Mit Datum vom 27.05.2016 (713 C 36/16) hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek die Halterin des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 96,01 € zzgl. Zinsen sowie der Kosten für eine Halteranfrage verurteilt. Ein Urteil, das gänzlich ohne Bezug auf die BVSK-Honorarumfrage auskommt und sehr gut begründet ist. Erstritten wurde dieses Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Entscheidungsgründe:
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist begründet.
- Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht der Geschadigten Frau X aus demUnfallgeschehen vom xx.xx.2015 auf dem ……………. in Hamburg Schadensersatz in Höhe von 96,01 € für die restlichen Sachverständigenkosten sowie von 5,10 € für die Halteranfrage verlangen.
Die volle Haftung der Beklagten aus dem Unfallgeschehen vom xx.xx.2015 ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist allein die Höhe der zu erstattenden Sachverständigenkosten a) sowie die Erstattungsfähigkeit der für die Halteranfrage angefallenen Kosten in Höhe von 5,10 € b).
- a) Die Geschädigte Frau X kann Schadensersatz für die Kosten des Sachverständigengutachtens in der geltend gemachten Höhe verlangen, da sie aus ihrer Sicht für eine sachdienliche Rechtsverfolgung erforderlich waren. Die nach einem Verkehrsunfall regelmäßig anfallenden Kosten für die Ermittlung der Höhe des eingetretenen Sachschadens gehören zu den nach § 249 Abs. 2 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist.
Dies ist vorliegend mit den abgerechneten Kosten in Höhe von 578,01 € brutto der Fall. Die Rechnung ist nicht erkennbar überhöht, ein Verstoß der Geschädigten gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit ist nicht zu erkennen.
Zwar ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen. Der Geschädigte ist aber nicht zur Erforschung des ihm zugänglichen Marktes an KFZ-Sachverständigen verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung möglichst preiswerten Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Schädiger kann nur dann den Ausgleich der Sachverständigengebühren in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen und Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Vergütungsvereinbarung aufdrängen muss, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt „deutlich erkennbar“ (BGH, NJW 2014, 1947, 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (BGH, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt (LG Hamburg, Urt. v. 19.03.2015 – 323 S 7/14 Rn. 23 f.).
Auf die Frage, ob und welches Honorar der Geschädigte mit dem Sachverständigen vereinbart hat, bzw. ob das abgerechnete Honorar, wenn es keine konkrete Vereinbarung gibt, üblich und angemessen iSd § 632 Abs. 2 BGB ist, kommt es im Rahmen des Schadensersatzprozesses nicht an. Maßgeblich ist allein, ob sich die Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten.
Dass vorliegend eine evidente Überteuerung des Sachverständigengutachtens vorliegt, kann das Gericht nicht erkennen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die hier berechneten Nebenkosten erkennbar überhöht wären, d.h. die üblicherweise von Sachverständigen der Branche berechneten Nebenkosten deutlich überschreiten und die Geschädigte dies hätte erkennen können.
Bei der Frage, wann von „erkennbar“ überhöhten Preisen auszugehen ist, ist nicht auf Einzelpositionen wie z.B. Foto- oder Fahrtkosten abzustellen, sondern die Überhöhung im Rahmen der Gesamtbetrachtung, d.h. ausgehend von den zu erwartenden Rechnungsendbeträgen, zu beurteilen, da die Gesamthöhe der Rechnung darüber zu entscheiden hat, ob ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Einzelne Positionen sind danach nicht isoliert zu betrachten (LG Hamburg, Urt. v. 19.03.2015 – 323 S 7/14 Rn. 25; Urt. v. 26.03.2015 – 323 S 45/14). Das klägerische Honorar ist nicht für einen Laien erkennbar ersichtlich überhöht. Eine solche evidente Überteuerung der geltend gemachten Sachverständigenkosten unter Berücksichtigung der Gesamtkosten kann sich in der Regel nicht bereits aus der unter Umständen auch deutlichen Überschreitung der BVSK-Honorartabelle ergeben, da einem Laien die Existenz einer solchen Honorartabelle regelmäßig nicht bekannt sein wird und diese Unkenntnis aufgrund der nicht bestehenden Markterforschungspflicht auch nicht zu vertreten ist.
Insbesondere weicht der Gesamtbetrag des Honorars von 578,01 € brutto bei ermittelten Reparaturkosten in Höhe von 1.636,71 € netto auch nicht erheblich von dem durchschnittlichen Sachverständigenhonorar der BVSK-Honorarbefragung 2015 ab. Eine evidente Überteuerung der geltend gemachten Sachverständigenkosten unter Berücksichtigung der Gesamtkosten lässt sich danach nicht begründen. Dies ergibt sich auch bereits aus der verhältnismäßigen Geringfügigkeit des Betrages von 96,01 €, den die Beklagte von der Rechnungssumme von 578,01 € abgezogen hat. Dies zeigt, dass der klägerseits in Rechnung gestellte Betrag nur relativ geringfügig von dem auch von der Beklagten für angemessen erachteten Betrag abweicht. Dies allein widerspricht der „Erkennbarkeit“ einer erheblichen Überschreitung der üblichen Preise.
Eine andere Beurteilung ist vorliegend auch nicht deshalb geboten, weil die Klägerin, der die Beklagte eine überhöhte Honorarforderung vorwirft, durch die Abtretung selbst Gläubigerin des Schadensersatzanspruches geworden ist. Der Erstattungsanspruch der Geschädigten gegen die Beklagte verändert sich nicht durch die nach § 398 BGB erfolgte Abtretung des Anspruchs an den Sachverständigen, sondern wahrt seine Identität und kann daher auch von der Klägerin geltend gemacht werden (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 09.04.2015, Az. 323 S 45/14; Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 398 Rz. 1).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann es auch keinen Unterschied machen, ob sich eine etwaige Überhöhung auf das Grundhonorar oder die Nebenkosten bezieht. Ein Laie kann in der Regel eine Überhöhung der Nebenkosten ebenso schwer erkennen wie eine Überhöhung des Grundhonorars. Denn auch bei ausgewiesenen Nebenkosten ist es bei Schadensgutachten wie dem streitgegenständlichen allgemein üblich, dass diese die Beträge deutlich übersteigen, die der Geschädigte selbst für eine solche Leistung zahlen müsste. Ein Laie kann daher ohne eine nicht zumutbare Markterforschungspflicht nicht erkennen, ob die von dem Sachverständigen abgerechneten Posten der Höhe nach üblich sind und diese in Rechnung gestellt werden dürfen.
Im Übrigen bewegen sich die abgerechneten Fahrtkosten von 9,51 €, die Fotokosten von 38,25 €, die Schreibkosten von 54,34 €, die Kommunikationspauschale von 18,17 € sowie die Portokosten von 1,45 € jedenfalls nicht dermaßen außerhalb des Rahmens von vernünftigen Aufwendungen, dass ein Geschädigter hätte erkennen müssen, dass in der Branche übliche Preise deutlich überstiegen wären.
Auch im Übrigen ist ein Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht nicht zu erkennen.
Die Beklagte hat der Geschädigten die Sachverständigenkosten in Höhe von 578,01 € somit vollumfänglich zu erstatten. Hinsichtlich des unstreitig von der Versicherung der Beklagten gezahlten Betrags in Höhe von 482,00 € ist der Anspruch der Geschädigten durch Erfüllung erloschen. Es verbleibt damit ein Anspruch der Geschädigten gegen die Beklagte auf restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 96,01 €.
b) Des Weiteren hat die Geschädigte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der tatsächlich angefallenen Kosten für die vom Klägervertreter vorgenommene Halteranfrage in Höhe von 5,10 € (vgl. Rechnung vom 27.11.2015, Anlage K 6). Die Einholung dieser Auskunft war zur Geltendmachung des Schadens gegenüber der Beklagten erforderlich, da die Geschädigte wählen darf, wen von mehreren Gesamtschuldnern sie verklagt, ihr die Haltereigenschaft der Beklagten unstreitig unbekannt war und sie sich nicht darauf verweisen lassen muss, nur die Haftpflichtversicherung des unfallgegnerischen Fahrzeuges in Anspruch zu nehmen.
c) Diesen ihr zustehenden Schadensersatzanspruch hat die Geschädigte wirksam an die Klägerin abgetreten, 398 BGB (Anlage K 3, Bl. 51 d. A.). Entgegen der Ansicht der Beklagten bezieht sich die Abtretung erkennbar auf den streitgegenständlichen Unfall zwischen der Beklagten und der Geschädigten am xx.xx.2015 auf dem ……….. in Hamburg, bei dem das bei der Beklagtenfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen xx.xx.xxx und das Fahrzeug der Geschädigten mit dem amtlichen Kennzeichen yy.yy.yyy beteiligt waren. Soweit in der Abtretungserklärung als Unfaftdatum der yy.yy.2015 und nicht der xx.xx.2015 eingetragen ist, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Aufgrund der übrigen Angaben der Abtretungserklärung ist diese hinreichend konkret und abgrenzbar. Insbesondere bezieht sich die Abtretungserklärung entgegen der Ansicht der Beklagten auch auf die Kosten für die Halteranfrage. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 305c BGB bzw. das RDG kann das Gericht nicht erkennen. Die Klägerin kann den Schadensersatzanspruch somit gegen die Beklagte geltend machen.
- Die Klägerin kann als Nebenforderung von der Beklagten Verzugszinsen ab dem 30.09.2015 gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB verlangen. Durch die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Haftpflichtversicherung der Beklagten mit Schreiben vom xx.xx.2015 (Anlage K 5, Bl. 9 d. A.) befindet sich die Beklagte in Verzug. Denn wenn der aus einem Verkehrsunfall Geschädigte den Haftpflichtversicherer des Schädigers in Verzug setzt, kommt damit gemäß § 10 Abs. 5 AKB auch der Schädiger selbst in Verzug. (OLG Nürnberg, Urt. v. 30. 04.1974 – = 7 U 5/74 – Juris).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
So weit und gut das AG Hamburg-Wandsbek.
Hallo, Babelfisch,
eine der bemerkenswerten Passagen aus den Entscheidungsgründen wird man sich merken müssen, da zumindest einige Richterinnen und Richter die Honorarbefragung eines Verrufsverbandes rechtswidrig zur einer bekanntlich verbotenen Überprüfung heranziehen, mangels unkritischer Beurteilung wie eine Gebührenordnung handhaben und damit den vermeintlichen Schadenersatzanspruch auf normative Zubilligung nach ihrer ex post Betrachtung beschränken nach dem Motto: Hier bin Ich der Herrgott und hier darf ich´s sein.Schadenersatzrechtlich richtig ist jedoch:
„Einzelne Positionen sind danach nicht isoliert zu betrachten (LG Hamburg, Urt. v. 19.03.2015 – 323 S 7/14 Rn. 25; Urt. v. 26.03.2015 – 323 S 45/14). Das klägerische Honorar ist nicht für einen Laien erkennbar ersichtlich überhöht. Eine solche evidente Überteuerung der geltend gemachten Sachverständigenkosten unter Berücksichtigung der Gesamtkosten kann sich in der Regel nicht bereits aus der unter Umständen auch deutlichen Überschreitung der BVSK-Honorartabelle ergeben, da einem Laien die Existenz einer solchen Honorartabelle regelmäßig nicht bekannt sein wird und diese Unkenntnis aufgrund der nicht bestehenden Markterforschungspflicht auch nicht zu vertreten ist.“
Was wäre – möglicherweise – eine „evidente“ bzw. „deutlich erkennbare erhebliche “ Überteuerung aus der ex ante Sichtweise des Geschädigten? Diese Frage Ist eigentlich garnicht zu beantworten, denn dazu geeignete Beurteilungskriterien sind vor und bei Auftragserteilung überhaupt für ihn nicht verfügbar und bei Erhalt des Gutachtens mit Rechnung auch nicht. Irgendwelche Honorarbefragungungen und deren Bedeutung muss er ebensowenig kennen, wie ein HUK-Coburg Honorartableau. Also „deutlich erkennbare Überteuerung“ in Relation zu…..und in welcher Größenordnung? Manche Gerichte gehen indes vom Doppelten bis hin zum Vielfachen aus, andere Gerichte von der zu unterstellenden Wuchergrenze. Kürzungen jedweder Art bewegen sich in der Regel jedoch weit unterhalb solcher Größenordnungen, wie man auch hier sieht und allein von daher darf man nahezu regelmäßig unterstellen, dass die unsubstantiierten Einwendungen/ Behauptungen nicht e r h e b l i c h sind.
Dieser Ansatz erspart in Verbindung mit § 249 BGB XXL-Entscheidungsgründe.
Hasse noch ne Frage ?