Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
nach dem beachtenswerten Beitrag von Hans Dampf heute vormittag stelle ich jetzt erst hier ein im Ergebnis positives Urteil aus Pirmasens zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG und deren Versicherungsnehmer vor, damit ausreichend Zeit der Beitrag von Hans Dampf oben bleibt. Nun also ein weiteres Urteil gegen die auch in dem Beitrag erwähnte HUK-COBURG. Im konkreten Fall war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, die wieder rechtswidrig den Schadensersatzanspruch des Geschädigten auf Erstattung der Sachverständigenkosten gekürzt hatte. Um nicht auf ihm zustehenden Schadensersatz zu verzichten, nahm der Geschädigte – zu Recht – gerichtliche Hilfe gegen die HUK-COBURG und ihren Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner in Anspruch. Das erkennende Gericht sprach dem Geschädigten zwar den restlichen Schadensersatz zu. In der Urteilsbegründung wurde aber leider eine Einzelpositionsüberprüfung nach werkvertraglichen Kriterien einschl. Zeugenbefragung des Sachverständigen vorgenommen. Werkvertragliche Gesichtspunkte haben im Schadensersatzrecht nichts zu suchen. Es geht nicht um restlichen Werklohn, sondern um Schadensersatz, der sich bekanntlich nach § 249 BGB richtet. Die Einzelpositionenüberprüfung war schadensersatzrechtlich nicht veranlasst. Das gleiche gilt für die Zeugenvernehmung des Sachverständigen. Die Beweisaufnahme war relationstechnisch völlig überflüssig, denn der werkvertraglich orientierte Einwand der Beklagten war unerheblich. Der von den Beklagten gemachte Hinweis auf Üblichkeit und Ortsüblichkeit ist im Schadensersatzrecht unerheblich, das heißt das erkennende Gericht muss ihm gar nicht nachgehen. Das kommt aber von den unsinnigen, weil fehlerhaften Schriftsätzen der Versicherungsanwälte. Da wird häufig mit werkvertraglichen Argumenten operiert, obwohl ein Schadensersatzprozess entschieden werden soll. Nur solche Richterinnen und Richter, die im Schadensersatzrecht nicht sattelfest sind, lassen sich auf die werkvertragliche Nebenstraße leiten. Aber was soll man auch von Richterinnen oder Richtern erwarten, wenn sie von versicherungstreuen Dozenten geschult werden? Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
4 C 30/16
Amtsgericht
Pirmasens
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
1. …
– Beklagte –
2. HUK Coburg Allgemeine Vers. AG, vertreten durch d. Vorstand, d. vertr. d. Herrn Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz aas Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Pirmasens durch die Richterin G. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.08,2016 für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 203,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.304,54 € vom 03.02.2016 bis zum 19.02.2016 und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 203,70 € seit 30.02:2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Gemä § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Auf dieser Grundlage waren die Beklagten als Gesamtschuldner antragsgemäß zu verurteilen.
I.
Die Kiage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 203,70 € aus §§ 115 VVG, § 7 Abs.1 StVG, §§ 823, 249 BGB.
1.
Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind dem Grunde nach gemäß § 249 Abs. 2 S.1 BGB als Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig (Palandt/Grüneberg, 73. Aufl. 2014, § 249 Rn. 58). Die Kosten waren dabei auch in der geltend, gemachten Höhe erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind als erforderlich diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage das Geschädigten machen würde. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehsbung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Grundanliegen der Vorschrift des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist es gerade, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen. Deshalb ist bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten eine subjektbezogene Schadensbetrachtung vorzunehmen, d.h. es ist Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf gerade für ihn bestehende Schwierigkeiten. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen, insbesondere muss er nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsälze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gsbietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen xu beauftragen (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13).
Der Kläger hat nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofes durch die Vorlage der Sachverständigenrechnung seiner Darlegungslast genügt. Denn die tatsächliche Rechnungshohe stellt nach dieser Rechtsprechung ein wesentliches Indiz für die Erforderlichkeit nach § 249 Abs. 1 S.1 BGB dar (BGH, Urteil vom 11.02.2014, aaO). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Honorarforderung des Saohverständlgenbüros für den Kläger deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen lag. Dies würde gerade Vorkenntnisse hinsichtlich der in der Branche üblichen Sachverständigenkosten voraussetzen, die von einem Laien nicht erwartet werden können und die auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gerade nicht varlangt. Der Kläger konnte als Laie vielmehr davon ausgehen, dass die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Beträge dem entsprechen, was üblicherweise für eine entsprechende Begutachtung verlangt wird. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, aufgrund derer der Kläger als Laie an der Höhe des Sachverständigenhonorars hätte zweifeln müssen. Er war insbesondere nicht zu weiteren Verhandlungen oder Marktforschungen verpflichtet. Die Beklagten haben überdies selbst nicht vorgetragen, bei welchem ortsnahen Sachverständigen eine günstigere Begutachtung möglich gewesen wäre.
Dabei ist auch der von den Beklagten gerügte Umstand, dass die Abrechnung des Grundhonorars nicht mit Rücksicht auf den Zeitaufwand erfolgte, unbedenklich. Eine wie vorliegend an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars trägt nämlich dem Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten ist (vgl. BGH VersR 2007, 560).
2.
Auch hinsichtlich der Nebenkostenforderung bestehen keine Bedanken.
Die Nebenkosten sind zusätzlich zu der Pauschalierung des Grundhonorars zu erstatten (vgl. etwa KG Berlin, Urteil vom 30.04.2015 – 22 U 31/14). Dass ein Sachverständiger sein „Grundhonorar“ für die Ingenieurleistung in pauschaler Weise an der Schadenshöhe orientiert, hindert ihn nicht daran, zusätzlich „Nebenkosten“ pauschal oder nach ihrem tatsächlichen Anfall zu berechnen. Die Abrechnungsart ist werkvertraglich zulässig und in den Honorarordnungen einzelner Berufsgruppon ausdrücklich vorgesehen. Auch schadensrechtliche Bedenken gegen die Erstattungsfähigkeit einer solchermaßen aufgespaltenen Abrechnung in pauschalierte „Grund-“ und individualisierte „Nebenkosten“ bestehen nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum die Arbeitsleistung nicht pauschal abgerechnet werden soll und daneben noch die tatsächlich angefallenen Auslagen. Diese Abrechnungsart ist nicht zu beanstanden, zumal sie auch von Gebührenordnungen, wie etwa dem RVG, gewählt wird. Außerdem sind derartige Feinheiten der Abrechnung für einen verständigen Laien nicht zu erkennen.
Aus der zugrunde zu legenden Sicht eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Laien bestehen gegen die Abrechnung der Nebenkosten im vorliegenden Fall keine Bedenken.
Es trifft zwar vordergründig zu, dass Konten von 2,55 € /1,65 € für ein Bild und die geltend gemachten Schreib- und Kopierkosten hoch erscheinen. Das gilt aber nur bei isolierter Betrachtung dieser Positionen. Für einen Laien ist – auch im Maßstab eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen – regelmäßig nicht nachzuvollziehen, welche sonstigen Kostenautwendungen hinter der Fertigung von Bildern, deren Einfügung in das Gutachten und dem Ausdruck stehen (vgl. AG Hamburg Altona, Urteil vom 26.09.2011, Az. 314a C 91/11, NJW-RR 2012, S. 231). So hat der Sachverständige im Rahmen seiner Zeugenvernehmung dem Gericht selbst geschildert, dass zur Fertigung der Lichtbilder für das Gutachten Farbdrucker, Farbpapier und eine entsprechende Kamera benötigt werden. Dabei wird insbesondere das Farbpapier nicht gesondert in Rechnung gestellt sondern innerhalb der Position Lichtbilder mitabgerechnet. Auch etwa fürTelefon- und Fahrtkosten kann der Laie nicht überschauen. In welchem Verhältnis in der Preiskalkulation des Gutachters dessen Betriebsausgaben für die Anschaffung und Instandhaltung zum Beispiel von Telefonanlage und Pkw einfließen.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Zeuge … dem Gericht überdies bestätigt, dass die berechneten Nebenkosten allesamt auch tatsächlich angefallen sind. So hat der Sachverständige dem Gericht insbesondere bekundet, dass eine EDV-Abrufgebühr und daneben auch eine EDV-Fahrzeugbewertung angefallen sind. Dia Fahrzeugbewertung wurde zusätzlich zu den sonstigen Audatex-Abrufen getätigt und konnte demgemäß gesondert abgerechnet werden. Auch die Bereohnungsmethoden für die Abrechnung dieser beiden Positionen hat der Sachverständige dem Gericht schlüssig dargelegt. Eine überschlägige Kalkulation unter Berücksichtigung der anfallenden Gesamtkosten für den Bezug der entsprechenden Programme dividiert durch die Gesamtzahl der erstatteten Gutachten begegnet beim Gericht keinen Bedenken.
Soweit der Anfall der Fahrt- und Kopierkosten bestritten wurden, dringen die Beklagten hiermit ebenfalls nicht durch. Der Zeuge … hat dem Gericht sowohl seine zurückgelegten Kilometer als auch die Anzahl der erstellten Gutachtenoriginale und Duplikate schlüssig dargelegt. Insbesonndere kann auch das Argument nicht greifen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich selbst habe eine Kopie machen können. Hierzu ist dieser schon aus urheberrechtlichen Gründen nicht befugt.
Auch die Einwendungen gegen die Schreibkosten haben keinen Erfolg. Der Sachverständige hat dem Gericht glaubhaft bekundet, dass Papier und Schreibkräfte benötigt werden, die im Grundnonorer nicht bereits mit abgedeckt sind. Insbesondere variiere die Blattzahl von Gutachten zu Gutachten, sodass sich etwa der Papierverbrauch schon der Sache nach gar nicht in das Grundhonorar einbeziehen lasse. Dies erscheint dem Gericht plausibel, insoweit kann es auch nicht darauf ankommen, ob vom Sachverständigen Textbausteine verwendet werden. Denn auch diese Textbausteine müssen zusammengesetzt und vom Personal geschrieben werden.
Zuletzt erscheint dem Gericht auch der Betrag in Höhe von 18,15 € für Briefporto, Telefon, E-Mail und Fax-nicht überhöht. Hier ist neben den direkt anfallenden Kosten auch der Personalbedarf zu berücksichtigen, der insbesondere für den Versand anfällt sowie die Kosten etwa der Betreibung der Telefonanlage.
Die berechneten Nebenkosten halten damit insgesamt einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO stand und sind in diesem Rahmen nicht zu beanstanden.
3.
Auch ein Verstoß gegen die Schadenamindenmgspflicht ist nach alledem nicht ersichtlich. Dem Gericht ist nicht erkennbar, dass der Kläger Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte (BGH, Urteil vom 11.02.2014, aaO). Dies ist von den Beklagten auch nicht vorgetragen.
4.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB.
5.
Hinsichtlich der zwischenzeitlich beglichenen weiteren Hauptforderung in Höhe von insgesamt 3.304,54 € waren dem Kläger die geltend gemachten Zinsen zuzusprechen. Die Beklagten waren bis Einreichung der Klage mit der Zahlung dieser Hauptforderung in Verzug, §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 283 BGB. Sie haben trotz entsprechender Mahnung keine Zahlungen erbracht.
II.
Die Kostenentschsidung beruht auf §§ 91, 289 Abs. 3 S. 3 ZPO. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, waren diese Kosten ebenfalls den Beklagten aufzuerlegen. Denn sie haben in Höhe der Klagerücknahme erst nach Anhängigkeit der Klage Zahlungen geleistet und somit zur Hinreichung der Klage Anlass gegeben. Dabei haben sie durch die Zahlungen zu erkennen gegeben, dass die ursprüngliche Forderung des Klägers berechtigt war. Im Falle einer streitigen Entscheidung wären sie also voraussichtlich unterlegen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Beschluss
Dar Streitwert wird auf 3.304,54 € bis 28.02.2016 und auf 203,70 € seit dem 29.02.2016 festgesetzt.
G.
Richterin
Verkündet am 25.08.2016