Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
zum Wochenbeginn stellen wir Euch hier wieder ein im Ergebnis richtiges Urteil aus Otterndorf zu den Mietwagenkosten gegen die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse vor. Manche Gerichte sehen einen Mittelwert aus Schwacke und Fraunhofer als erforderlichen Mietpreis für die notwendigen Anmietkosten für ein durch den Unfall total beschädigtes Fahrzeug oder für die Zeit der Reparatur an, wobei allerdings diese Ansicht u.E. falsch ist, denn welches Unfallopfer als juristischer Laie kennt schon Schwacke oder Fraunhofer und geschweige denn einen Mittelwert. Entscheidend kommt es aber auf die Sichtweise des Geschädigten bei Abschluss des Mietvertrages an. Die Ex-ante-Betrachtung des Geschädigten ist das entscheidende Stichwort. Wahrt der Geschädigte die vom BGH anerkannten Preise nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel (vgl. BGH ZfS 2008, 383, 441), so ist weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Kontrolle der berechneten Preise durchzuführen, denn anderenfalls würde das Unfallopfer als unvernünftig handelnder Mensch dargestellt. Im Schadensersatzprozess hat das Gericht lediglich im Rahmen des unmittelbaren Schuldverhältnisses, das sich aus der unerlaubten Handlung Unfall ergibt, zu entscheiden. Mietvertragliche – ebenso wie werkvertragliche – Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle, denn diese betreffen andere Rechtsbeziehungen. Nachdem der BGH aber auch die Franhofer-Tabelle als geeignete Schätzgrundlage anerkannt hat, hatte sich die HUK-COBURG ganz entschieden auf diese Tabelle gestützt. Nachdem aber wohl die Mehrzahl der Gerichte die Fraunhofer-Tabelle wegen der in ihr steckenden Mängel abgeleht haben, versteifte sich die HUK-COBURG auf eine Mittelwertlösung. Aber auch diese scheint der HUK-COBURG nun offensichtlich zu viel Schadensersatz zu sein? Es fragt sich, ob es rechtsdogmatisch überhaupt gerechtfertigt war, hier im konkreten Fall eine Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Immerhin hatte der Geschädigte eine Rechnung vorgelegt. Mit dieser Rechnung hat er bewiesen, dass ihn eine Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung in Höhe des Rechnungsbetrages trifft. Die Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung ist als Schaden anerkannt (vgl. Offenloch ZfS 2016, 244, 245 Kap. 2 mit Hinweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung). Dieser ist dann über § 249 I BGB im Rahmen der Naturalrestitution zu ersetzen. Selbst wenn aber das Gericht unbedingt § 287 ZPO anwenden will, so hätte es diesen als Darlegungs- und Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten anwenden müssen, denn § 287 ZPO gibt dem Gericht keine Berechtigung einen dokumentierten, konkreten Schaden im Nachhinein zu minimieren, indem in (miet-) vertragliche Ansprüche eingegriffen wird. Völlig außer Acht gelassen ist auch die Position des Autovermieters. Dieser ist – ebenso wie die Werkstatt oder der Sachverständige (vgl. dazu BGHZ 63, 182 ff und OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.) – Erfüllungsgehilfe des Schädigers. Eventuelle Fehler desselben gehen zu Lasten des Schädigers. Ihm ist es unbelassen, nach Abtretung eventueller Bereicherungsansprüche gegen seinen Erfüllungsgehilfen vorzugehen und den Vorteilsausgleich zu suchen (vgl. hierzu Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.). Insoweit ist auch dieses Mietwagenurteil, obwohl im Ergebnis richtig, in der Begründung bedenklich. Auch die unreflektierte Bezugnahme auf OLG Celle erscheint mehr als bedenklich. Lest aber selbst das Urteil von der Unterelbe und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
Amtsgericht
Otterndorf
2 C 344/16
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK Coburg Haftpflicht-Unterstützungskasse kraftfahrende Beamte Deutschland a.G., vertr.d.d. Vorst. Weiler, Gronbach, Heitmann, Heroy, Rössler, Thoma, Bahnhofsplatz, 96444 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Otterndorf im Verfahren gem. § 495 a ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 12.12.2016 am 11.01.2017 durch die Richterin am Amtsgericht K. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 77,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.09.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 77,40 € festgesetzt.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 77,40 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 Abs. 2 S. 1 BGB wegen Kosten für die Inanspruchnahme eines Mitwagens nach einem von einem Versicherungsnehmer der Beklagten verursachten Verkehrsunfall zu.
Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Einwände der Beklagten gegen die Höhe der geltend gemachten Mietwagenkosten greifen im Ergebnis nicht durch.
1. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs war zunächst dem Grunde nach erforderlich. Die Beklagte hat durch ihre vorprozessuale Zahlung auf die Mietwagenkosten in Höhe von 232 € gemäß ihrer Abrechnungsschreiben vom 14.07.2016 und vom 29.07.2016 mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Einwendungen gegen die Notwendigkeit der Anmietung des Ersatzfahrzeugs erhebt, sondern dass sie sich lediglich gegen die Höhe der Mietwagenkosten wendet (vgl. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 09.05.2014). Der Haftpflichtversicherer des Schädigers kann aber u.a. die Erforderlichkeit der Anmietung eines Mietwagens als solche nicht mehr bestreiten, wenn er aufgrund der ihm vorgelegten Rechnung des Autovermieters dem Geschädigten ein Abrechnungsschreiben übersendet und in diesem lediglich die Mietkosten als überhöht kürzt (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2013 – 1 U 130/12; KG Berlin vom 11.02.2010 – 12 U 92/09). Die Beklagte kann daher mit ihren Einwendungen im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeit und den Nutzungswillen nicht gehört werden. Zudem ist allein aufgrund der ländlichen Lage des Wohnortes des Geschädigten und seines Arbeitsortes in Cuxhaven davon auszugehen, dass er täglich auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen war. Dem Gericht ist bekannt, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel von Ihlienworth aus nicht zumutbar ist.
2. Entsprechend der Rechtsprechung des OLG Celle, der sich das Gericht anschließt, hat das Gericht die Höhe der Mietwagenkosten auf der Grundlage des arithmetischen Mittels von Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle gemäß § 287 ZPO geschätzt (vgl. zuletzt OLG Celle, Urteil vom 13.04.2016 – 14 U 127/15).
Die Berechnung hat der Kläger entsprechend den Vorgaben des OLG Celle aus den genannten Entscheidungen beanstandungsfrei vorgenommen. Das Gericht nimmt hierauf Bezug. Insbesondere ist er auch zutreffend davon ausgegangen, dass der beschädigte Pkw Nissan Qashqai in die Fahrzeuggruppe 6 und nicht 5 einzuordnen ist. Hiervon ging -jedenfalls vorgerichtlich – auch die Beklagte aus, denn nach Aufforderung des Klägervertreters mit Schreiben vom 28.07.2016 (Anlage K4, Bl. 9 d.A.) hat die Beklagte mit Schreiben vom 29.07.2016 (Anlage K3, Bl. 8 d.A.) mitgeteilt, dass sie 32 € Mietwagenkosten überwiesen habe. Zuvor hatte die Beklagte bereits 200 € an Mietwagenkosten gezahlt. Entsprechend der Gruppe 6 mit einem Tagessatz von 58 € (vgl. Erstinformationsschreiben der Beklagten vom 06.06.2016, Bl. 19 d.A.) errechnet sich bei vier Tagen Reparaturdauer ein Gesamtbetrag von 232 €.
Soweit die Beklagte behauptet hat, es handele sich um einen Unfallersatztarif, der 30 % oberhalb des Normaltarifs liege, dringt sie hiermit ebenfalls nicht durch, da sich die abgerechneten Beträge in den errechneten Grenzen nach der Entscheidung des OLG Celle und der Kombination aus der Schwacke-Liste und dem Fraunhofer-Mietpreisspiegel halten.
3. Da die Preise danach nicht deutlich überhöht waren, wie es die Beklagte dennoch behauptet, sondern sich in den genannten Grenzen hielten, kann dem Kläger auch nicht im Rahmen von § 254 Abs. 2 BGB vorgeworfen werden, er habe sich nicht nach günstigeren Angeboten erkundigt. Hierzu war er – jedenfalls unter diesen Umständen – nicht verpflichtet. Er durfte die Preise für erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB halten.
Soweit die Beklagte einwendet, der Kläger habe das mit Schreiben vom 06.06.2016 übersandte Vermittlungsangebot nicht angenommen, ist zu berücksichtigen, dass dieses keine konkreten Konditionen beinhaltet. Es enthält lediglich einen pauschalen Hinweis auf die Partnerfirmen Europcar und Caro unter Nennung einiger Vorteile. Ob dort ein gleichwertiges Fahrzeug zu gleichen Konditionen wie die tatsächliche Anmietung im konkreten Zeitraum möglich gewesen wäre, ist hingegen nicht ersichtlich, insbesondere werden auch keine Preise genannt, so dass die Prüfung einer Vergleichbarkeit nicht möglich ist. Damit hat die Beklagte jedoch nicht im Sinne der Anforderungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, NJW 2013, 1539 ff. – juris-Rn. 12) hinreichend dargelegt, dass der zur Schadensbehebung erforderliche maßgebende Normaltarif zum Zeitpunkt der Anmietung tatsächlich deutlich günstiger gewesen sein könnte als der aus dem arithmetischen Mittel der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-Tabelle ermittelte Normaltarif (OLG Celle, Urteil vom 13.04.2016). Dass der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB verstoßen hat, ist daher nicht ersichtlich.
4. Schließlich ist auch das Bestreiten der Beklagten im Hinblick auf die Zulässigkeit eines zweiten Fahrers nicht erheblich. Auch solche Zusatzkosten sind im Rahmen der Ermittlung des Normaltarifs zu berücksichtigen, sofern sie tatsächlich in den streitgegenständlichen Mietverhältnissen angefallen sind. Für die Erstattungsfähigkeit reicht grundsätzlich aus, dass die Klagpartei, wie im vorliegenden Fall, vorträgt, dass das beschädigte Fahrzeug durch den zweiten Fahrer genutzt worden sei, der im Mietvertrag auch entsprechend aufgeführt ist (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012 – 14 U 49/11 juris-Rn. 72 f.; OLG Köln, NZV 2010, 614 juris-Rn. 11). Dass die Ehefrau des Klägers im Mietvertrag als zusätzlicher Fahrer aufgeführt ist, hat die Beklagte nicht bestritten. Sie hat lediglich pauschal vorgetragen, dass die Zulässigkeit eines zweiten Fahrers bestritten werde. Dies reicht für die Berücksichtigung als Einwand gemäß § 254 Abs. 2 BGB jedoch nicht aus (vgl. OLG Celle und OLG Köln a.a.O.). Der Höhe nach belaufen sich diese Kosten entsprechend der Nebenkostentabelle Schwacke auf 13,77 € täglich, so dass sich für vier Tage ein Betrag von 55,08 € errechnet.
5. Auch die Kosten für eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung sind dem Kläger zu erstatten, dies unabhängig davon, ob sein eigenen Fahrzeug in gleicherweise versichert war (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012 – 14 U 49/11 juris-Rn. 56). Mehrkosten zur Erlangung eines derartigen Versicherungsschutzes sind deshalb bei der Bestimmung des Normaltarifes zu berücksichtigen, sofern nach dem tatsächlich geschlossenen Mietvertrag ein entsprechender Versicherungsschutz vereinbart worden ist, was nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers der Fall war. Die Fraunhofer-Tarife enthalten eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung zwischen 750 und 950 €. Die Schwacke-Basistarife umfassen hingegen keine Vollkaskoversicherung. Deshalb sind diese Mehrkosten wie auch sonstige andere Nebenleistungen, die weder in den Werten von Fraunhofer noch von Schwacke enthalten sind, im Rahmen der Normalpreisberechnung später noch dem ermittelten arithmetischen Mittelwert aus den Tabellen von Fraunhofer und Schwacke zuzuschlagen. Entsprechend der Nebenkostentabelie Schwacke belaufen sich diese Nebenkosten für vier Tage auf insgesamt 55,08 €.
6. Nach alledem errechnen sich nach dem arithmetischen Mittel Mietwagenkosten von insgesamt (250,30 € + 87,88 € + 55,08 € =) 393,26 €. Auf die Rechnung in Höhe von 309,40 € hat die Beklagte lediglich einen Betrag von 232 € gezahlt, so dass der tenorierte Betrag in Höhe von 77,40 € verbleibt.
II. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288Abs. 1, 291 BGB. Die Klage ist der Beklagten am 16.09.2016 zugestellt worden, so dass dem Kläger Zinsen ab dem 17.09.2016 zustehen (vgl. §187 ZPO).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert wurde nach § 3 ZPO festgesetzt.