Hallo Willi,
von Rosenheim in Oberbayern geht es weiter nach Leutkirch im Baden-Württembergischen Allgäu. Nachfolgend stellen wir Euch hier ein Urteil des Amtsgerichts Leutkirch im Allgäu zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen den Versicherungsnehmer der HUK-COBURG vor. Leider ist das Urteil nur im Ergebnis richtig. Ansonsten handelt es sich um eine nicht überzeugende Urteilsbegründung, da wieder die Angemessenheit nach der BVSK-Liste geprüft wird. Weder im § 249 I BGB noch im § 249 II BGB steht aber etwas von Angemessenheit. Dieser werkvertragliche Begriff hat im Schadensersatzrecht nichts zu suchen. Auch unangemessene Kosten können erforderlich im Schadensersatzrecht sein. Darüber hinaus wurden durch das erkennende Gericht Zitate aus anderen Schrotturteilen, wie dem LG Saarbrücken und dem LG Coburg verwandt, weil sie seitens der Anwälte der HUK-COBURG wohl vorgebracht wurden, obwohl sie im Schadensersatzprozess nichts zu suchen haben. Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
2 C 268/15
Amtsgericht Leutkirch im Allgäu
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
…
– Beklagter –
wegen Schadensersatzes
hat das Amtsgericht Leutkirch im Allgäu durch den Richter am Amtsgericht D. am 01.07.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 183,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 20.12.2016 zu bezahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 183,22 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche, Sachverständigenkosten, nach einem Verkehrsunfall vom 22.01.2015.
Der Kläger ist Inhaber eines Ingenieurbüros für Fahrzeugtechnik und Sachverständigenwesen. Er klagt aus abgetretenem Recht.
Die grundsätzliche Haftung des Beklagten als Schadensverursacher ist unstreitig.
Der Kläger erstellte für den Unfallgeschädigten ein „Haftpflichtgutachten“ mit Datum vom 07.02.2015, Anlage K 2, und rechnete hierfür 589,50 € netto, mithin 712,22 € brutto ab (Anlage K3). Die Versicherung des Beklagten, die HUK Coburg, regulierte hierauf lediglich 529 €. Der Unterschiedsbetrag ist Klagegegenstand.
Das vom Kläger erstellte Haftpflichtgutachten wies eine Schadenshöhe von 2773,05 € netto aus. Der Geschädigte wohnt in Legau dort wurde das beschädigte Fahrzeug vom Kläger auch besichtigt, allerdings bei der Firma S. .
Der Kläger ist der Ansicht,
dass ihm der geltend gemachte Anspruch zustünde. Kürzungsgründe seien nicht ersichtlich.
Der Kläger beantragt,
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 183,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die Klage bereits unzulässig sei, da der Klagegegenstand nicht ausreichend bestimmt sei.
Das HUK-Honorartabelau repräsentiere die üblichen Sachverständigenhonorare und berücksichtige insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.
Gutachterkosten, die oberhalb der erstattungsfähigen Kosten nach dem HUK-Honorartabelau lägen, führten zu einem Auswahlverschulden des Klägers. Die Überhöhung sei besonders eklatant bei den Nebenkosten.
Hinsichtlich der Nebenkosten werde die Erstattungsfähigkeit der Fahrtkosten bestritten werden, das Fahrzeug hätte vom Geschädigten beim Sachverständigen vorgeführt werden können. Das Kilometergeld sei erkennbar überhöht. Die Lichtbilder seien auf wenigen Blättern zusammengefaßt, der zweite Fotosatz sei nicht vereinbart und erforderlich. Es sei kein zweiter Fotosatz gefertigt worden, die Fotos seien lediglich ein weiteres Mal ausgedruckt worden. Auch die Schreibkosten seien nicht anzusetzen. Im Übrigen seien die Nebenkosten im Grundhonorar enthalten. Es seien lediglich zwei Gutachtensätze erforderlich.
Die Sachverständigenkosten seien vorliegend nicht bezahlt, weshalb die in Rechnungstellung auch kein Anhaltspunkt für die Richtigkeit sei.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das Gericht hat ohne mündliche Verhandlung gem. § 495 a ZPO entschieden.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger ist ausreichend individualisiert.
II.
Die Klage ist auch begründet.
Grundsätzlich gehören die Kosten eines Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall zu den erstattungsfähigen und damit erforderlichen Kosten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind.
Die grundsätzliche Notwendigkeit der Einschaltung eines Sachverständigen wird seitens des Beklagten nicht in Frage gestellt.
Das Gericht zieht zur Festlegung der erforderlichen Kosten des Sachverständigen im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB die BVSK-Honorarbefragung 2015 heran. Die Honorarbefragung ist eine taugliche Schätzgrundlage im Sinne des § 287 ZPO und gibt die üblichen Sachverständigenkosten wieder. Die üblichen Sachverständigenkosten sind heranzuziehen aufgrund des Fehlens einer ausdrücklichen Vereinbarung über die Kosten.
Das mit dem Rechtsstreit befasst Referat des Amtsgericht ist ein nahezu reines Zivilreferat und in seiner täglichen Arbeit ständig mit einer Vielzahl von Sachverständigenabrechnungen konfrontiert und hat hierbei die Erkenntnis gewonnen, dass die bisherigen BVSK-Honorarbefragungen tatsächlich die üblichen Sachverständigenhonorare realistisch abbilden und damit die BVSK-Honorarbefragung eine taugliche Schätzungsgrundlage darstellt (ähnlich Amtsgericht München, Urteil vom 30.04.2013, Az. 331 C 9134/12). Darauf hat das Gericht auch während des Rechtsstreits hingewiesen.
Dabei ist auch festzuhalten, dass die angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357/13, nicht die grundsätzliche Tauglichkeit der BVSK-Honorarbefragung als Schätzgrundlage in Abrede stellt. Vielmehr ist dieser Entscheidung zu entnehmen, dass diese grundsätzlich als Schätzgrundlage herangezogen werden kann, aber die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Auch ist aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht ersichtlich, dass die BVSK-Honorarbefragung keine taugliche Schätzgrund mehr wäre (vergleiche z.B. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 24. Februar 2015, Az. 103 C 3089/14, juris; LG Saarbrücken, Urteil vom 06. Februar 2015, Az. 13 S 185/14, juris).
Ausweislich des textlichen Teils wurde diese Honorarbefragung zwischen Februar und September 2015 durchgeführt, mithin jedenfalls zum Zeitpunkt der Rechnungserstellung durch den Kläger, so dass diese und nicht etwa eine frühere Honorarbefragung heranzuziehen ist.
Unter Berücksichtigung der BVSK-Honorarbefragung ergibt sich vorliegend keine erkennbare Überhöhung der geltend gemachten Kosten. Der Anspruch ist nicht zu kürzen.
Nach der Rechtsprechung des Amtsgerichts Ravensburg unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Landgerichts Coburg (Urteil vom 25.02.2011, Aktenzeichen 32 S 26/10), liegt eine zu berücksichtigende Überhöhung erst vor, soweit die Werte in der Honorarbefragung um 25 % überschritten werden, wobei es nicht auf die einzelnen Rechnungspositionen sondern die gesamte Rechnung ankommt (vergleiche Heßeier, NJW 2014, 1916). Erst dann liegt eine erkennbare Überhöhung vor, so dass eine Kostentragung ausscheidet.
Zu Grunde zu legen ist ein unstreitiger Wiederbeschaffungsaufwand von bis 2.500 €. Es ist damit die 9. Zeile des Tabelaus in der BVSK-Honorarbefragung einschlägig (Schadenshöhe netto bis 2500 €). Eine Wertminderung am beschädigten Fahrzeug entstand nicht. Das geltend gemachte Honorar von 598,50 € überschreitet den zunächst zu Grunde zu legenden Höchstwert im HB V-Honorarkorridor. Das Gericht sieht den HB V-Honorarkorridor als geeignete Schätzgrundlage an (vgl. z.B. Amtsgericht Saarlouis, Urteil vom 22.08.2011, Aktenzeichen 29 C 804/11; so offensichtlich auch das Amtsgericht Tettnang, Urteil von 12.02.2015, Aktenzeichen 8 C 942/14, [unveröffentlicht]).
Unter Berücksichtigung der Maximalwerte im HBV-Honorarkorridor ergibt sich die folgende Abrechnung:
Grundhonorar 440,00 €
Fahrtkosten 40×0,70€= 28,00 €
Fotos 10×2€= 20,00 €
Zweiter Fotosatz 10×0,50€= 10,00 €
Schreibkosten 9×1,80€= 16,20 €
Kopierkosten 13×0,50€= 6,50 €
Es ergibt sich ein Betrag von 520,70 €. Unter Berücksichtigung eines 25 %igen Aufschlags ergeben sich 650,88 € und mithin liegt dieser Betrag unter den geltend gemachten 589,50 €, weshalb keine erkennbare Erhöhung vorliegt.
Soweit die Beklagte rügt, dass mit dem Grundhonorar auch sämtliche weiteren Nebenkosten abgegolten sein, ergibt sich bereits aus der BVSK-Honorarbefragung, dass die dort ausgewiesenen Nebenkosten neben dem Grundhonorar zu erstatten sind. Die vorliegend geltend gemachten Fahrtkosten, Lichtbilderkosten, Porti und Schreib- und Kopierkosten sind allesamt Nebenkosten wie der Honorarbefragung ebenfalls enthalten. Die Erstattungsfähigkeit dieser weiteren Kosten – neben dem Grundhonorar – ergibt sich auch aus der Erläuterung zum der BVSK-Honorartablau.
Hinsichtlich der Erforderlichkeit und den Ansatz dieser Nebenkosten ist folgendes festzuhalten: Das Gericht sieht nicht, dass die Fahrtkosten deshalb entfielen, da der Geschädigte ein noch verkehrstüchtiges Fahrzeug zum Sachverständigen hätte bringen können. Auch der Umstand, dass das Fahrzeug an einen dritten Ort verbracht wurde, nämlich zu der Firma Sonntag in Legau, ändert daran nichts. Das Gericht sieht nicht, dass der Geschädigte unter Schadensminderungsgesichtspunkten, § 254 BGB, gehalten wäre, sein Fahrzeug zum Sachverständigen zu verbringen und hierfür eigene Zeit aufzuwenden, die nicht ersetzt wird. Nachdem die Besichtigung jedenfalls am Wohnsitzort des Geschädigten (Legau) erfolgte, spielt es keine Rolle, dass das Fahrzeug an einen damit nur unwesentlich weit entfernten „dritten Ort“ verbracht wurde. Darüber hinaus sieht das Gericht nicht, dass die Fotokosten von 2 € je Foto nicht anzusetzen wären und – wie vorgetragen – gegebenenfalls nur für jede Fotoseite. Mit diesem Betrag soll auch die technische Ausrüstung des Sachverständigen abgegolten werden, so dass es nicht auf die gedruckten Seiten ankommt, sondern tatsächlich auf die gefertigten Fotos. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der BVSK-Honorarbefragung.
Bereits bei Berücksichtigung des Grundhonorars, der Fahrtkosten und Fotokos ergeben sich Kosten von 488 €, so dass unter Berücksichtigung der 25 % (= 610 €) keine erkennbare Überhöhung der hier eingeklagten Sachverständigenkosten vorliegt.
Die Klage ist in der Hauptsache begründet; die Hauptsacheforderung ist gem. § 291, 288 BGB zu verzinsen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.