Leipziger Urteilsreihe zum vorläufig Letzten: Das AG Leipzig verurteilt erneut mit sauberer Entscheidung vom 2.12.2015 – 113 C 4705/15 – die Allianz Vers. AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

als lesenswerte Sonntagslektüre veröffentlichen wir für Euch jetzt auch noch das letzte der neun Urteile der Leipziger Urteilsreihe. In diesem Fall musste der Kfz-Sachverständige, an den der Restschadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten durch den Geschädigten abgetreten worden war, gegen die Allianz Versicherungs AG klagen. Das erkennende Gericht gab dem Kläger Recht. Es handelt sich um eine saubere Entscheidung, wie wir meinen. Lest aber selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure Kommentare ab. Gebt auch Eure Kommentare ab, was Ihr von der jetzt abgeschlossenen Urteilsreihe eines Gerichtes haltet. Was meint Ihr: Sollten wir auch von anderen Gerichten eine derartige Reihe zusammenstellen? Eure Meinungen sind uns wichtig. 

Viele Grüße und auch weiterhin noch einen schönen Sonntag.
Willi Wacker

Amtsgericht Leipzig

Zivilabteilung I

Aktenzeichen: 113 C 4705/15

Verkündet am: 02.12.2015

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Allianz Versicherung, An den Treptowers 3, 12435 Berlin

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht K.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2015 am 02.12.2015

für Recht erkannt:

1.        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 114,72 EUR zuzüglich Znsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.04.2014 sowie 3,00 EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird festgesetzt auf 114,72 EUR.

Tatbestand

Gemäß § 313a ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten Anspruch auf Schadenersatz aus abgetretenem Recht gemäß § 115 VVG.

Die 100 %ige Einstandspflicht der Beklagten für Unfalllschäden des Geschädigten aus dem Verkehrsunfallereignis am 11.07.2013 ist unstreitig.

Die Beklagte wendet sich gegen die Forderung mit der Begründung, dass die als Anlage K 2 vorgelegte Abtretung wegen Unbestimmbarkeit unwirksam sei.

Das ist nicht zutreffend.

Die Abtretung ist konkret genug. Aus der Abtretungserklärung ist hinreichend konkret zu erkennen, dass der Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten aus einem Unfall des Zedenten vom 11.07.2013 mit dem Unfallgegner, dieser versichert bei der Beklagten, abgetreten wurde. Es ist sogar das Aktenzeichen des Versicherers angegeben. Das reicht aus. Die Schadenssumme muss nicht genannt werden. Zur Bestimmbarkeit einer Forderung ist dies nicht notwendig.

Es dürfte unstreitig sein, dass es sich bei den Kosten des Sachverständigengutachtens um Kosten handelt, die im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind.

Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständig, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf; dabei ist auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeit Rücksicht zu nehmen (vgl. BGH, Urteil v. 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06).

Entscheidend für die schadensrechtliche Betrachtung nach § 249 BGB ist nur, ob die an den Sachverständigen zu zahlenden Kosten den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand angemessen repräsentiere.

Die Beklagte macht geltend, dass der Aufwand für die Erstellung des Gutachtens in Höhe der eingeklagten Differenz nicht als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs, 2 BGB angesehen werden kann. Dies betrifft nach Auffassung der Beklagten das Grundhonorar aber ebenso die geltend gemachten Nebenkosten. Sie bezieht sich u.a. auf die Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014 (Az.: 7 U 111/12) mit dem Vortrag, dass vorwiegend die Nebenkosten ca. 50 % des Grundhonorars ausmachen.

Die Klägerin wendet sich gegen diese Auffassung mit der Begründung, dass der Zedent eine vertragliche Vereinbarung mit der Klägerin getroffen habe und selbst wenn man davon ausgehen würde, dass das abgetretene Sachverständigenhonorar überhöht sei, bliebe es bei der vollumfänglichen Erstattungsfähigkeit, da ein den Anspruch kürzendes Auswahlverschulden nicht erkennbar vorliege.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.02.2014 (Az.: VI ZR 225/13) zum wiederholten Male dazu ausgeführt:

„Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverstandige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigt, gebietet das Schadens rechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.“

Dass dem Geschädigten ein Auswahlverschulden bei der Beauftragung der Sachverständigen vorzuwerfen ist, ist weder aus dem Sachverhalt erkennbar noch durch die Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt. Sie führt dazu lediglich aus, dass die Beklagte auf der Basis von Sachverständigenrechnungen aus konkreten Schadensakten, das ortsübliche Sachverständigenhonorar ermittelt hätte. Ortsüblich für das Postleitzahlgebiet „04″ sei bei einer Schadenshöhe von bis 1.500,00 EUR netto ein Grundhonorar von 295,00 EUR netto festzustellen, Selbiges wurde von der Klägerseite bestritten und wie dargelegt von der Beklagten nicht weiter unter Beweis gestellt.

Es ist davon auszugehen, dass der Geschädigte, anderes ist nicht bekannt, zum ersten Mal einen Unfall erlitten hat, so dass ihm üblicherweise gar nicht bekannt ist, wie viele Sachverständigenbüros es im Raum Leipzig überhaupt gibt und zu welchen Tarifen diese jeweils arbeiten.

Der Geschädigte hat mit dem Sachverständigen eine Honorarvereinbarung getroffen. Die Klägerin hat entsprechend der Honorarvereinbarung ihre Kosten geltend gemachtes Nebenkosten gesondert abgerechnet werden Fahrtkosten, Fotokosten, Schreib- und Druckkosten, Kosten für Kopien, Kosten für Versand-/Telefon-Internet. Um einen notwendigen Nachweis bestimmter Kosten zu vermeiden, können diese teilweise auch pauschal abgerechnet werden. Auch hinsichtlich der geltend gemachten Nebenkosten gilt das oben Dargelegte entsprechend. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass überhöhte Nebenkosten abgerechnet werden, sind jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies für den Geschädigten erkennbar war.

Im Übrigen ist festzustellen, dass der Sicherungsfall eingetreten ist. Bereits in der Klagschrift wurde ausgeführt, dass die Rechnung vom 15.07.2013 dem Geschädigten übersandt wurde und dass der Geschädigte keine Zahlung geleistet hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite sind die vorgerichtlichen Mahnkosten schlüssig dargelegt. Aus der Klage ergibt sich, dass die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2014 aufgefordert hat, das restliche Honorar zu ersetzen und dass mit Schreiben vom 03.04.2014 die Beklagte jede weitere Zahlung verweigerte. Mit Schreiben vom 14.04.2014 wurde die Beklagte nochmals gemahnt.

Gemäß der §§ 280, 286, 288 BGB kann die Klägerin Verzugszins und Verzugsschaden, wie ausgeurteilt, geltend machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO entsprechend dem Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 713 ZPO und die Höhe des Streitwertes gemäß § 3 ZPO aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Abtretung, Allianz Versicherung, Haftpflichtschaden, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Leipziger Urteilsreihe zum vorläufig Letzten: Das AG Leipzig verurteilt erneut mit sauberer Entscheidung vom 2.12.2015 – 113 C 4705/15 – die Allianz Vers. AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten.

  1. Diplom-Ingenieur Harald Rasche sagt:

    Guten Morgen, sehr geehrte CH-Redaktion,

    danke für die Einstellung auch dieses Urteils des AG Leipzig. Die Entscheidungsgründe sind teilweise spannend; da heißt es u.a.:

    „Die Beklagte macht geltend, dass der Aufwand für die Erstellung des Gutachtens in Höhe der eingeklagten Differenz nicht als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs, 2 BGB angesehen werden kann. Dies betrifft nach Auffassung der Beklagten das Grundhonorar aber ebenso die geltend gemachten Nebenkosten. Sie bezieht sich u.a. auf die Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014 (Az.: 7 U 111/12) mit dem Vortrag, dass vorwiegend die Nebenkosten ca. 50 % des Grundhonorars ausmachen.“

    Was ist denn an der Höhe der Nebenkosten in Relation zum Grundhonorar so ungewöhnlich ? Es gibt insoweit überhaupt keine aussagefähige Beziehung in Abstellung auf die Erforderlichkeit, weil sich bekanntlich nicht beide Kostenpositionen auf die Schadenhöhe beziehen, sondern nur eine einzige und das ist das Grundhonorar. Nicht ohne Grund hat auch deshalb der VI. Zivilsenats in seiner Entscheidung vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 – sogar 73% der Nebenkosten „durchgewinkt“, jedoch auch unter der Perspektive, dass es schadenersatzrechtlich nichts zu überprüfen gibt, wenn man die „ex ante“ Sichtweite des Geschädigten ernst nimmt und die Rechtsfolgen aus der Position des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers nicht ignoriert. Es gibt Nebenkosten, die nur bei 20% des Grundhonorars liegen und es gibt Größenordnungen, die das Grundhonorar sogar erreichen können.

    Die Behauptung eines ortsüblichen Grundhonorars läßt sich schon durch eine leicht durchführbare Honorarumfrage nicht bestätigen. Sie ist schlichtweg falsch und wäre schadenersatzrechtlich auch nicht erheblich, wenn eine Honorarverenbarung vorliegt, nach der abgerechnet wurde und insoweit für den Geschädigten keine Anhaltspunkte verfügbar waren, dass eine für ihn bemerkbare erhebliche Überhöhung bzw. Nichterforderlichkeit vorliegen könnte. Es war nach meiner Erinnerung u.a. übrigens das AG München, dass eine nicht feststellbare Ortsüblichkeit per Gutachten verifizieren und zurückweisen konnte.

    Ein Auswahlverschulden ist hier wohl von der Beklagtenseite nicht begründet ins Feld geführt worden und auch kein Verstoß gegen die Schadengeringhaltungspflicht.

    Die Beklagtenseite kannte aber möglicherweise vor dem Hintergrund ihrer Argumentation noch nicht das BGH-Urteil vom 15.09.2015 – VI ZR 475/14, das noch einmal deutlich herausgestellt hat:

    „Bei der Beurteilung welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, ist nach subjektbezogener Schadensbetrachtung auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geeschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis-und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. Senatsurteile VI ZR 27/73; VI ZR 528/12; VI ZR 225/13; VI ZR 357/13).“

    Ich kenne bisher nicht ein einziges Kürzungsschreiben – von welcher Versicherung auch immer – in dem diesen Hinweisen bzw. diesem Umstand Rechnung getragen wurde.

    Der VI. Zivilsenat hat schließlich noch zur Ermittlung der Schadenersatzverpflichtung ausgeführt:

    Liegt der Rechnung eine Vergütungsvereinbarung zugrunde, ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der Zivilgerichte, bei entsprechenden Marktkonstellationen im Rahmen der Erforderlichkeit, im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine K o n t r o l l e der wirtschaftlichen Angemessenheit der vereinbarten Preise vorzunehmen.

    Auch diese Urteil des AG Leipzig hat also die schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevanten Randbedingungen angesprochen und gewürdigt, so dass sich auch das „Ergebnis“ für den Laien schlüssig und plausibel darstellt.

    Dipl.-Ing. Harald Rasche
    Bochum & Tangendorf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert