Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und-Leser,
bevor es nun bald in die verdiente Weihnachtspause geht, stellen wir Euch hier noch ein Urteil aus Leipzig zur fiktiven Schadensabrechung mit Stundenverrechnungssätzen, Ersatzteilzuschlägen und Beilackierungskosten gegen die Sparkassen Versicherung Sachsen vor. Um es vorweg zunehmen: Es handelt sich, unserer Meinung nach, um eine positive – und vor allem richtige – Entscheidung, bei der sämtliche Schadenspositionen mit zutreffender Begründung zugesprochen wurden. Teuer wurde der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Leipzig für die Versichertengemeinschaft der Sparkassen Versicherung auch noch, da das erkennende Gericht noch ein Gerichtsgutachten eingeholt hat. Jetzt hat die Versichertengemeinschaft nicht nur die gekürzten Schadensbeträge plus Zinsen nachzuzahlen, sondern auch noch die Anwalts- und Gerichtskosten und die Kosten für das gerichtliche Sachverständigengutachten. Ein wahrlich unwirtschaftliches Unterfangen. Und dabei ist die Sparkassen Versicherung auch ihren Versicherten gegenüber zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Die Versicherungsaufsicht sollte einmal ein Auge auf die Praktiken der Sparkassen Versicherung Sachsen werfen, denn die Versichertengelder sind der Versicherung nur anvertraut. Warum allerdings der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige, der nicht dessen Erfüllungsgehilfe ist, nicht die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt eingesetzt hat, erschließt sich mir nicht [BGH VI ZR 53/09 Leitsatz a)]. Lest selbst das Urteil und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Euer Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 113 C 441/15
Verkündet am: 06.06.2016
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin
gegen
Sparkassen-Versicherung Sachsen Allgemeine Versicherung AG, An der Flutrinne 12, 01139 Dresden, vertreten d.d. Vorstand
– Beklagte
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht K.
aufgrund der Aktenlage am 30.05.2016 gemäß § 495a ZPO am 08.06.2016
für Recht erkannt:
1. Das Versäumnis urteil des Amtsgerichtes Leipzig vom 13.02.2015 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreites.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 429,33 € festgesetzt.
Tatbestand
Gemäß § 313a ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten weiteren Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 115 VVG.
Am 02.09.2014 wurde der im Eigentum der Klägerin stehende Pkw durch einen Fahrer des über die Beklagte versicherten Lkw beschädigt. Die Eintrittspflicht der Beklagten für berechtigte Schadenersatzansprüche zu 100 % ist unstreitig.
Auf die Forderung der Klägerin, bezüglich von Nettoreparaturkosten in Höhe von 3.303,60 €, hat die Beklagte einen Betrag über 2.874,27 € geleistet. Die Differenz über 429,33 € macht die Klägerin geltend.
Die Beklagte wendet ein, dass die Klägerin in dem Kfz-Meisterbetrieb … eine gleichwertig, aber zu deutlich günstigen Konditionen Reparatur erlangen können. Die in der Prüfkalkulation aufgeführten Stundenpreise für Karosseriearbeiten von 75,00 € und Lohn für Lack inkl. Lackmaterial für 134,00 € seien jedem Endverbraucher zugänglich. Unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 75,00 € und unter Abzug der für die Beilackierung angesetzten Kosten im Prrvatgutachten der Klägerin würden sich erforderliche Nettoreparaturkosten in Höhe von 2.740,89 € ergeben. Auch seien die UPE-Aufschläge nicht erstattungsfähig.
Dementgegen begründet die Klägerseite ihre Auffassung damit, dass nach ständiger Rechtsprechung auch bei der fiktiven Abrechnung eines Schadenersatzanspruches Reparaturkosten vollständig zu ersetzen wären. Hinsichtlich der Stundenverrechnungssätze sei kein Geschädigter gehalten, ausnahmslos den billigsten Anbieter zur Schadensbehebung zu wählen. Stundensätze einer Markwerkstatt würde die Klägerin nicht verlangen. Unstreitig würden der klägerischen Kalkulation 75,00 € je Stunde zugrunde liegen und die Beklagte würde für die Karasseriearbeiten denselben Satz zugrunde legen, nur für die Elektrik 3,00 € weniger. Die Abweichungen wären schadensrechtfich unbeachtlich. Nach Auffassung der Klägerserte seien die Kosten der Beilackierung notwendig. Bei der Beilackierung müssten angrenzende Karosserieteile, die eigentlich nicht beschädigt wären, durch einen sanften Farbüberzug so lackiert werden, dass in der umgebenden Fläche eine vorher vorhandene Farbtondifferenz für das menschliche Auge unsichtbar gemacht würde. Dies träfe vorliegend zu.
Nach § 249 Abs. 2 BGB hat der Ersatzpflichtige den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag zu leisten. Nach ständiger Rechtsprechung des BGHs sind dies diejenigen Aufwendungen, die ein verständig wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für notwendig und zweckmäßig halten durfte. Bestehen mehrere Wege zur Herstellung, hat der Geschädigte im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren zu wählen.
Grundsätzlich kann der Geschädigte fiktiv die Reparaturkosten geltend machen.
Aus den Darlegungen der Klägerseite ergibt sich, dass diese in ihrer Berechnung die UPE-Zuschläge nicht mehr einbezieht, sie jedoch im Rahmen des Rechtsstreites für problematisch ansieht. Das Gericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die UPE-Zuschläge erstattungsfähig sind. UPE-Aufschläge sind bei einer fiktiven Abrechnung ersatzfähige Schadenspositionen. Insoweit ist auf die Rechtsprechung des OLG Dresden, Urteil vom 13.06.2001, Az.. 13 U 600/01, zu verweisen. Das OLG Dresden hat die Verbringungskosten als ersatzfähige Schadenspositionen bei fiktiver Abrechnung angesehen. Hinsichtlich der UPE-Aufschläge handelt es sich um eine gleichgelagerte Problematik, so dass die Rechtsprechung des OLG Dresden hinsichtlich der Verbringungskosten auch auf die UPE-Zuschläge übertragbar ist.
Das Vorbringen der Beklagtenseite hinsichtlich des Stundenverrechnungssatzes für Karosseriearbeiten über 75,00 € ist nicht nachvollziehbar, da ausweislich des von der Klägerseite vorgelegten Gutachtens der Sachverständige bezüglich der Stundenverrechnungssätze für Karosseriearbeiten ebenfalls von 75,00 € ausgeht. Stundenverrechnungssätze für Arbeiten an der Elektrik dürften eine absolut untergeordnete Rolle spielen, da es diesbezüglich beide Nebelscheinwerfer und Scheinwerfer vom links lediglich betrifft. Insgesamt berechnet der Sachverständige dafür 9 AW, d.h. 0,9 Stunden. Die Differenz, bezogen auf einen Stundenverrechnungssatz von 72 Stunden, beträgt somit 2,70 € und in diesem Umfang kann keinesfall die von der Klägerin geltend gemachten Kosten als überhöht angesehen werden.
Wie sich aus oben Genannten ergibt, vertritt die Beklagte die Auffassung, dass die Beilackierung nicht notwendig gewesen sei und bringt dafür einen Betrag in Höhe von 342,63 € in Abzug. Das Gericht hat diesbezüglich ein Gutachten eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweiserhebung wird auf das Gutachten vom 29.03.2016 verwiesen. Der Sachverständige kommt in seinem nachvollziehbaren Gutachten zu der eindeutigen Feststellung, dass die Beilackierung als erforderlich anzustehen ist. Er führt dazu aus: „Auf der Basis der vorliegenden Unterlagen im Hinblick auf das zu betrachtende Schadensbild am klägerischen Pkw VW Sharan mit dem amtlichen Kennzeichen … mit dem erforderlichen Austausch der vorderen Stoßfängerverkleidung und des linken Vorderkotflügel i.V.m. der hierzu erforderlichen Reparaturiackierung ist aus Sicht des Unterzeichners eine Beilackierung der unmittelbar angrenzenden Karosserieflächen (Tür vorn links) aufgrund der vorliegenden Lackart (2Schicht-Metallic) sowie des Fahrzeugalters als erforderlich anzusehen.“ Er verweist diesbezüglich auf die Unterschiede im Lackaufbau zwischen einer Werkslackierung und einer Reparaturiackierung sowie zu erwartenden Farbtonveränderungen in den nicht betroffenen Karosseriebereichen, zumindest aufgrund von UV-Strahlung.
Dem steht nicht entgegen, dass es sich vorliegend um eine fiktive Abrechnung handelt.
Die Klägerin hat Anspruch auf Verzugszins wie ausgeurteilt. Dieser bliebt dem Grunde und der Höhe nach unbestritten.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 344 ZPO entsprechend dem Unterliegen der Beklagten im Rechtsstreit.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 713 ZPO und die Höhe des Streitwertes gemäß § 3 ZPO aus der Höhe der geltend gemachten Forderung.