LG Zweibrücken entscheidet im Rechtsstreit gegen HDI Global SE zu Gunsten des fiktiv abrechnenden Geschädigten und entscheidet zur fiktiven Abrechnung, zu den vorgerichtlichen Anwaltskosten, zu den Sachverständigenkosten und zur Unkostenpauschale mit Urteil vom 6.9.2016 – 1 O 85/16 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

zum heutigen Sonntag stellen wir Euch als Wochenendlektüre noch ein Urteil aus Zweibrücken zur fiktiven Schadensabrechnung, zu den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, zur Unkostenpauschale und zu den Sachverständigenkosten gegen die HDI Global SE vor. Jetzt argumentiert die HDI sogar damit, dass die Verweisungsmöglichkeit auch bei nachgewisener Scheckheftpflege angenommen werden müsste. Dem ist – zu Recht – das erkennende Gericht mit seinem Urteil vom 6.9.2016 – 1 O 85/16 – nicht gefolgt. Alles in allem eine runde Entscheidung des Amtsrichters beim Landgericht Saarbrücken, wie wir meinen. Lest aber selbst und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare bekannt.

Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag.
Willi Wacker

Aktenzeichen:
1 0 85/16

Landgericht
Zweibrücken

IM NAMEN DES VOLKES

Schlussurteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

HDI Global SE …

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken durch den Richter am Amtsgericht H. als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.08.2016 für Recht erkannt:

1.     Die Beklagte wird verurteilt, über den bereits anerkannten Betrag gemäß dem Teilanerkenntnisurteil der Kammer vom 10.08.2016 an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 3.107,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 11.764,82 € seit 12.03.2016 zu zahlen.

2.      Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 490,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß dem Teilanerkenntnisurteil der Kammer an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 3107,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem,jeweiligen Basiszinssatz aus 11.765,38 Euro seit 12.03.2016 zu zahlen.

3.      Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 491,00 Euro außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Auch wenn das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt noch keine drei Jahre alt war, müsse sich die Klägerin auf die Kosten einer freien Fachwerkstatt verweisen lassen. Denn das Fahrzeug habe schon vor der Besitzzeit der Klägerin einen Totalschaden erlitten. Im TÜV-Gutachten sei die Rede davon, dass nur eine Reparatur in mittlerer Qualität durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe das Fahrzeug dann als Unfallwagen unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung gekauft. In einem solchen Fall gebe es keine Gewährleistungs- oder Garantieansprüche mehr, die gefährdet sein könnten. Aus diesem Grunde könnten die Überlegungen des BGH zur Dreijahresfrist nicht eingreifen. Die Klägerin habe im Umfang des von der Beklagten erklärten Teilanerkenntnisses die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Schließlich seien die Sachverständigenkosten nicht zu erstatten, weil die Klägern den Sachverständigen … nicht über die Vorschäden an der Front des Pkw informiert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26.08.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist weitgehend begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte in der ausgeurteilten Höhe nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Die Klägerin kann im vorliegenden Fall auf Gutachtenbasis abrechnen. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin das Fahrzeug weiter nutzt. Mittlerweile ist ebenfalls unstreitig, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß in Stand gesetzt worden ist. Andernfalls hätte es die Hauptuntersuchung nicht ohne festgestellte Mängel bestanden.

Die Reparaturkosten kann die Klägerin auf der Basis des von ihr eingeholten Gutachtens des Sachverständigen … erstattet verlangen, das heißt in Höhe von 11.301,30 €. Die Beklagte kann die Klägerin nicht auf die Kosten einer nicht markengebundenen, „freien“ Fachwerkstatt verweisen. Im Grundsatz sind die Stuhdenverrechnungssätze einer markengebundehert Werkstatt zu ersetzen, auch wenn diese erheblich höher sind, als der aus den Preisen der Fachwerkstätten der Region ermittelte Durchschnittswert. Bei technischer Gleichwertigkeit der Reparatur kann der Geschädigte aber gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB auf eine freie Werkstatt verwiesen werden, wenn ihm dies zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist in der Regel zu verneinen, wenn das Kfz nicht älter als drei Jahre ist oder es bisher regelmäßig in einer Markenwerkstatt gewartet („scheckheftgepflegt“) wurde oder der günstigere Preis auf einer Vereinbarung zwischen Werkstatt und Versicherer beruht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. M. 2015, § 249 Rn. 24 m. w. N.; BGH, NJW 2010, 605, 608). Im vorliegenden Falle ist nach der Vorlage des Serviceberichts des Pkw unstreitig, dass das Fahrzeug bisher immer in einer Fachwerkstatt gewartet wurde. Aus den Servicebericht ergibt sich, dass das Fahrzeug am 20.1.2014 bei Mercedes-Benz in Heidelberg, am 30.1.2015 ebenfalls bei Mercedes-Benz in Heidelberg und am 18.12.2015 im Autohaus Reinhard GmbH & Co. KG, bei dem es sich ebenfalls um eine Markenwerkstatt handelt, einen Service durchlaufen hat. Schon aus diesem Grunde ist es der Klägerin nicht zuzumuten, sich jetzt auf eine „freie“ Werkstatt verweisen zu lassen. Auf die vom Beklagtenvertreter diskutierte Frage, ob die Überlegungen des BGH zur Frage der Zumutbarkeit binnen einer Frist von drei Jahren auf den vorliegenden Faß zutreffen oder nicht, kommt es daher nach Ansicht der Kammer nicht an.

Hinsichtlich der Sachverständigenkosten, welche die Klägerin erstattet verlangt, stellt sich die Rechtslage wie folgt dar: Beweissicherungskosten, insbesondere Kosten für ein vorprozessual vom Geschädigten eingeholtes Sachverständigengutachten, sind Teil des zu ersetzenden Schadens im Sinne von § 249 BGB, wenn seine Einholung nach Sachlage geboten ist. Nicht ersatzfähig sind Kosten für Gutachten, deren Unbrauchbarkeit der Geschädigte selbst verursacht hat, indem er dem Sachverständigen falsche Angaben gemacht hat. Erstattungsfähig sind ansonsten auch Kosten für unrichtige Gutachten (vgl. I. Ebert in Erman, BGB, 14. Auflage 2014, § 249 Rn, 99; Grüneberg in Palandt, BGB, 74, Auflage 2015, § 249 Rn. 68). Unstreitig ist, dass die Klägerin den unter dem Vorbesitzer entstandenen Unfallschaden nicht vollständig gegenüber dem Sachverständigen … offenbart hat. Auf Blatt 8 des Sachverständigengutachtens des Herrn … findet sich in der Rubrik „Vorschaden/Altschäden“ lediglich die Bemerkung: in Stand gesetzter Heckschaden, diverse Gebrauchsspuren. Der Sachverständige … hat eine merkantile Wertminderung in Höhe von 800,00 € angenommen. Demgegenüber findet sich auf Seite 9 des TÜV-Gutachtens die Bemerkung, dass reparierte Vorschäden vorhanden seien. Der TÜV Rheinland hat insoweit zwischen Schäden am Fahrzeugheck einerseits und an der Fahrzeugfront (Motorhaube, Stoßfänger, Querträger, Schlossträger, Längsträger rechts und links) andererseits unterschieden. Nicht reparierte Vorschäden hat der TÜV Rheinland nicht festgestellt. Auf Seite 11 des Gutachtens des TÜV Rheinland findet sich dann die Rubrik „Wertminderung“. Dort wird ausgeführt, dass aufgrund des reparierten Vorschadens eine weitere Wertminderung ausgeschlossen sei. Eine Differenzierung danach, ob der Ausschluss der Wertminderung auf die Vorschäden an der Front, am Heck oder an beiden Teilen gestützt wird, findet sich in diesem Gutachten nicht. Es steht also nicht fest, dass der TÜV Rheinland ohne Kenntnis des Vorschadens an der Front nicht ebenfalls bloß aufgrund des Heckschadens eine Wertminderung verneint hätte. In diesem
Falle würde sich die Sachlage jedoch nicht von dem Gutachten des Sachverständigen Wilms unterscheiden, der Kenntnis vom Heckschaden hatte und dennoch eine Wertminderung angesetzt hat. Dann aber würden die unterschiedlichen Einschätzungen der Privatsachverständigen zur Frage, ob eine Wertminderung anzusetzen ist oder nicht, nicht auf fehlerhaften Angaben der Klägerin, sondern einfach auf unterschiedlichen fachlichen Einschätzungen der Privatsachverständigen beruhen. Demnach steht gerade nicht fest, dass der Sachverständige … aufgrund der unterlassenen Angaben der Klägerin zu der Auffassung gelangt ist, eine Wertminderung sei anzusetzen. Selbst wenn sein Gutachten damit inhaltlich unzutreffend wäre, ist das nicht der Klägerin zuzurechnen. Demnach hat sie Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten, welche sich auf 1.590.91€ belaufen.

Schließlich hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Unkostenpauschale, Diese schätzt die Kammer nach § 287 Abs. 1 ZPO auf 25,00 €. In Höhe von 0,56 € war die Klage deshalb abzuweisen.

Zu berücksichtigen war, dass der Anspruch der Klägerin teilweise bereits nach § 362 Abs. 1 BGB wegen Erfüllung untergegangen ist. Dies ist unstreitig. Auf die Reparaturkosten hat die Beklagte bereits 1.127,39 € gezahlt, so dass der Klägerin lediglich Anspruch auf den Differenzbetrag zusteht, abzüglich des bereits der Beklagten anerkannten und im Wege des Teil-Anerkenntnis-Urteils titulierten Betrages. Dies sind 1.516,13 €. Auf die Unkostenpauschale hat die Beklagte bereite von 25,00 € geleistet, so dass insoweit kein weiterer Anspruch der Klägerin besteht.

Die Beklagte hat der Klägerin zudem nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG die ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu erstatten, da die vorgerichtliche Beauftragung des Klägervertreters zur Verfolgung der Rechte der Klägerin erforderlich war. Der Anspruch beläuft sich nach § 308 Abs. 1 ZPO auf die eingeklagte 0,65 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, somit auf 490,99 € und nicht auf 491,00 €.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Der Anspruch auf Prozesszinsen aus den Rechtsverfolgungskosten folgt aus §§ 291, 288, 187 Abs. 1 (analog) BGB ab dem Tag nach Zustellung der Klageschrift am 25.4.2016.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Eine Anwendung von § 93 ZPO im Hinblick auf das ergangene Teil-Anerkenntnisurteil kommt nicht mehr in Betracht. Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen nach dieser Vorschrift dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag des Klägervertreters in seinem letzten Schriftsatz wurden die notwendigen Nachweise, insbesondere die TÜV-Bescheinigung, der Beklagten jedoch bereits vorgerichtiich übersandt und der Klägervertreter hat auch selbst noch einmal versucht zu klären, dass im Hinblick darauf zumindest eine Teilzahlung erfolgen kann. Das hat die Beklagte jedoch abgelehnt und hat ihr Anerkenntnis nun erst in diesem Rechtsstreit auf die Vorlage der o. g. Nachweise gestützt. Hierzu hätte sie jedoch vorgerichtlich ausreichend Gelegenheit gehabt, sie hat jedoch durch ihr Verhalten die Erhebung der Klage veranlasst.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 709 ZPO.

H.
Richter am Amtsgericht

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.249,25 € für die Zeit bis 23.06.2016 festgesetzt, für die Zeit ab Eingang der Klageerweiterung am 24.6.2016 auf 11.765,38 €.

Rechtsbehelfsbelehrung:

H.
Richter am Amtsgericht

Verkündet am 06.09.2016

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

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