Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
erst heute nachmittag können wir Euch hier ein positives Urteil aus Zweibrücken zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht (Factoring) gegen die HUK-COBURG mit interessanter Begründung vorstellen. Das Urteil gegen die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG ist insbeondere zur Abtretung super begründet, wie wir finden. Ob es wohl daran gelegen hat, dass hier eine LG-Richterin tätig war? Lest selbst das Urteil des AG Zweibrücken und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
1 C 36/16
Amtsgericht
Zweibrücken
IM NAMEN DES VOLKES
Endurteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
Deutsche Verrechnungsstelle AG, vertreten durch d. Vorstand Sven Ries und Jan Pieper, Schanzenstraße 30, 51063 Köln
– Klägerin –
gegen
HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Wolfgang Weiler, Wolfgang Flaßhoff, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Jörn Sandig, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Zweibrücken durch die Richterin am Landgericht B.-L. am 13.07.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 112,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.02.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht von der Beklagten die Zahlung restlicher Sachverständigenkosten in tenorierter Höhe verlangen, §§ 7 Abs. 1, 115 VVG i.V.m. § 398 BGB.
Zwar hat die streitgegenständliche Rechnung des Sachverständigen bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO keine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten. Denn die Rechnung wurde von dem Geschädigten unstreitig nicht bezahlt. Nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH, Urteil vom 26. April 2016 – VI ZR 50/15 -, juris; BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 16, 19; vgl. auch BGH Urteile vom 15. September 2015 – VI ZR 475/14, VersR 2015, 1522; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 Rn. 13; vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 347 f.). Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten, zu berücksichtigen sind. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 347 f.; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 16, 19). Dies wird durch die im Streitfall gegebene Fallkonstellation verdeutlicht, in der der Geschädigte dem Sachverständigen seinen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten abgetreten hat und ihm damit – anders als in den Fällen, in denen der Geschädigte die ihm gestellte Rechnung bezahlt hat – kein Kostenaufwand entstanden ist.
Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachterseiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte ist auch grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 18 mwN; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR2014, 1141 Rn. 14). Dabei verbleibt für ihn allerdings das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2005 – VI ZR 132/04, BGHZ 163, 362, 367 f.; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007, 560 Rn. 17; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 15). Denn gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (vgl. BGH, Urteile vom 09. Dezember 2014 – VI ZR 138/14, VersR 2015, 503 Rn. 16 a.E.; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 14, 17).
Diese Maßstäbe sind auch auf den Fall anzuwenden, in dem der Geschädigte seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars an den Sachverständigen und dieser wiederum an eine Inkassogesellschaft abtritt. Eine Abtretung hat keinen Einfluss darauf, ob und in welcher Höhe die Forderung selbst zur Entstehung gelangt ist. Nach §§ 398 ff BGB können Forderungen als Vermögensbestandteile übertragen werden. Dies geschieht unter vollständiger Wahrung der Identität der Forderung. „Lediglich“ die Gläubigerstellung geht vom Zedenten auf den Zessionar über (vgl. Grüneberg in Palandt, 74. Auflage, 2015 § 398 Rdnr. 1 ff.). Würde man bei der Prüfung des Bestehens der Forderung selbst unterschiedliche Maßstäbe anlegen, je nachdem, ob der Geschädigte selbst seine Forderung geltend macht oder sich entschließt, diese dem Sachverständigen zu übertragen, so würde man letztlich unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen für denselben Anspruch schaffen. Konsequenterweise würde wohl in den meisten Fällen deren Anwendung zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Prüfung führen, ob und in welcher Höhe die Forderung besteht. So würde letztlich die Identität der Forderung bei Abtretung gerade nicht gewahrt. Vielmehr ginge mit dem Wechsel der Gläubigerstellung zugleich auch eine Änderung der Forderung selbst einher. Dies ist mit den Grundsätzen der Abtretung nicht zu vereinbaren.
Mit diesen Grundsätzen sind bei der Schadensbemessung nach § 287 Abs. 1 ZPO die Erwägungen der Beklagten nicht zu vereinbaren, mit denen sie hier zu einer Kürzung der geltend gemachten Sachverständigenkosten gelangt ist. Die vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten können nicht allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes gekürzt werden. Dabei wird für den konkreten Einzelfall die Lage des Geschädigten bei der Beauftragung eines Sachverständigen verkannt. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, aaO Rn. 19mwN). Solche Umstände hat die Beklagte im Streitfall nicht dargetan.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.