AG Köln verurteilt die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit lesenswertem Urteil vom 17.3.2016 – 270 C 80/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

von Bochum geht es mit Urteilen gegen die HUK-COBURG weiter nach Köln. Wieder meinte die HUK-COBURG, eigenmächtig die berechneten Sachverständigenkosten kürzen zu können, obwohl der BGH bereits mit dem Grundsatzurteil VI ZR 225/13 die Frage der Kürzungen im Rechtsstreit des Geschädigten gegen den Schädiger bzw dessen Haftpflichtversicherer entschieden hatte. Aber das Urteil schmeckt der Versicherungswirtschaft und insbesondere der HUK-COBURG nicht. Gleichwohl ist es auch von der HUK-COBURG zu beachten. Daher hat das erkennende Gericht – zu Recht – die beklagte HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten verurteilt. Daran haben auch die bundesweit agierenden Anwälte BLD für die HUK-COBURG nichts ändern können. Diese haben noch nicht einmal ausreichend die angebliche Schadensgeringhaltungspflichtverletzung durch den Geschädigten dargelegt. So hat das erkennende Gericht mit zutreffender Begründung darauf abgestellt, dass die behauptete Überhöhung für den Geschädigten nicht erkennbar war. Dass eine möglicherweise erheblich überhöhte Rechnung für den Geschädigten – mit seinen beschränkten Erkenntnismöglichkeiten – erkennbar gewesen wäre, hätte der Schädiger darlegen und beweisen müssen. Lest selbst das ordentlich begründete Urteil des AG Köln und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

270 C 80/15

Amtsgericht Köln

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn D. G. aus K. ,

Klägers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. u. P. aus A. ,

gegen

die HUK-Coburg Allgem. Vers. AG, vertr. d. d. Vorstand, Gereonsdriesch 13, 50670 Köln,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BLD aus K. ,

hat das Amtsgericht Köln, Abt. 270
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO
am 17.03.2016
aufgrund der bis dahin eingegangenen Schriftsätze
durch die Richterin S.
f ü r   R e c h t   e r k a n n t :

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 72,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.2014 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand gemäß § 313 a ZPO

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weiter gehenden Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 ff. BGB, § 115 VVG in der tenorierten Höhe.

Gemäß § 7 Abs. 1 StVG haftet der Halter eines Fahrzeuges für sämtliche Schäden, die beim Betrieb des Fahrzeuges verursacht werden.

Die Schadensersatzpflicht der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist alleine, in welcher Höhe ein ersatzfähiger Schaden in Gestalt von Sachverständigenkosten eingetreten ist.

Der Kläger hat mit der Beauftragung des Sachverständigenbüros nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Beklagte hat deshalb auch die weiteren Kosten für das durch den Kläger beauftragte Gutachten des Sachverständigen als zur Schadensfeststellung erforderliche Kosten zu ersetzen.

Der Kläger hat mit der Beauftragung des Sachverständigenbüros nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Die Beklagte hat deshalb auch die weiteren Kosten für das durch den Kläger beauftragte Gutachten des Sachverständigen als Schadensfeststellung erforderliche Kosten zu ersetzen.

Der Kläger durfte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW beauftragen und kann von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.). Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des erkennenden Gerichts diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde.

Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (vgl. BGH a.a.O.). Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02 -, juris). Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine
subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90 – juris). Maßgeblich ist, ob die nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlicher Herstellungsaufwand verlangten Kosten vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet dem Geschädigten, den Schaden auf diejenige Weise zu beheben, die sich in seiner individuellen Lage, d.h. angesichts seiner Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung etwaiger gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten, als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12 – juris).

Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne Weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 – juris, m.w.N.). Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1  BGB. In der tatsächlichen Rechnungshöhe schlagen sich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 471/12 – juris).

Die Forderung des Sachverständigen gegen den Kläger wurde vollumfänglich ausgeglichen. Hieran bestehen nach Vorlage der entsprechenden Bestätigung des Sachverständigen vom 07.07.2015 (Anlage zum Schriftsatz vom 04.08.2015) keine durchgreifenden Zweifel mehr.

Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 -, juris, m.w.N.). Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 -, juris, m.w.N.).

Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht hierbei grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1996 – VI ZR 138/95 -, juris). Solche Umstände, die für den Kläger erkennbar waren, sind hier nicht dargelegt worden.

Mit diesen Grundsätzen sind, auch im Rahmen der freieren Stellung des erkennenden Gerichts bei der Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO, die Erwägungen nicht zu vereinbaren, mit denen die Beklagte hier zu einer Kürzung der vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten gelangt ist. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat das Gericht zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. BVerfG NJW 2010, 1870 Rn. 19). Nach diesen Maßstäben durfte die Beklagte nicht die dem Kläger vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes oder der Rechtsprechung zu dieser Thematik kürzen. Nur wenn der Kläger hätte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet  das  schadensrechtliche  Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, juris).

Solche Umstände lagen hier nicht vor. Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet. Dem Kläger musste auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare oder die Rechtsprechung zu dieser Thematik bekannt sein. Damit fallen aber die geltend gemachten Kosten nicht von vornherein aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens erforderlichen Geldbetrags nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Die Beklagte hätte deshalb vorliegend darlegen und beweisen müssen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Allein der Umstand, dass die vom Schadensgutachter vorliegend abgerechneten Nebenkosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, rechtfertigt die Annahme eines solchen Verstoßes des Klägers allerdings noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13 – juris, m.w.N.).

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: 72,32 EUR

Entscheidung über die Zulassung der Berufung:

Da mit dieser Entscheidung für keine Partei die zur Eröffnung der Berufung führende
Beschwer von über 600,00 € erreicht ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem
Ermessen die Zulassung der Berufung zu prüfen, § 511 Abs. 4 ZPO.Die Berufung ist
danach nicht zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache ihre Entscheidung allein aus den  Umständen des vorliegenden Falles gefunden hat und somit weder grundsätzliche   Bedeutung besitzt oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ZPO.

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3 Antworten zu AG Köln verurteilt die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten mit lesenswertem Urteil vom 17.3.2016 – 270 C 80/15 -.

  1. Huk-Hohlspiegel sagt:

    Hallo, Willi Wacker,

    danke für die Kommentierung und Einstellung dieses beachtenswerten Urteils.
    WIR würden diesem Urteil die Überschrift zukommen lassen:

    „Auch Richterin S. des AG Köln entlarvt das Kürzungsschreiben der HUK-COBURG-Vers. als Mogelpackung“.

    HUK-Hohlspiegel

  2. Eckstein sagt:

    @HUK-Hohlspiegel
    das passt! Gerade weil das Kürzungsschreiben einen solchen Charakter hat, grüßt zum Abschluss -rein vorglich- nur ein anonymes Schadenteam. Wer jedoch seine Mitarbeiter so zu Marionetten seiner Anweisungen degradiert, züchtet geistige Krüppel. Feedback ist überhaupt nicht erwünscht und wenn doch gestartet, dann kannst Du in der Regel nur noch den Textbaustein erwarten: „Bezüglich der Gutachterkosten verbleiben wir bei unserer Abrechnung. Mit freundlichen Grüßen“

    Das mit dem weiteren Vortrag ist danach wohl kaum ernst gemeint.

    Unabhängig davon hat das LG Essen jedoch mit Berufungsurteil vom 19.1.2016 – 15 S 123/15 -) der auch hier Beklagten deutlich gemacht, dass die versicherungsseitig angelegten Maßstäbe schadenersatzrechtlich nicht relevant sind u.a. diesbezüglich ausgeführt:

    „An Richtlinien und Tabellen der Haftpflichtversicherer sind der Geschädigte und der Sachverständige nicht gebunden.“

    Dazu passt wiederum die Überlegung der Berufungskammer des LG Bochum:

    „Das Honorartableau der Beklagten kann bereits deswegen nicht als Schätzgrundlage im Rahmen des § 287 ZPO herangezogen werden, weil nicht ersichtlich ist, wie die dortigen Zahlen zustande gekommen sind, so dass ihre Verlässlichkeit nicht beurteilt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann zudem nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass das Tableau ausschließlich von den Interessen der Beklagten geprägt ist.“

    Aber vielleicht ist die HUK-Coburg Versicherung je möglicherweise auch der Beurteilung erlegen, dass es sich bei den Personen auch dieser beiden Berufungskammern ebenfall nur um nicht verständige und nicht wirtschaftlich denkende Mensch handeln muss, den sogar das LG Coburg hat ja nun mal andere Kriterien ins Feld geführt, die zur Kürzungspraxis besser passen.
    Eckstein

  3. G.v.H. sagt:

    @Eckstein
    Auch im Versicherungsbereich ist Dienstleistungsqualität nicht das, was Anbieter verlockend definieren, sondern das, was die Autofahrer bzw. Versicherungsnehmer bei geschäftlich seriöser Handhabung erwarten, also auch eine auf ehrliche Kommunikation bedachte und gepflegte Unternehmenskultur. Allein scheinbar preiswert und billig ist eben längst noch nicht genug. Die Grundlage für Wertschöpfung heißt Wertschätzung.
    G.v.H.

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