Mit Hinweisbeschluss vom 01.06.2010 (5 S 18/10) hat das LG Mönchengladbach dargelegt, warum es nicht länger der Auffassung ist, den Normaltarif auf der Grundlage des Mittelwerts zwischen der Schwacke-Liste 2007 und Fraunhofer Liste 2008 zu schätzen, sondern die Schwacke-Liste 2007 heranziehen will.
Der Beschluss im Wortlaut:
Die Kammer weist darauf hin, dass sie an ihrer im Termin vom 11.05.2010 geäußerten Auffassung, den Normaltarif auf der Grundlage des Mittelwerts zwischen der Schwacke-Liste 2007 und der Frauenhofer-Liste 2008 zu schätzen, nicht festhält, sondern die Schwacke-Liste 2007 als Schätzungsgrundlage heranziehen will.
Die Kammer hatte bisher immer die Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage im Sinne von § 287 ZPO herangezogen. Diese bedarf nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. Urteil vom 11.02.2008 – VI ZR 164/07) nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Das dürfte vorliegend nicht der Fall sein.
Zu den wesentlichen im Termin vom 11.05.2010 angesprochenen Argumenten:
1. Auffällige Preissteigerung von Schwacke 2003 zu 2007
Die Preissteigerung von Schwacke 2003 zu Schwacke 2007 in den von der Kammer zu entscheidenden Fällen liegt zwischen 17 % und 23 %. Nach Auskunft des statistischen Bundesamts haben sich die Preise im Bereich „Verkehr“ zwischen 2003 und 2006 um ca. 10 % erhöht (vgl. Richter VersR 2007, 620), so dass die jährliche Erhöhung bei ca. 3 % liegt. Das bedeutet, dass die Erhöhung zwischen 2003 und 2007 ca. 13 % betragen dürfte. Rechnet man nun die Mehrwertsteuererhöhung von 16 % auf 19 % hinzu, liegt die Preissteigerung bei 16 %. Vor diesem Hintergrund gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Preissteigerung zwischen den Listen 2003 und 2007 auffällig und ein Indiz dafür sei, dass die Autovermieter bei der nicht anonymen Abfrage falsche Angaben gemacht haben.
2. Vorbuchungsfrist
Die Kammer hatte bekanntlich argumentiert, dass die einwöchige Vorbuchungsfrist der Anwendung von Fraunhofer nicht entgegenstehe, weil es hier um die Ermittlung des Normaltarifs gehe und es in der Normalsituation nicht unüblich sei, ein Fahrzeug mit einer Frist von einer Woche vorzubuchen.
Dagegen spricht folgende Überlegung: der BGH stellt bei der Nichtzugänglichkeit eines wesentlich günstigeren Tarifs immer auf die konkrete Unfallsituation unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten ab (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2010 – VI ZR 7/09 – Rn. 13 und 14). Das spricht dafür, auch bei der Ermittlung des Normaltarifs im Übrigen auf die konkrete Unfallsituation abzustellen, die im Regelfall eine kurzfristige Anmietung zur Folge hat.
Die ergänzende Untersuchung von Fraunhofer, wonach die Vorbuchungszeiten nur einen geringen Einfluss auf die Preisbildung hätten, beruht auf einer sehr geringen Datenbasis (vgl. Richter aaO) und erscheint für die Kammer daher nicht stichhaltig.
3. Modus /arithmetisches Mittel
Die Kammer hat es in der Vergangenheit immer für richtig gehalten, den Normaltarif nach dem Modus-Wert (Preis, der jemandem am häufigsten genannt wird, wenn man sich nach Preisen erkundigt) zu ermitteln. Das spricht gegen die Eignung von Fraunhofer, da dort nur das arithmetische Mittel genannt wird. Das arithmetische Mittel ist jedoch kein Preis im Sinne der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09).
4. Vollkasko mit 750,00 € bis 1.000,00 € SB
Gegen Fraunhofer, insbesondere auch die „Kombination“ von Schwacke und Fraunhofer, spricht der hohe Selbstbehalt (bei Schwacke sind es nur 500,00 €). Die großen Vermieter lassen sich eine weitere Haftungsreduzierung durch Aufschläge auf den Grundpreis bezahlen, so dass es sich bei Fraunhofer nicht um den Endpreis (= Grundpreis + Nebenkosten) handelt und sich die Preise daher nur bedingt mit Schwacke vergleichen lassen. Ähnliche Probleme ergeben sich daraus, dass bei Fraunhofer die übrigen Nebenkosten gleichfalls nicht genannt werden.
Soweit das LG Mönchengladbach.