Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
so kurz vor den Festtagen wollen wir Euch noch ein paar interessante Urteile vorstellen, damit wir es dann über die Weihnachtstage auch einmal etwas langsamer angehen lassen können. Nachfolgend stellen wir Euch hier ein Urteil aus Berlin-Mitte zur fiktiven Schadensabrechnung und zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG und deren Versicherten vor. Wieder einmal hatte die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse die berechneten Sachverständigenkosten im Rahmen der Schadensersatzleistung nach einem von ihrem Versicherungsnehmer verursachten Verkehrsunfall eigenmächtig gekürzt. Da der Geschädigte Anspruch auf vollständigen Schadensersatz hat, wurde der gekürzte Betrag gegen die HUK-COBURG und den Unfallverursacher persönlich als Gesamtschuldner rechtshängig gemacht. Das zuständige Amtsgericht Mitte in Berlin hat erneut der HUK-COBURG gezeigt, dass die von ihr vorgenommene Kürzung rechtswidrig war. Es handelt sich daher um eine erfreuliche Entscheidung, bei der der Richter vieles richtig und wenig falsch gemacht hat. Allerdings muss ich erneut darauf hinweisen, dass das erkennende Gericht den falschen Begriff „Grundgebühr“ verwendet hat, obwohl es eine solche „Gebühr“ bei Sachverständigen nicht gibt. Aber immer wieder wird gerade von der HUK-COBURG dieser falsche Begriff verwandt, um zu suggerieren, dass Sachverständige von Flensburg bis Füssen und von Frankfurt an der Oder bis Aachen einheitlich ihre Honorare berechnen. Dem ist nicht so. Lest das Urteil des AG Mitte selbst und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Mitte
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 4 C 3316/15 verkündet am : 26.05.2016
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Klägers,
gegen
1. den Herrn …
2. die Frau
3. die HUK-COBURG Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G., vertreten durch d. Vorstand, d. vertreten d.d. Dr. Wolfgang Weiler, Stefan Gronbach, Klaus-Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Sarah Rössler und Jörn Sandig, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 4, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 09.05.2016 durch den Richter B.
f ü r R e c h t e r k a n n t :
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 49,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 9. Juni 2015 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von der
Rechnung vom 24. April 2015 Rechnungsnummer H 620215 04383 in Höhe von 243,43 EUR freizustellen und diesen Betrag an den Sachverständigen zu entrichten.
3. Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten gemäß §§7, 18 StVG, 115 VVG Anspruch auf Ersatz der nicht bereits beglichenen Reparaturkosten (1.) sowie Freistellung von Sachverständigenkosten (2.)
1. Der Kläger hat Anspruch auf die laut dem von ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten anfallenden Reparaturkosten. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts ungeachtet des Umstandes, dass in den Sachverständigengutachten ein konkreter Reparaturbetrieb nicht genannt ist. Denn die angesetzten Stundenlöhne entsprechen ausweislich der Seite 10 des Gutachtens (vgl. Bl. 16 der Gerichtsakte) denjenigen in einer markengebundene Fachwerkstatt. Eine mühelos zugängliche Reparaturalternative ist von Beklagtenseite nicht dargetan. Der Schädiger kann den Geschädigten zwar unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09 – juris Rn. 6 f. m.w.N.; zuletzt: BGH, Urteil vom 28. April 2015 – VI ZR 267/14 -, juris Rn. 10). Die von dem Beklagten aufgezeigten Referenzbetriebe sind für den Kläger jedoch nicht ohne weiteres zugänglich. Denn sie befinden sich mehr als 20 km von seinem Wohnort entfernt und sind damit nur unter erheblichen, dem Kläger nicht zumutbaren Aufwand erreichbar. Dies gilt auch dann, wenn die Werkstätten über einen kostenlosen Hol- und Bringservice verfügen. Denn es kann nicht vom Geschädigten verlangt werden, sein Fahrzeug einem vom Geschädigten benannten Reparaturbetrieb bzw. einem dortigen Mitarbeiter zur Fahrt anzuvertrauen.
Der Zinsanspruch ergibt sich § 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Mit Schreiben vom 4. Mai 2015 hat der Kläger die Zahlung der Reparaturkosten angemahnt.
2. Der Kläger hat auch Anspruch auf Ersatz der in Sachverständigenkosten. Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aliein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigen kosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Der später ermittelte Schadensumfang kann im Rahmen tatrichterlicher Würdigung nach § 287 ZPO allenfalls ein Gesichtspunkt für die Beurteilung sein, ob eine Begutachtung tatsächlich erforderlich war oder ob nicht möglicherweise andere, kostengünstigere Schätzungen -wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines Reparaturbetriebs – ausgereicht hätten (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03 -, juris Rn. 16 ff. m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war eine sachverständigte Begutachtung vorliegend erforderlich und zweckmäßig. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, technischer Laie zu sein. Aufgrund des Umstandes, dass die Beschädigung im Rahmen eines Auffahrunfalles entstanden sind, waren Karosserieschäden nicht ohne weiteres auszuschließen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reparaturkosten lediglich 690,20 EUR netto betrugen, denn dieser Betrag stand vor der Begutachtung nicht bereits fest.
Der Sachverständige hat einen Anspruch gegen den Kläger, bezüglich dem dieser von den Beklagten Freistellung verlangen kann. Durch Vorlage der von ihm vorgelegten Vereinbarung mit dem Sachverständigen vom 24. Februar 2015 hat der Kläger nachgewiesen, diesen beauftragt zu haben. Insoweit die Beklagten pauschal bestreiten, dass eine Beauftragung erfolgt ist, war dem mangels substantiierten Vortrages zu der vorgelegten Erklärung nicht weiter nachzugehen. Auf die von den Beklagten aufgeworfene Frage, auf wessen Veranlassung der Kläger das Gutachten in Auftrag gegeben bzw. unter welchem Umständen es dazu kam, kommt es nach Auffassung des Gerichts ebenso wenig an, wie ob der Kläger deutsch spricht. Maßgeblich ist allein, ob die für die (nachgewiesene) Beauftragung abgerechneten Gebühren zur Schadenswiederherstellung erforderlich waren.
In der Sache und in der Höhe sind die geltend gemachten Gutachtenkosten (Grundgebühr und Nebenkosten) nicht zu beanstanden, da sie mit nachfolgenden Grundsätzen vereinbar sind.
Ein Verkehrsunfallgeschädigter kann grundsätzlich einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Verkehrsunfallgeschädigten machen würde. Gleichwohl ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) der Verkehrsunfallgeschädigte gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies verlangt von ihm jedoch nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift vernachlässigt werden, dass nämiich dem Verkehrsunfaügeschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Verkehrsunfallgeschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Verkehrsunfaügeschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglichenweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Allgemein darf sich der Verkehrsunfallgeschädigte bei der Beauftragung eines Kraftfahrzeugsachverständigen aber schon damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13; Urt. v. 22.07.2014 – VI ZR 357/13). Bei der durch das Gericht vorzunehmenden Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO bildet der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Aufwandes. Hierin schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urt. v. 22.07.2014 – VI ZR 357/13).
Hinsichtlich der Methode zur Abrechnung der Grundgebühr muss sich der Verkehrsunfallgeschädigte vom Schädiger gerade nicht auf eine bestimmte Abrechnungsmethode, wie die Honorarumfrage bzw. das Gesprächsergebnis eines Sachverständigenverbandes, verweisen lassen (BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13).
Die Berechnung der Grundgebühr ist nicht unangemessen hoch. Denn nur wenn der Verkehrsunfallgeschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urt. v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Grundgebühr und gutachterlicher Leistung ist nicht festzustellen.
Es unterliegt keinen grundsätzlichen Bedenken, dass neben einer Grundgebühr noch Nebenkosten abgerechnet wurden. Auch hinsichtlich der Art der einzelnen Nebenkostenpositionen ist der Sachverstädnige im Wesentlichen frei. Schließlich existiert keine Honorarordnung für Sachverständige und eine Preiskontrolle findet als solche nicht statt.
Die Höhe der Nebenkosten ist ebenso nicht zu beanstanden. Dass der Verkehrsunfallgeschädigte von vornherein erkannt haben müsste, dass die Nebenkosten unangemessen hoch oder gänzlich unbegründet seien, die in der Branche üblichen Preise also deutlich übersteigen würden, erschließt sich nicht. Eine geradezu willkürliche Festsetzung dieser Positionen oder ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Honorar hat sich dem Verkehrsunfallgeschädigten hier jedenfalls nicht aufdrängen müssen.
Hinsichtlich der Höhe der Grundgebühr und der Nebenkosten kann dahinstehen, ob sich der Kläger auf die BVSK Honorarbefragung 2013 verweisen lassen muss, da sich die abgerechneten Gebühren und Kosten des Klägers im Wesentlichen und im Ergebnis innerhalb dem Grenzen dieser Honorarbefragung bewegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war mangels Vorliegens der diesbezüglichen Voraussetzungen (vgl. § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO) nicht zuzulassen.
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>