 3.358,10 (netto) in Rechnung stellte; auf Bl. 20 d. A. wird Bezug genommen.
Auf diese Rechnung zahlte die Beklagte 2.975,00 € (brutto); der Rest (1.021,14 €) ist Gegenstand dieses Rechtsstreits.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Abtretung sei unwirksam und das Honorar überhöht.
Das Amtsgericht hat zunächst Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung geäußert (Anlage zum Terminsbeschluss vom 31.08.2011 (Bl. 72 d. A.), im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.09.2011 aber darauf hingewiesen, dass es an der zunächst geäußerten Auffassung nicht mehr festhalte (Bl. 92 d. A.).
Das Amtsgericht hat anschließend von Amts wegen Beweis erhoben über die Üblichkeit der Höhe des berechneten Honorars und dann das gegen den Kläger ergangene, klageabweisende Versäumnisurteil vom 28.09.2012 aufrecht erhalten. Der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert, da die Abtretungsvereinbarung vom 11.02.2011 mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam sei.
Die Klage sei aber auch deshalb unbegründet, weil die geltend gemachte Honorarforderung überhöht sei.
Dagegen streitet die Berufung des Klägers.
Er sieht die seitens des Amtsgerichtes an den Inhalt der Sicherungsabtretung gestellten Anforderungen als überspannt an.
Überdies hätten aber auch die Voraussetzungen, unter denen eine Überprüfung der Höhe der Sachverständigenkosten im Prozess möglich gewesen wäre, nicht vorgelegen.
Zudem habe das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft das Sachverständigengutachten von Amts wegen eingeholt, den Sachverständigen aber trotz Antrags des Klägers nicht zur mündlichen Anhörung geladen, weil dieser den Kostenvorschuss nicht gezahlt habe.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanziiche Urteil. Die Abtretung sei unwirksam und die Gutachterkosten übersetzt.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.
Der Kläger ist zunächst aktivlegitimiert.
Der Geschädigte hat seinen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte mit Sicherungsabtretung vom 11.02.2011 wirksam an den Kläger abgetreten. Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hat die Kammer im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot im Rahmen von Abtretungen gem. § 398 ff BGB keine durchgreifenden Bedenken.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH-Urteil vom 07.06.2011 – VI ZR 260/10 -) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Während dort sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Unfall zur Sicherung des Honoraranspruchs des Kfz-Sachverständigen dienen sollten, beschränkt sich die vorliegende Klärung auf den Schadensersatzanspruch, der „auf Reparaturaufwand bzw. Wiederbeschaffungsaufwand“ gerichtet ist. Damit sind die ersatzfähigen Reparaturkosten oder im Fall des Totalschadens der Wiederbeschaffungswert gemeint. Eine vom Amtsgericht wohl angenommene Anspruchsmehrheit, die dem Bestimmtheitserfordernis des § 398 BGB entgegen stehen soll, ist nicht erkennbar. Unerheblich ist auch, dass die Höhe der Gutachterkosten in der Abtretung nicht beziffert sind. Der Schuldner konnte sich in zumutbarer Weise Gewissheit darüber verschaffen, an wen und in welcher Höhe er zu leisten hat, da der Kläger seinen Honoraranspruch gegenüber der Beklagten unter Offenlegung der Abtretung angemeldet hat.
Die Honorarforderung des Klägers ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Nach § 249 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Schadensumfang nach einem Verkehrsunfall sind als Kosten der Schadensfeststeilung Teil des zu ersetzenden Schadens des Geschädigten und damit dem Grunde nach erstattungsfähig.
Der Höhe nach ist der Ersatzanspruch allerdings auf den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache des Zedenten erforderlichen Geldbetrag beschränkt. Maßgebend ist, da dem Geschädigten ein Auswahlverschulden nicht anzulasten ist, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen halten. Bei der Bewertung dessen, welche Kosten üblich, zweckmäßig und angemessen sind, kann insbesondere eine Schätzung auf der Grundlage von § 287 ZPO getroffen werden, wobei insoweit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Kosten des Gutachtens grundsätzlich in Relation zur Schadenshöhe berechnet werden können (BGH NJW 2007, 1450).
Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten ist die Kammer der Auffassung, dass in Fallkonstellationen wie dieser, es praktikabel und sachgerecht ist, im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO eine Pauschalierung vorzunehmen. Eine pauschale, in prozentualer Abhängigkeit von der Schadenshöhe stehende Schätzung liefert nämlich gleichwertige Ergebnisse, da es gerade Sinn einer Schadenschätzung ist, pauschale Größenordnungen zu ermitteln.
Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Honorar, das bei Reparaturbeträgen bis 3.000,— € netto 25 % nicht überschreitet, nicht den Rahmen dessen verlässt, der für die Berechnung von Sachverständigenhonoraren angemessen ist. Dieser Anteil bezieht sich auf die Tätigkeit des Sachverständigen zur Ermittlung der Reparaturkosten (Nettogrundhonorar). Hinzu kommen die Sachkosten, die dem Sachverständigen zur Herstellung des Gutachtens, insbesondere für Schreibkosten, Bildmateria! und allgemeine Verwaltung entstehen.
Bei Nettoreparaturkosten von über 3.000,– € vertritt die Kammer die Auffassung, dass insoweit ein Nettosachverständigenhonorar in Höhe von bis zu 10 % des Nettoreparaturaufwandes zzgl. der Nebenkosten und der Mehrwertsteuer als ein zur Wiederherstellung erforderlicher Aufwand angenommen werden kann.
Gemessen an diesen Grundsätzen überschreitet die Berechnung des Klägers die Grenzen des Erforderlichen nicht; das von dem Sachverständigen berechnete Nettogrundhonorar liegt bei 7,71 % des Nettoreparaturaufwandes.
Die seitens des Sachverständigen in Ansatz gebrachten Nebenkosten sind gleichfalls nicht zu beanstanden, wobei überdies insoweit bereits fraglich ist, ob eine Preiskontrolle hinsichtlich der Nebenkosten überhaupt zulässig ist, wenn der Geschädigte sich im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen hält (LG Saarbrücken, VR 08, 280 ff).
Auf die Berufung des Klägers war deshalb das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 07.12.2012 abzuändern und das Versäumnisurteil vom 28.09.2012 aufzuheben.
Der Anspruch auf die Nebenforderungen folgt aus den §§ 280, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 344 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Prima Entscheidung. ohne Angemessenheit nach BVSK.
@Iven Hanske
Prima Entscheidung?
D.h., ein Grundhonorar von 350,00 EUR ist gem. LG Darmstadt bei einem Schaden von z.B. 3.100,00 EUR dann nicht mehr erforderlicher Wiederherstellungsaufwand? Geht´s noch?
Und dann noch die 25%-Regelung bis 3.000,00 EUR Schaden.
Das bedeutet im Klartext: Bei einem Schaden von 3.000,00 EUR darf man bis zu 750,00 EUR Grundhonorar verlangen und bei 3.001,00 EUR dann nur noch maximal 300,10 EUR. Wie bescheurt ist das denn?
BVSK ist zwar nicht, dafür gibt es aber hier wieder eigene willkürliche Regeln á la OLG Dresden, die noch bekloppter sind, als die BVSK-Honorarbefragung und mit dem Schadensersatzrecht nichts am Hut haben. Eine weitere „Gebührenordnung“ á la OLG München. Nur nicht so „präzise“.
Entscheidungen wie diese sind allesamt ein Wettbewerbsverstoß. Die entsprechenden Gerichte gehören deshalb selbst vor den Kadi. Vom rechtswidrigen Eingriff in die Gesetzgebung erst gar nicht zu reden. Denn „Gebührenordnungen“ sind Aufgabe des Gesetzgebers und obliegen NICHT der Kompetenz irgendwelcher Gerichte. JEDES URTEIL in der schadensersatzrechtlichen Auseinandersetzung, bei dem z.B. SV-Kosten (auch auf Grundlage von BVSK) gekürzt werden, die unterhalb der Wuchergerenze liegen, stellt einen Wettbewerbsverstoß dar (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb des Kfz-Sachverständigen). Darüber hinaus handelt es sich um einen Verstoß gegen Verfassungsrechte der Bundesrepublik Deutschland.
Man kann gespannt sein, ob es über den „gesetzgebenden Gerichten“ tatsächlich nur den Himmel gibt?
# Karle
Du vergisst „dass in Fallkonstellationen wie dieser“, das sagt nichts zu anderen Fällen, also ist deine Kritik hier nicht angebracht, oder?
Karle: Man kann gespannt sein, ob es über den „gesetzgebenden Gerichten“ tatsächlich nur den Himmel gibt?
Nein – und das ist sicher, weil sie selbst glauben ein Teil desselben, inclusive gottähnlicher Weisheit, zu sein. Aber auf jeden Fall können sie machen was sie wollen und das tun sie denn auch. Eine verrottete und verlotterte Justiz ist der Anfang vom Ende und treibt die Leute in die Arme der Rattenfänger. Aber das hatte wir schon einmal und ein Justizminister wie der gegenwärtige vermag gar nichts, weil er eine glatte Fehlbesetzung ist.