AG Otterndorf verurteilt HUK 24 AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit lesenswertem Urteil vom 15.8.2016 – 2 C 179/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,

nach dem lesenswerten Urteil des AG Mitte gegen die HUK-COBURG, das wir Euch heute Mittag vorgestellt hatten, setzen wir unsere Reihe mit lesenswerten Urteilen gegen die HUK-COBURG fort. Nachfolgend stellen wir Euch  hier ein Urteil aus Otterndorf zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK24 AG vor. Das angerufene Amtsgericht Otterndorf musste über von der HUK 24 AG rechtsawidrig gekürzte Sachverständigenkosten nach einem vom Unfallverursacher, der bei der HUK 24 AG haftpflichtversichert ist, verursachten Verkehrsunfall entscheiden. Mit lesenswerter Begründung wurde sämtliche von der HUK 24 AG vorgebrachten Argumente zur Seite geschoben. Zu Recht, wie wir meinen. Zu Recht wurde die HUK 24 AG auch zur Zahlung der restlichen berechneten Kosten des Sachverständigen verurteilt. Denn diese Kosten gehören zu den unmittelbar mit dem Schaden verbundenen Vermögensnachteilen, die über § 249 I BGB auszugleichen sind (vgl. BGH VI ZR 365/03; BGH VI ZR 67/06). Zu Recht hat das erkennende Gericht abschließend auch darauf hingewiesen, dass es Sache der Beklagten ist, sich mit dem Sachverständigen wegen seiner Kosten auseinanderzusetzen. Das ist ebenfalls zutreffend, denn der Sachverständige ist nicht der Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Vielmehr ist er Erfüllungsgehilfe des Schädigers. Denn dessen Verpflichtung ist es, den vorherigen Zustand wiederherzustellen. Daher hat das Gericht zu Recht den Schädiger bzw. dessen Versicherer auf den Vorteilsausgleich verwiesen (vgl. Imhof / Wortmann DS 2011, 149 ff.). Lest aber selbst das Urteil des AG Otterndorf und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

Amtsgericht
Otterndorf

2 C 179/16                                                                                         Verkündet am 15.08.2016

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

HUK24 AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch die Vorstandsvorsitzenden Detlef Frank und Daniel Thomas, Bahnhofsplatz 1, 96442 Coburg

Beklagte

hat das Amtsgericht Otterndorf im Verfahren gem. § 495 a ZPO auf die mündliche Verhandlung vom 01.08.2016 am 15.08.2016 durch die Richterin am Amtsgericht Dr. B. für Recht erkannt:

1.     Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 64,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2016 zu zahlen.

2.     Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.     Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des

Tatbestandes

wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 64,80 EUR gemäß §§ 7, 17 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG aus einem Verkehrsunfall, der sich am xx.01.2016 gegen 14:15 Uhr auf der L111 in Geversdorf-Dingwörden ereignete.

Die Haftung der Beklagten für den Schaden der Klägerin als Geschädigte ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten über die Höhe des Schadensersatzes.

Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 13). Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 13).

1.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Freihaltung von weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 64,80 EUR.

Die mit Rechnung vom 29.01.2016 (Anlage K2, Bl. 25 d.A.) geltend gemachten Gutachterkosten waren von der Beklagten in Höhe von 613,80 EUR zu ersetzen, also über die bereits gezahlten 549,00 EUR hinaus weitere 64,80 EUR.

Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen und zu dem nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs und zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2004, Az. VI ZR 365/03, Rz. 16). Dies ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Sie streiten lediglich über die Höhe der erforderlichen Kosten.

Ob und in welchem Umfang die Sachverständigenkosten erforderlich sind, richtet sich danach, was aus Sicht eines verständigen wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint, wobei auf den Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen ist (BGH, Urteil vom 30.11.2004, Az. VI ZR 365/03, Rz. 17). Sofern der Geschädigte die Kosten der Schadensbeseitigung beeinflussen kann, hat er im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zu wählen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 17). Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit des Herstellungsaufwandes ist jedoch auf die in der speziellen Situation des Geschädigten bestehenden Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 17). Maßgeblich ist danach, ob sich die an den Sachverständigen zu zahlenden Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 14). Solange die Erforderlichkeit gewahrt ist, kommt eine Preiskontrolle danach nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 13).

Mangels Tarifübersichten ist es dem Geschädigten nicht möglich, die Tarife der Sachverständigen zu überprüfen, so dass der Geschädigte den aus seiner Sicht notwendigen Ersatz verlangen kann, solange sich ihm nicht eine Willkür oder auffälliges Missverhältnis bei der Festsetzung des Sachverständigenhonorars aufdrängen muss (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 29.11.2010, Az. 1 S 197/10; AG Straubing, Urteil vom 23.03.2009, Az. 2 C 163/09). Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes ist der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (AG Berlin-Mitte, Urteil vom 22.09.2009, Az. 3 C 3227/09). Dasselbe gilt für die weiteren Kosten wie Foto-, Fahrt- und Telekommunikationskosten. Jedoch verbleibt bei dem Geschädigten das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigung einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, Rz. 17). Liegen die vom Sachverständigen berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so fehlt ihnen die Geeignetheit, den erforderlichen Aufwand abzubilden (BGH, Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13, Rz. 17).

Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der von ihm beglichenen Sachverständigenrechnung. Der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH, Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13, Rz. 16; BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13, Rz. 8). Die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten schlagen sich darin regelmäßig nieder.

Dem Geschädigten kann daher der Einwand überhöhter Abrechnungen erst dann entgegengehalten werden und eine Ersatzfähigkeit verneint werden, wenn aus der laienhaften Sicht des Geschädigten offensichtlich erkennbar war, dass der Sachverständige sein Honorar willkürlich festsetzt bzw. bei auffälligem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung (LG Stade, Urteil vom 07.12.2015, Az. 1 S 12/15). Bei der Bemessung der Schadenshöhe ist zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen (BGH, Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13, Rz. 17). Eine Überprüfung der Ersatzfähigkeit der Sachverständigenkosten allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes ist nicht ausreichend (BGH, Urteil vom 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13, Rz. 9).

Soweit die Beklagte ausführt, die zitierte Rechtsprechung des Landgerichts Stade sei überholt, so kann dem nicht gefolgt werden. Der BGH hatte, genau wie das Landgericht Stade, einen Fall zu beurteilen, in dem der Sachverständige selbst sein Honorar aus abgetretenem Recht einklagte. Für den Fall, dass der Sachverständige die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten geltend macht, hat das Landgericht Stade in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH eine volle Überprüfbarkeit der Höhe der Einzelposten der abgerechneten Sachverständigenkosten unter Entgegenhaltung der dolo-agit-Einrede vorgenommen. Diese Konstellation liegt hier ersichtlich nicht vor. Vielmehr klagt der Geschädigte selbst, so dass eine Überprüfung lediglich insofern erfolgt, ob die Sachverständigenkosten in erkennbar offensichtlichem Missverhärtnis zur geschuldeten Leistung stehen. Genau diese Anforderungen stellt auch der BGH auf.

Ein derart ersichtliches Missverhältnis bzw. Willkür ist hier jedoch nicht ersichtlich. Bei Reparaturkosten ausweislich des Schadensgutachtens vom 29.01.2016 in Höhe von 2.176,26 EUR und Sachverständigenkosten in Höhe von 613,80 EUR ist nicht ersichtlich, dass von dem Geschädigten hier eine Monierung hätte verlangt werden müssen. Darüber hinaus erachtet die Beklagte einen Betrag in Höhe von 549,00 EUR offenbar selbst für angemessen, denn diesen Betrag hat sie bereits an den Kläger geleistet, was lediglich einen Differenzbetrag in Höhe von 64,80 EUR ausmacht, der noch im Streit steht.

Sonstige Umstände, die den Kläger zu dem Schluss hätten bewegen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen im Verhältnis zum Unfallschaden die in der Branche üblichen Sätze deutlich übersteigt, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Die Beklagte hat nur dazu vorgetragen, dass die Kosten des Sachverständigen, insbesondere die Nebenkosten, übersetzt seien, nicht jedoch weitere Umstände vorgetragen, wonach der Kläger eine mögliche Übersetztheit hätte erkennen müssen.

Soweit die Beklagte unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung (Urteil vom 26.04.2016, Az. VI ZR 50/15) anführt, der Beklagte habe die Übersetztheit der Nebenkosten erkennen müssen, da es sich bei Aufwendungen für Lichtbilder, Kopien und Druck um Kosten des täglichen Lebens handele, mit denen ein Erwachsener üblicherweise im Alltag konfrontiert ist, so kann dies zu einer anderen Beurteilung nicht führen. Zum einen ist erneut klarzustellen, dass diese Klarstellung des BGH im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit der Sachverständigenkosten in der Konstellation erfolgte, in der der Sachverständige selbst aus abgetretenem Recht auf Zahlung seines Honorars klagte. Zum anderen war es in dem von dem BGH Fall so, dass die Nebenkosten die Sätze des vom BGH als Grundlage herangezogenen JVEG deutlich überstiegen. So ist der Fall im hier zugrunde liegenden Fall aber gerade nicht. Die Nebenkosten liegen im Wesentlichen innerhalb der Wertgrenzen des JVEG. Es ist demnach gerade nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Kosten für das Gutachten in einem Maße überhöht sind, als dass ein Laie, bzw. hier konkret der Kläger, Anlass gehabt hätte, diese zu überprüfen.

Soweit die Beklagte anführt, der Kläger hätte aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit und Erfahrung Kenntnis von der Materie und kenne sich mit Kostenkalkulationen aus, so kann auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Der Kläger, gemäß § 141 ZPO persönlich angehört, hat glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er zwar im Rahmen seiner früheren beruflichen Tätigkeit gelegentlich mit Versicherungsschäden zu tun gehabt habe und in diesem Rahmen auch hin und wieder einen Schadensgutachter beauftragen bzw. Kostenvoranschläge für Reparaturen erstellen musste oder Sachverständige in seiner Werkstatt zum Zwecke der Schadensschätzung waren, er sich jedoch mit den Preisen der Gutachter weder auseinander gesetzt hat noch auseinandersetzen musste. Vielmehr hatte er mit den Sachverständigenhonoraren nichts zu tun, sondern betraf dies lediglich das Verhältnis zwischen Schadensregulierer, Schädiger und Geschädigten, Darüber hinaus hat der Kläger plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass für ihn die Beauftragung des Sachverständigen Hölting nahe lag und er sich bei der Beauftragung mit diesem nicht über Preise unterhalten habe. Da es sich um eine erforderliche Position im Rahmen der Feststellung des durch den Unfall entstandenen Schadens gehandelt habe, habe er sich auch keine Gedanken darum gemacht, wieviel das Gutachten kosten würde. Genauso hat der Kläger dargelegt, dass ihm auch bei der Übersendung der Rechnung des Sachverständigen nichts aufgefallen sei, was ihn zu Zweifeln an der Angemessenheit der Kosten veranlasst hätte.

Es ist letztlich Sache der Beklagten, sich gegen die abgetretenen Forderungen des Sachverständigen ihr gegenüber mit dem Sachverständigen und dessen Honorarforderungen auseinander zu setzen.

2. Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 291, 288 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen. Die Gründe für eine Berufungszulassung gemäß § 511 IV ZPO sind nicht gegeben. Es besteht weder Bedarf zur Klärung wichtiger Rechtsfragen noch wäre die Berufungszulassung zur Herstellung der Rechtseinheit erforderlich. Das Urteil entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung sowohl des Landgerichts Stade als auch des BGH. Soweit die Beklagte .ausführt,die Rechtsprechung des_Landgerichts Stade sei durch die neuere Rechtsprechung des BGH überholt, so kann dem nicht gefolgt werden. Sowohl der BGH als auch das Landgericht Stade stellen die Voraussetzung im Hinblick auf die Prüfpflichten des Geschädigten auf, dass eine Ersatzpflicht bezüglich der Sachverständigenkosten dann auszuschließen ist, wenn für den Geschädigten erkennbar war, dass ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestanden hat. Diese Prüfung ist hier erfolgt, eine Erkennbarkeit verneint worden.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Haftpflichtschaden, HUK-Coburg Versicherung, Rechtliches Gehör, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert