Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zum Wochenende stellen wir Euch hier auch noch ein Urteil des Amtsgerichts aus Speyer zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen die VHV Versicherung vor. Zunächst hat das erkennende Gericht zu Recht auf das Grundsatzurteil VI ZR 225/13 des BGH verwiesen. Völlig zu Recht hat das erkennende Gericht auch darauf verwiesen, dass es bei der Schadenhöhenschätzung nach § 287 ZPO nur auf den Gesamtbetrag ankommt. Dann aber verfällt das Gericht auf eine Einzelpositionsprüfung mit der Messung der Einzelbeträge nach der BVSK-Honrarbefragung, obwohl der BGH entschieden hat, dass der Geschädigte die Ergebnisse der BVSK-Honorarbefragung nicht kennen muss (BGH VI ZR 225/13 ). Insoweit liegt ein Widerspruch in diesem Urteil, wie wir meinen. Denn, was der Geschädigte nicht kennen muss, kann dann bei einer – ohnehin verbotenen – Preiskontrolle (vgl. BGH VI ZR 67/06) nicht Maßstab für einen erforderlichen Gesamtbetrag sein. Lest aber selbst das Urteil des AG Speyer und gebt dann bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Aktenzeichen:
34a C196/15
Amtsgericht
Speyer
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
VHV Allgemeine Versischerung AG, vertreten durch d. Vorstand, VHV-Platz 1, 30177 Hannover
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Speyer durch die Richterin am Amtsgericht U.-W. am 19.01.2016 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 92,53 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.08.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf vollständigen Ersatz der infolge des Unfallereignisses vom 23.07.2015 entstandenen Sachverständigenkosten. Er kann daher die Zahlung des offenen Betrages von 92,53 € verlangen.
Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 (u.a. NJW 2014, 1947) – sind für die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten in den Vordergrund zu stellen. Der Kläger durfte den Sachverständigen … mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragten und von der Beklagten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten als Herstellungsaufwand verlangen.
Als erforderlich sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH diejenigen Aufwendungen zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Sofern allerdings ein Geschädigter die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, ist er gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Indes verlangt das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung von einem Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Es darf nämlich nicht aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektive Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten, sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet die Übereinstimmung des von dem Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt. Gab es – wie vorliegend – keine Preisvereinbarung, ist maßgeblich, ob die von dem Sachverständigen berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar über den üblichen Preisen liegen. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Überprüfung der Erforderlichkeit des Schadenaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eine maßgebliche Rolle. Wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Dies gilt auch bezüglich der neben dem Gruhdhonorar geltend gemachten Nebenkosten (BGH aaO und vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13).
Dass der Kläger von vorneherein hätte erkennen können, dass der Sachverständige … – wie von der Beklagten vorgetragen – überhöhte Nebenkosten ansetzen würde, wird selbst von der Beklagten nicht behauptet. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Kläger auch nicht verpflichtet. Vielmehr durfte er sich damit „begnügen“, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen.
Unabhängig davon kann auch bei einer Schätzung gemäß § 287 ZPO nicht ohne weiteres erkannt werden, dass der Gesamtbetrag der von dem Sachverständigen berechneten Vergütung die in der Branche üblichen Gesamthonorare deutlich übersteigt oder Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen (ausführlich hierzu OLG München 10 U 579/15).
Zunächst ist das Grundhonorar von 328,00 € nicht zu beanstanden. Auch in den Fällen, in denen wie vorliegend wegen eines wirtschaftlichen Totalschadens der Wiederbeschaffungswert brutto maßgebend ist, ist nach der BVSK-Honorarbefragung für das Jahr 2015 in der dortigen Tabelle die linke Spalte maßgebend. Nach dem HB V Korridor gilt insoweit ein Rahmen von 286,00 € bis 320,00 € bei einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 1.2500,00 €. Demnach kann der von dem Sachverständigen berechnete Betrag im Hinblick auf seine nur minimale Überschreitung als durchaus marktüblich angesehen werden.
Nichts anderes gilt hinsichtlich der Fahrtkosten, welche der Sachverständige mit 12,00 €, d.h. 0,62 € pro Kilometer in Ansatz gebracht hat. Dieser Betrag liegt unterhalb der in der Honorartabelle für erforderlich angesehenen Fahrtkosten von 0,70 € pro Kilometer. Die berechneten Kilometer ergeben sich aus der Fahrt des Sachverständigen … von seinem Firmensitz … bis zum Sitz der Firma … , wo ausweislich des Gutachtens (dort Seite 1) die Besichtigung des Klägerfahrzeuges stattgefunden hat.
Dieselbe Feststellung ist hinsichtlich der Fotokosten zu treffen, die der Sachverständige zum Stückpreis von 2,40 € für den ersten Satz bzw. 1,00 € für den zweiten Satz abgerechnet hat. Dieser Betrag überschreitet zwar die Beträge, nach dem HB V Korridor von 2,00 € für den 1. Satz und 0,50 € für den 2. Satz. Jedoch erscheint auch diese Überhöhung nicht derart unverhältnismäßig, als dass dem Kläger ein Auswahlverschulden angelastet werden könnte.
Nicht zu beanstanden ist weiterhin der Betrag von 25,00 € für die Restwertermittlung. Diese war angesichts des eingetretenen Totalschadens erforderlich und erfolgte über die Restwertbörse. Da diese kostenpflichtig ist, waren für die vom Sachverständigen eingeholten drei Angebote Auslagen zu tätigen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711, 713ZPO.
Hallo, Willi Wacker,
man beachte den wahrscheinlich hier sogar unbewussten Einstieg in eine Einzelüberprüfung, denn insgesamt zeigt das Urteil in den Entscheidungsgründen doch eine „offene“ bzw. nicht voreingenommenen Haltung bezüglich der zu berücksichtigenden Schadenersatzverpflichtung. Deshalb sind folgende Überlegungen auch herauszustellen:
„Vielmehr durfte er sich damit „begnügen“, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen.
Unabhängig davon kann auch bei einer Schätzung gemäß § 287 ZPO nicht ohne weiteres erkannt werden, dass der Gesamtbetrag der von dem Sachverständigen berechneten Vergütung die in der Branche üblichen Gesamthonorare deutlich übersteigt oder Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen (ausführlich hierzu OLG München 10 U 579/15).“
Und dann noch:
„Demnach kann der von dem Sachverständigen berechnete Betrag im Hinblick auf seine nur minimale
Überschreitung als durchaus marktüblich angesehen werden.“
„Dieselbe Feststellung ist hinsichtlich der Fotokosten zu treffen, die der Sachverständige zum Stückpreis von 2,40 € für den ersten Satz bzw. 1,00 € für den zweiten Satz abgerechnet hat. Dieser Betrag überschreitet zwar die Beträge, nach dem HB V Korridor von 2,00 € für den 1. Satz und 0,50 € für den 2. Satz. Jedoch erscheint auch diese Überhöhung nicht derart unverhältnismäßig, als dass dem Kläger ein Auswahlverschulden angelastet werden könnte.“
Das ist doch wenigstens etwas und immerhin deutlich mehr als nichts!-
Mit freundlichen Grüßen
Ellgar M.