Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -leser,
zum frühen Abend des 24.11.2016 stellen wir Euch hier noch ein Urteil aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Allianz Versicherung vor. Die beklagte Allianz Versicherungs AG hatte – wie üblich – die berechneten Sachverständigenkosten der Höhe nach beanstandet. Zu Recht hat das erkennende Gericht die Einwände der Beklagten zurückgewiesen, und zwar unter Bezugnahme auf die Sachverständigenkostengrundsatzentscheidung VI ZR 225/13. Damit waren dann auch die vereinbarten und berechneten Schreibkosten als erforderlich anzusehen. Ob allerdings die Höhe der berechneten Schreibkosten an einem anderen Gerichtsort auch durchgewunken worden wären, erscheint unter Bezugnahme der Rechtsprechung an anderen Amtsgerichten mehr als fraglich. Vom Grundsatz her hat allerdings das erkennende Amtsgericht Leipzig recht. Dem eintrittspflichtigen Kfz-Versicherer bleibt insoweit der Vorteilsausgleich (vgl. Imhof / Wortmann DS 2011, 149 ff.). Das erkennende Gericht kommt in seiner Entscheidung ohne BVSK-Honorarbefragung aus. Dies ist in Bezug auf das angesprochene BGH-Urteil VI ZR 225/13 auch folgerichtig, denn der zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Geschädigte die Ergebnisse der BVSK-Honorarumfrage nicht kennen muss (BGH VI ZR 225/13 Rn. 10). Mit diesem Urteil des AG Leipzig wird weder die Allianz Versicherung noch der GDV als Dachorganisation der Versicherer hausieren gehen. Umso wichtiger ist es , dass das Urteil hier im Blog veröffentlicht wird. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung
Aktenzeichen: 114 C 7506/15
Verkündet am: 29.03.20161.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
Allianz Versicherungs-AG, An den Treptowers 3, 12435 Berlin, v.d.d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht N.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom O8.03.2016 am 29.03.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 139,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 08.11.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Das Amtsgericht Leipzig ist sachlich gemäß §§ 23 ff. GVG und örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.
II.
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht in geltend machter Höhe gemäß §§ 823, 249, 398 BGB, §§ 7, 17 StVG, 115 VVG.
Die Beklagte ist unstreitig für den streitgegenständlichen Unfall vorn 10.03.2014 zu 100 % ein-standspflichtig.
Die Geschädigte des Verkehrsunfalls … hat ihre Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall auf Ersatz der Gutachtenkosten mit Abtretung vom 10.03.2014 an die Klägerin abgetreten.
Die Annahme der Abtretung ist darin zu sehen, dass die Klägerin nunmehr die Forderung, die ursprünglich der Geschädigten zugestanden hat, im Klagewege geltend macht.
Bis auf einen Betrag in Höhe von 130,91 € hat die Beklagte die Gutachterkosten, die durch die Erstellung des Gutachtens der Klägerin entstanden sind, erstattet.
Im Übrigen verweigert die Beklagte die Erstattung weiterer Kosten.
Der Schadenersatzanspruch erfasst den noch offenen Betrag aus der Sachverständigenrechnung der Klägerin vom 11.03.2014.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens nach einem Verkehrsunfall gehören zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand. Ersatzpflichtig sind diejenigen Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.
Die Höhe des festgesetzten Grundhonorars in Höhe von 451,00 € netto für die Gutachtenerstellung ist ortsüblich.
Wegen einer subjektbezogenen Schadensbetrachtung und wegen des Fehlens einer Gebührenordnung für Sachverständige ist die vom Geschädigten vorgelegte Rechnung eines Sachverständigen zu erstatten. Eine Kürzung zu Lasten des Geschädigten scheidet aus, wenn der Gesamtbetrag das in der Branche übliche Gesamthonorar nicht deutlich übersteigt.
Die Beklagte konnte daher keine Kürzung bei den Sachverständigenkosten, auch nicht hinsichtlich der Nebenkosten, vornehmen.
Hinsichtlich des Grundhonorars kann sich die Klägerin auf die wirksame Honorarvereinbarung beziehen, die auf Grundlage der Honorartabelle, die sich auf der Rückseite der Vereinbarung befindet, geschlossen wurde.
Es liegen für das Gericht keine Anhaltspunkte für die Verletzung einer Schadenminderungspflicht durch die Geschädigte vor.
Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass aus Sicht der Geschädigten die notwendigen Kosten für die Erstellung eines Gutachtens unbillig überschritten wurden sind.
Darüber hinaus bewegt sich die Klägerin mit ihrem Honorar in der üblichen Spanne der Tabelle, die nach einer BVSK-Befragung 2003 erstellt wurde.
Der BGH hat in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen VI ZR 225/13 Fahrtkosten in Höhe von 1,80 € pro Kilometer gebilligt Die Klägerin liegt weit darunter.
Die Kosten für ein Lichtbild mit 2,86 € liegt leicht über der vom BGH gebildeten Höhe von 2,80 €. Dies hält das Gericht jedoch für unschädlich, da keine erhebliche Abweichung vorliegt. Zudem ist die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2013, so dass auch ein Zuschlag für das Jahr 2014 zu machen ist. Die Anzahl der angefertigten Lichtbilder liegt im Ermessen des Sachverständigen und ist nur einer eingeschränkt gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Ebenso sind die Kosten für einen zweiten Fotosatz angemessen. Hinsichtlich der Schreibgebühren hat das Amtsgericht Leipzig bereits in den Entscheidungen aus den Jahren 2006 und 2007 solche in Höhe von 4,90 € pro Seite ausdrücklich für in Ordnung befunden. Die Klägerin macht Schreib- und Druckkosten in Höhe von 4,86 € geltend. Hierbei ist nicht allein entscheidend, was tatsächlich ein Auszug eines Fotos kostet, sondern der gesamten mit den Schreibkosten verbundene Aufwand. Kosten für ein weiteres Gutachten in Höhe von 19,00 € sind ebenfalls als erforderlich anzusehen. Es ist gerichtsbekannt, dass weitere Kopien der Gutachten angefertigt werden, die dann der Schädiger, der Geschädigte als auch die Versicherung erhält. Die Versand-, Telefon- und Internetkostenpauschale in Höhe von 23,30 € wird ebenfalls als angemessen angesehen. Die Klägerin liegt damit weit unter dem Maximalwert der BVSK-Befragung von 2003 mit einem Betrag von 38,00 €.
Im Ergebnis sind daher auch die in der Rechnung enthaltenen Nebenkosten zu erstatten,
Da die Beklagte einen Betrag in Höhe von 139,91 € bisher nicht an die Klägerin gezahlt hat, war sie entsprechend antragsgemäß zu verurteilen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 1, 711, 713 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert beträgt: 139,91 €
Leitsätze aus den Entscheidungsgründen, die schadenersatzrechtlich nicht interpretationsfähig sind:
I. „Die Kosten eines Sachverständigengutachtens nach einem Verkehrsunfall gehören zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand. Ersatzpflichtig sind diejenigen Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschädigten getätigt hätte.“
II. „Wegen einer subjektbezogenen Schadensbetrachtung und wegen des Fehlens einer Gebührenordnung für Sachverständige ist die vom Geschädigten vorgelegte Rechnung eines Sachverständigen zu erstatten. Eine Kürzung zu Lasten des Geschädigten scheidet aus, wenn der Gesamtbetrag das in der Branche übliche Gesamthonorar nicht deutlich übersteigt.“
III. „Die Beklagte konnte daher keine Kürzung bei den Sachverständigenkosten, auch nicht hinsichtlich der Nebenkosten, vornehmen.
Hinsichtlich des Grundhonorars kann sich die Klägerin auf die wirksame Honorarvereinbarung beziehen, die auf Grundlage der Honorartabelle, die sich auf der Rückseite der Vereinbarung befindet, geschlossen wurde.“
Hingegen war die vergleichende Betrachtung von Einzelpositionen bei den Nebenkosten komplett entbehrlich, denn es geht schadenersatzrechtlich um die Erforderlichkeit eines Gutachtens, dessen Kosten bei Auftragserteilung überhaupt noch nicht feststehen können und nicht um eine werkvertraglich ausgerichtete Überprüfung von Abrechnungsmodalitäten der Höhe nach. Würde man den zunächst gezahlten Teilbetrag jedoch als „üblich“ bzw. „ortsüblich“ unterstellen, so wäre lt. BGH -Beschluss zumindest das Doppelte davon (möglicherweise) die Schallmauer für eine Infragestellung. Eine solche wird im Regelfall überhaupt nicht einmal annähern erreicht. Auch hier: 100 % Haftung müssen einhergehen mit 100 % Schadenersatz, wenn man nicht mit Vorsatz die Gesetzgebung unterlaufen will.
Willi Wacker hat es mal wieder auf den Punkt gebracht:
„Zu Recht hat das erkennende Gericht die Einwände der Beklagten zurückgewiesen, und zwar unter Bezugnahme auf die Sachverständigenkostengrundsatzentscheidung VI ZR 225/13. Damit waren dann auch die vereinbarten und berechneten Schreibkosten als erforderlich anzusehen.“
ALLIANZ-Beobachter
Die irreführende, weil falsche und zudem schadenersatzrechtlich nicht beurteilungsrelevante Behauptung, dass Beurteilungsmaßstab für das zu regulierende Sachverständigenhonorar die regionalen Gegebenheiten bzw. die „Ortsüblichkeit“ sei, sowie die daraus für einen unbedarften Geschädigten und die Öffentlichkeit abzuleitende Vermutung, dass der beauftragte Sachverständige unkorrekt abgerechnet habe, ist m.E. ein Sraftatbestand, dem nachhaltig entgegenzutreten ist. Für das HUK-Coburg-Tableau und die darauf abgestellten Behauptungen gilt nichts anderes, wie auch für die „Rechtfertigungsversuche“ der VHV aus Hannover und der LVM aus Münster.
Bayrischer Löwe