Hallo verehrte Captain-Huk Leserschaft,
weil es in Gummersbach im Bergischen Land so gut lief (siehe das Urteil, das wir heute Mittag veröffentlicht hatten), stellen wir Euch hier noch ein weiteres Urteil des AG Gummersbach vor. Allerdings entschied in diesem Fall die Dezernentin der 12. Zivilabteilung des AG Gummersbach. Wieder musste auch in diesem Fall der Geschädigte bzw. der Sachverständige aus abgetretenem Recht den Restschadensersatz einklagen, weil die eintrittspflichtige VHV Versicherung nicht in der Lage oder gewillt war, vollständigen Schadensersatz zu leisten, obwohl einhundertprozentige Haftung bestand. Es entschied zwar ein anderer gesetzlicher Richter – in diesem Fall eine Richterin -, aber die richtige Rechtsprechungstendenz am AG Gummersbach ist erkennbar. Leider wurde auch hier wieder ein BVSK-Vergleich abgestellt, obwohl der Geschädigte die Ergebnisse der Honorarumfrage dieses Verbandes nicht kennen muss (vgl. BGH NJW 2014 Rn. 10 = DS 2014, 90). Lest aber selbst das weitere Urteil des AG Gummersbach und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und noch eine schöne Weihnachtswoche
Euer Willi Wacker
12 C 188/15
Amtsgericht Gummersbach
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der … ,
Klägerin,
gegen
die VHV Allgemeine Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, d. vertr. d. d. Vorstandsmitglieder Thomas Voigt, Dr. Per-Johan Horgby, Jürgen A. Junker, Dietrich Werner, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Gummersbach
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
21.01.2016
durch die Richterin am Landgericht P.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 81,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2015 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 495a S. 1 i.V.m. 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Gutachterkosten in Höhe von 81,35 € aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG i.V.m. § 398 BGB zu.
1.
Die Aktivlegitimation der Klägerin als Sachverständigenbüro, das mit der Schadenkalkulation des verunfallten Fahrzeuges befasst war, ergibt sich aus der wirksamen Forderungsabtretung der Geschädigten vom 13.08.2015. Die Abtretungserklärung (BI.9 d.A.) genügt den Anforderungen, die an die Bestimmtheit einer Abtretungserklärung gestellt werden. Die abgetretene Forderung ist im vorliegenden Fall durch Bezugnahme auf die Gutachten-Nr. … und das Erstellungsdatum konkret bestimmt.
2.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für die der Geschädigten aus dem Unfallereignis vom 12.08.2015 in Gummersbach-Dieringhausen resultierenden Schäden dem Grunde nach voll einzustehen hat. Umstritten ist allein die Höhe der angemessenen Sachverständigenvergütung. Auf die Rechnung in Höhe von 466,12 € hat die Beklagte lediglich 384,77 € gezahlt.
Die Klägerin hat aber auch einen Anspruch auf Zahlung der restlichen 81,35 €.
Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sind sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach erstattungsfähig.
3.
Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch gemäß § 249 BGB. Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der Höhe der im Rahmen einer Haftung aus einem Verkehrsunfall erforderlichen Kosten für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeuges in zwei aktuellen Urteilen (BGH, Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13 -; BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 -) folgendes ausgeführt:
„Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlten Rechnungsbeträgen gerichtet (vergleiche Senatsurteile vom 06.11.1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 3 146, 347 f.; vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, VersR 2007 , 560 Rn.13; vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, VersR 2014, 474 Rn. 8). Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint (vergleiche Senatsurteil vom 18.01.2005 – VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559). Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (vergleiche Senatsurteil vom 15.10.2013 – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn.18 mwN). Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (so genannte subjektbezogene Schadensbetrachtung, vergleiche Senatsurteile vom 06.11.1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 348; vom 15.10.2013 – VI ZR 528/12, VersR 2013, 1590 Rn. 19; vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, aaO Rn.7 f., jeweils mwN). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vergleiche Senatsurteile vom 23 Januar 2007 – VI ZR 67/06, aaO Rn. 17; vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, aaO Rn. 7).
Seiner ihm im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zu Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder.
In der ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch (vergleiche Senatsurteile vom 06.11.1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 348; vom 23.01.2007 – VI ZR 67/06, aaO Rn.13; vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, aaO Rn.8). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat der Tatrichter dann allerdings zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrundeliegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vergleiche Senatsurteile vom 22.12.1987 – VI ZR 6/87, VersR 1988, 466, 467; vom 11.05.1993 – VI ZR 207/92, VersR 1993, 969, 970; vom 17.01.1995 – VI ZR 62/94, VersR 1995, 422, 424; vom 08.05.2012 – VI ZR 37/11, VersR 2012, 917 Rn. 9; BGH, Urteil vom 30.05.1995 – X ZR 54/93, NJW-RR 1995, 1320, 1321; BVerfG NJW 2010, 1870 Rn. 19; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 287 Rn. 7f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 287 Rn. 35).“
Nach den vorstehenden Grundsätzen, denen sich das erkennende Gericht anschließt, haftet die Beklagte auch für den mit der Klage geltend gemachten Differenzbetrag. Die seitens der Klägerin in Rechnung gestellten Kosten sind insgesamt als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen. Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Honorarrechnung aus Sicht der Geschädigten als überhöht anzusehen gewesen wäre.
Des Weiteren ist eine an der Schadenshöhe orientierte Pauschalierung des Honorars grundsätzlich zulässig (BGH Urt v. 13.02.2007, VI ZR 105/06, NJW 2007, 1450) und wird laut Befragung durch die BVSK von 2013 von 100 % der Kfz-Sachverständigengutachter praktiziert (vergleiche die den Parteien bekannte BVSK-Honorarbefragung 2013). Diese Pauschalierung muss sich aber im Rahmen der ortsüblichen Honorare bewegen. Bei den zwischen den Parteien außer Streit stehenden Reparaturkosten in Höhe von 1.348,22 € netto rechnen 90-95 % der BVSK-Mitglieder im hier einschlägigen Postleitzahlengebiet „5″ bis zu einem Höchstwert von 341 € (HB III bzw. Höchstwert des HB V-Korridors) ab. Eine Abrechnung, die den Höchstwert nicht überschreitet, ist grundsätzlich als erforderlich anzusehen (so auch AG Bonn, Urt. v. 17.06.2015 – 110 C 194/15). Das von der Klägerseite abgerechnete Grundhonorar beläuft sich auf 341 € und ist damit nicht zu beanstanden. Es ist ausweislich der für die richterliche Schätzung gemäß § 287 ZPO zurate gezogenen Tabelle des BVSK branchen- und ortsüblich (siehe oben).
Neben dem Grundhonorar hält das Gericht grundsätzlich auch (pauschale) Nebenkosten für erstattungsfähig. Dass neben dem Grundhonorar üblicherweise keine Nebenkostenpauschalen abgerechnet werden, ergibt sich aus den BVSK-Honorarbefragungen gerade nicht. Vielmehr ist es nach dem Ergebnis der Befragungen durchaus üblich, weitere Nebenkosten (pauschal) in Rechnung zu stellen. Das Gericht sieht, dass vielleicht nicht alle Sachverständigen die Nebenkosten, die die Tabellen des BVSK ausweisen, kumulativ in Rechnung stellen, sondern nur einzelne Positionen. Wenn sich jedoch die in Rechnung gestellten Einzelpositionen im Rahmen des Üblichen bewegen, vermag das Gericht dies nicht zu beanstanden (so auch LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 29.02.2012 – 8 S 2791/11; LG Dortmund, Urt. v. 05.08.2010 – 4 S 11/10).
Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die vorliegend in Ansatz gebrachten Preise für Fotokosten, Laser-Farbkopien, Schreibkosten und Kommunikationsleistungen aus Perspektive der Geschädigten offenkundig überzogen sein sollen.
Zudem sind die Nebenkosten als erforderlich und angemessen anzusehen, da sie sich im Rahmen der in der BVSK-Befragung angegebenen Werte bewegen, was sich aus der folgenden Tabelle ergibt:
Nebenkosten HBII HB III eingeklagt
1. Fotosatz je Foto 1,85 € 2,59 € 1,00 €
2.Fotosatz je Foto 0,85 € 1,82 € –
Fotokosten pauschal 16,30 € 20,35 € –
Fahrtkosten je km 0,83 € 1,28 € –
Fahrtkosten pauschal 15,95 € 31,46 € –
Porto / Telefon / Schreibkosten 14,11 € 30,88 € –
Porto / Telefon pauschal 10,97 € 19,63 € 11,00 €
Schreibkosten je Seite 1,74 € 2,99 € 2,70 €
Schreibkosten je Kopie 0,68 € 1,80 € –
II.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Streitwert: bis 500,00 €.
Das war aber ein rabenschwarzer Tag für die VHV. Gleich zwei Urteile am 21.1.2016 vom gleichen Gericht, aber von unterschiedlichen Richtern, das ist schon eine Nummer, die sonst nur die Huk-Coburg hinkriegt. Vielleicht lernt die VHV – im Gegensatz zur beratungsresisistenten Huk-Coburg – aus diesen gleichzeitig ergangenen Urteilen vom 21.1.2016 Az. 11 C 378/15 und 12 C 188/15?