Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
heute am Karfreitag stellen wir Euch hier noch ein weiteres historisches BGH-Urteil zum § 287 ZPO und zum Verdienstausfall vor. Diejenigen Leser, die schon über die historischen BGH-Urteile mit Unverständnis reagieren, seien versichert, dass wir nach Ostern wieder mit Schadensersatzurteilen neueren Datums aufwarten. Es liegt ein Stau von September 2016 bis heute vor. Das letzte uns zugeleitete Urteil datiert vom 28.3.2017. Diese Urteile müssen eingescannt und bearbeitet werden. Nichts desto Trotz haben auch die älteren BGH-Urteile ihre Bedeutung. Selbst Urteile des Reichsgerichts in Zivilsachen haben noch Bedeutung bis heute. Denn das Reichsgericht hatte bereits im Jahr 1928 über die Bedeutung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB entschieden. Danach sind unter erforderlichen Kosten solche zu verstehen, die zur Vornahme der Herstellung des vorherigen Zustandes benötigt werden (RG JW 1928, 1744). Dabei hat auch schon das RG entschieden, dass Schadensersatz im Sinne des § 249 BGB nämlich nicht der Ausgleich der tatsächlich angefallenen Reparaturkosten , sondern der Ersatz des Wiederherstellungsaufwandes ist (RG a.a.O.). Lest aber selbst das BGH-Urteil aus dem Jahre 1963 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und noch einen schönen arbeitsfreien besinnlichen Karfreitag
Willi Wacker
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 237/63 Verkündet am: 02. Februar 1965
In dem Rechtsstreit
…
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 1965 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Dr. Engels und der Bundesrichter Hanebeck, Dr. Hauß, Dr. Pfretzschner und Dr. Nüßgens
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das an Stelle der Verkündung am 30. August und 2. September 1963 zugestellte Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 4. Zivilsenat in Freiburg – (4 U 187/62) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die am … 1925 geborene Tochter des Klägers, M. S., erlitt durch einen Zusammenstoß mit einem vom Beklagten gesteuerten Personenwagen am 10. Juni 1953 in Freiburg einen Unfall, bei dem sie schwere Verletzungen, insbesondere eine Gehirnquetschung, davontrug. Sie studierte z.Zt. des Unfalls Medizin im 9. Semester. Am 14. November 1957 hat sie nach dem Studium weiterer 7 Semester das medizinische Staatsexamen mit der Note „genügend“ bestanden und am 1. Juni 1959 die Voraussetzungen der Bestallungsordnung für die Ausübung des ärztlichen Berufes in eigener Praxis erfüllt. Wegen ihrer Unfallschäden hat sie den Beklagten und seinen Vater, den Halter des Personenwagens, auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 4. Zivilsenat Freiburg – vom 6. Dezember 1956 – 4 U 20/55 – wurde ihr ein Schmerzensgeld zuerkannt und festgestellt, daß der Beklagte, zur. Teil als Gesamtschuldner neben seinem Vater, verpflichtet ist, ihr allen weiteren Unfallschaden zu ersetzen. Durch Urteil desselben Senats von 3. Dezember 1959 – 4 U 201/58 – ist über den ihr durch den Unfall während des Jahres 1956 entstandenen Verdienstausfall entschieden worden.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger, dem seine Tochter die Schadensersatzansprüche abgetreten hat, 7.000 DM nebst Zinsen als Teilbetrag des Verdienstausfalls, den diese in der Zeit vom 1. Januar 1960 bis 31. März 1961 nach seiner Auffassung infolge des Unfalls erlitten hat. Marianne S. hat in dem genannten Zeitraum als Assistenzärztin am Krankenhaus B. in B. 16.129,92 DM brutto – 12.838,43 DM netto verdient. Der Kläger hat vorgetragen, seine Tochter wurde, wie im Urteil des Oberlandesgerichts vom 3. Dezember 1959 festgestellt sei, ohne den Unfall zu Ende des Sommersemesters 1954 ihr medizinisches Staatsexamen bestanden und vom 1. Oktober 1954 bis 31. Dezember 1955 ihre Pflichtassistentenzeit abgeleistet hoben. Ab 1. Januar 1956 würde sie als freiberufliche Ärztin tätig geworden sein, da in ihrer Familie die Tätigkeit im freien Berufe Tradition sei. Außerdem zeige die Statistik, daß sich die weitaus größte Zahl der jungen Mediziner dem freien Berufe zuwende. Dies sei jedoch seiner Tochter nicht möglich gewesen, weil sie nach den von Prof. Dr. R. in den Vorprozessen erstatteten Gutachten zunächst nur zu 50 %, sodann zu 60 % erwerbsfähig und daher den Anstrengungen des freien ärztlichen Berufes nicht gewachsen gewesen sei. Nach statistischen Erhebungen habe das Durchschnittseinkommen des freiberuflich tätigen Arztes in der Zeit vom 1. Januar 1960 bis 31. März 1961 45.650,- DM betragen. Abzüglich der Einkünfte seiner Tochter im Krankenhaus B. verbleibe ein Schaden von über 30.000 DM. In Wirklichkeit sei der Schaden noch höher. Seine Tochter habe nämlich ihr Einkommen als Assistenzärztin nur durch starke Überanstrengung erzielen können, weil sie wegen ihrer unfallbedingten Gesundheitsschädigung nur zu 60 % erwerbsfähig gewesen sei, Danach seien nur 60 % ihrer tatsächlich erzielten Einnahmen von dem mutmaßlichen Einkommen als Ärztin im freien Beruf abzuziehen. Im übrigen würde sie selbst als angestellte Ärztin ab 1960, also in ihren 7. Berufsjahr, weit mehr als im Krankenhaus B. verdient haben. Es sei davon auszugehen, daß sie in die Lohngruppe TOA II Ortskl. S aufgerückt wäre und durch Gutachten und Überstunden noch hinzuverdient hätte.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat bestritten, daß die Tochter des Klägers ohne den Unfall den freien ärztlichen Beruf gewählt hätte. Das folge schon daraus, daß sie das bisher nicht getan habe, obwohl sie seit Jahren eine Tätigkeit als Assistenzärztin ausübe, die mindestens ebenso anstrengend sei wie der Beruf eines freien Arztes. Ihr Einkommen im Krankenhaus B. sei nicht niedriger als das, was sie als Assistenzärztin ohne den Unfall verdient haben würde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht konnte sich nicht davon überzeugen, daß die Tochter des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 1960 bis 31. März 1961 einen unfallbedingten Verdienstausfall erlitten hat. Es führt aus, der Kläger habe den Beweis nicht geführt, daß seine Tochter, wenn sie den Unfall nicht erlitten hätte, in dem fraglichen Zeitraum als freiberufliche Ärztin tätig gewesen wäre und das entsprechende Einkommen erzielt hätte. Statistiken, aus denen sich nach der Auffassung des Klägers ergebe, daß sich der weitaus größte Teil der jungen Mediziner den freien Beruf zuwende, seien nicht geeignet, die Überzeugung des Senats zu begründen, auch die Tochter des Klägers würde sich ohne den Unfall zur Wahl des freien Berufes entschlossen haben. Gegen diese Behauptung des Klägers spreche zunächst die Tatsache, daß sich seine Tochter bis jetzt jedenfalls nicht in den freien Beruf begeben habe, obwohl sie unstreitig seit 5 Jahren in verschiedenen Krankenhäusern anstrengenden Dienst versehe, der mutmaßlich hinter den Anforderungen einer freien Praxis wenn überhaupt, so nur geringfügig zurückstehe. Der Hinweis, daß in der Familie des Klägers aus Tradition stets der freie Beruf gewählt werde, reiche nicht aus, die Zweifel des Senats zu beseitigen. Bei einer so individuellen und persönlichen Entschließung wie der Berufswahl seien erfahrungsgemäß derartige Traditionen nicht maßgebend. Etwas anderes würde möglicherweise dann gelten können, wenn entsprechende konkrete Pläne der Tochter aus der Zeit vor dem Unfall feststünden. Der Kläger habe aber nicht einmal Erörterungen im Familienkreis über diese Frage behaupten können und habe trotz entsprechenden Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung seine Tochter zu der Frage, welche Berufsabsichten sie vor den Unfall gehabt habe, nicht als Zeugin benannt mit der Begründung, sie könne sich an nichts mehr erinnern. Unter Umständen habe selbst eine Äußerung der Tochter über ihre heutige Einstellung zum Beruf dem Senat Hinweise dafür geben können, wie ihre Entschließung ohne den Unfall ausgefallen wäre. Da das nach der Sachlage einzig erfolgversprechende Beweismittel nach den Willen des Klägers ausscheide, vermöge sich der Senat nicht davon zu überzeugen, daß die Tochter des Klägers in der hier in Betracht kommenden Zeit als freie Ärztin gearbeitet und verdient hätte.
II.
Diese Würdigung wird von der Revision mit Verfahrensrügen angegriffen, jedoch ohne Erfolg.
1. Unter Hinweis auf die Wendung: der Kläger habe „den Beweis nicht geführt“, daß seine Tochter ohne den Unfall den freien Beruf gewählt hätte, rügt die Revision, das Berufungsgericht habe verkannt, daß im Rahmen des § 287 ZPO, soweit die Schätzungsbefugnis reiche, die Beweislast keine Rolle spiele. Die Rüge greift nicht durch. Die angeführte Wendung berechtigt nicht zu der von der Revision gezogenen Folgerung, da das Berufungsgericht im gleichen Zusammenhang an mehreren Stellen, insbesondere am Schluß der Erörterung, die der gesetzlichen Formulierung des § 287 ZPO entsprechende Ausdrucksweise gebraucht, der Senat habe sich „nicht überzeugen können“. Im übrigen stellt sich auch im Rahmen des § 287 ZPO die Frage der Beweislast, wenn sich das Gericht – wie hier – vom Kausalzusammenhang zwischen dem konkreten Haftungsgrunde und der behaupteten Schadensfolge nicht zu überzeugen vermag (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16.12.1960 – VI ZR 51/60 – VersR 1961, 163).
2. Die Vorschrift des § 287 ZPO stellt den Tatrichter bei der Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang zwischen konkretem Haftungsgrund und Schadenseintritt sowie bei der Ermittlung der Schadenshöhe besonders frei und gewährt ihm einen weiten Ermessensspielraum. Dadurch sind der Nachprüfung des Revisionsgerichts enge Grenzen gezogen, da mit der Revision nur Rechtsverletzungen gerügt werden können. Der Senat kann nur nachprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen seines Ermessens verkannt, falschen oder unsachlichen Erwägungen Raum gegeben oder wesentliche Tatsachen außer acht gelassen hat (BGHZ 3, 162, 175) [BGH 27.09.1951 – IV ZR 155/50]. Daß die Würdigung des Berufungsgerichts von solchen Rechtsfehlern beeinflußt wäre, kann der Revision nicht zugegeben werden.
a) Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, daß es bei einer so persönlichen und individuellen Entscheidung wie der Berufswahl nicht nur auf die äußeren Umweltverhältnisse, sondern ausschlaggebend auf die innere Einstellung, die persönlichen Neigungen und die Willensrichtung für die Wahl einer bestimmten Berufsart ankommt. Schon aus diesem Grunde kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß sich die Tochter des Klägers nach der Lebenserfahrung ohne den Unfall bei der Berufswahl ebenso entschieden haben würde wie nach der – vom Berufungsgericht als zutreffend unterstellten – Statistik der weitaus größte Teil der jungen Mediziner. Die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins finden, denn auch keine Anwendung, wenn es sich um die Feststellung eines individuellen Willensentschlusses handelt (vgl. BGH II ZR 146/52 vom 25. März 1953 – LM § 286 ZPO (C) Nr. 11). Wenn das Berufungsgericht aus der jahrelangen anstrengenden Tätigkeit der Tochter des Klägers als Assistenzärztin nach Ableistung der Pflichtassistentenzeit Zweifel gegen die Wahl des freien Arztberufes ohne den Unfall herleitet, so ist auch das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Solchen Zweifeln durfte das Berufungsgericht schon deshalb Raum geben, weil es sich nicht davon überzeugen konnte, daß – wie der Kläger behauptet – der freie Beruf erheblich höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit stellt als die anstrengende Tätigkeit einer Assistenzärztin.
b) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe zu dieser Frage mangels eigener Sachkunde einen Sachverständigen zuziehen müssen. Es habe sich auch nicht mit dem Gutachten von Prof. Dr. R. vom 24. März 1961 in der Sache 4 U 201/56 auseinandergesetzt, aus dem sich ergebe, daß die Tochter des Klägers nicht mehr in der Lage sei, sich freiberuflich niederzulassen, weil sie nicht voll leistungsfähig sei.
Der Kläger hat hierzu vorgetragen, als Assistenzarzt in im Krankenhaus habe seine Tochter eine geregelte Arbeits- und Freizeit; in der Arbeitszeit habe sie immer wieder die Möglichkeit auszuruhen und sei tatsächlich nicht dauernd angespannt. Der freiberufliche Arzt dagegen müsse neben der anstrengenden Tätigkeit in der Sprechstunde, die sich oft bis in den Abend hinein erstrecke, Tag und Macht für die Patienten zur Verfügung stehen. All das bedinge eine ungleich stärkere Anspannung, als dies bei einem Assistenzarzt im Krankenhaus der Fall sei.
Dieses Vorbringen konnte das Berufungsgericht aus allgemeiner Erfahrung selbst beurteilen und nach seinem freien Ermessen von der Zuziehung eines Sachverständigen absehen, die vom Kläger nicht einmal beantragt war. Seine Würdigung läßt auch sonst keinen Verstoß gegen die Grundsätze des § 287 ZPO erkennen. Das Maß der beruflichen Belastung einer freiberuflichen jungen Praktikerin kann nur mutmaßlich geschätzt werden.
c) Entgegen der Meinung der Revision bieten die Ausführungen des Berufungsgerichts keinen Anhalt dafür, daß es das Gutachten von Prof. Dr. R. außer Betracht gelassen hätte. Es hat das Gutachten ausdrücklich erwähnt und geht mit dem Sachverständigen davon aus, daß die Tochter des Klägers in der fraglichen Zeit in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beschränkt war. Es mußte aber dem Gutachten – auch bei Berücksichtigung des ihm durch § 287 ZPO gewährten weiten Ermessensrahmens – nicht entnehmen, daß Marianne S. infolge ihrer verminderten Leistungsfähigkeit den Anforderungen des freien ärztlichen Berufes nicht gewachsen war. Über die hier streitigen Fragen spricht sich der Sachverständige nicht aus, sondern beurteilt lediglich entsprechend dem ihm erteilten Auftrag Art und Ausmaß der unfallbedingten Gesundheitsschäden; diese hat das Berufungsgericht berücksichtigt.
d) Die in das Wissen der Ehefrau des Klägers gestellte Behauptung, Marianne S. sei nach Meinung des Chefarztes des Krankenhauses in C. nicht zu selbständiger Tätigkeit als Chirurgin oder Orthopädin in der Lage und überhaupt nur beschränkt erwerbsfähig, hat das Berufungsgericht als richtig unterstellt, aber als nicht erheblich angesehen, weil die Tochter des Klägers lange vor der hier in Betracht kommenden Zeit in C. tätig gewesen sei. Es konnte daher nach seinem freien Ermessen gemäß § 267 ZPO von der Vernehmung der Zeugin absehen, zumal aber den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit der Tochter des Klägers das lange Zeit später von Prof. Dr. R. erstattete Gutachten vom 24. März 1961 vorlag.
e) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Familientradition sei bei einer so individuellen Entscheidung wie der Berufswahl nicht ausschlaggebend, läßt entgegen der Meinung der Revision keinen Verstoß gegen die Lebenserfahrung erkennen. Zu Unrecht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht zu dieser Frage die Ehefrau des Klägers nicht vernommen hat. In das Wissen der Zeugin waren zwei Tatsachen gestellt: Marianne S. sei in ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, und die Wahl eines freien Berufes entspreche der Familientradition. Die letztere Tatsache hat das Berufungsgericht als richtig unterstellt, die erste als erwiesen erachtet. Von der Vernehmung der Zeugin konnte es daher absehen.
III.
1. Das Berufungsgericht ist danach bei der Ermittlung des Verdienstausfalls ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß die Tochter des Klägers Assistenzärztin bis zum 31. März 1961 geblieben wäre. Es hat zu der Behauptung des Klägers, seine Tochter würde ohne den Unfall als Assistenzärztin in der hier fraglichen Zeit mindestens eine Vergütung nach TOA II Ortsklasse S und daneben Einnahmen aus Gutachtertätigkeit und Bereitschaftsdienst erzielt haben, zwei amtliche Auskünfte eingeholt. Auf Grund dieser Auskünfte ist es zu dem Ergebnis gelangt, Marianne Schönwandt würde zwar eine Stelle an einer Klinik der Ortsklasse S erhalten haben, jedoch nur nach TOA III entlohnt worden sein. Von einer Entlohnung nach TOA II, die nach der Auskunft der Ärztekammer damals noch Chefärzten und Oberärzten auf großen Abteilungen angeboten worden sei, könne hier keine Rede sein. Für Bereitschaftsdienst und Überstunden würde Marianne Schönwandt schätzungsweise monatlich 50 DM netto verdient haben. Dagegen gebe die Auskunft der Ärztekammer keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß sie Einkommen aus Gutachtertätigkeit erzielt haben würde. Das Berufungsgericht ermittelt das Einkommen, das die Tochter des Klägers hiernach ohne den Unfall an einer Klinik der Ortsklasse a nach TOA III mutmaßlich erzielt hätte, auf 12.812,82 DM netto. Da ihr tatsächliches Einkommen während desselben Zeitraums unbestritten 12.838 DM betrug, verneint es in fehlerfreier Würdigung einen unfallbedingten Verdienstausfall.
Die Revision meint, die Berechnung des Berufungsgericht müsse schon deshalb irrig sein, weil der von ihm ermittelte mutmaßliche Verdienst geringer sei als der tatsächlich erzielte. Die Rüge geht fehl. Die Revision vermag keinen Schätzungs- oder Denkfehler darzulegen, der dem Berufungsgericht unterlaufen sein könnte. Der Umstand allein, daß M. S. trotz der Unfallfolgen nach der Berechnung des Berufungsgerichts im Ergebnis keinen Verdienstausfall erlitten hat, besagt noch nichts darüber, daß die Schätzung falsch wäre.
2. Das Berufungsgericht läßt die Frage offen, ob die Auffassung des Klägers zutrifft, bei der Ermittlung der Schadenshöhe dürften von den Einkünften seiner Tochter mit Rücksicht auf die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit um 40 % nur 60 % angerechnet werden, weil sie das volle Gehalt nur durch dauernde Überanstrengung erzielt habe, wozu sie trotz ihrer Schadensminderungspflicht nicht verpflichtet gewesen sei. Es konnte sich nämlich nicht davon überzeugen, daß die Tochter des Klägers das volle Gehalt nur durch dauernde Überanstrengung erzielt habe; der Kläger habe, so erwägt es, für seine vom Beklagten bestrittene Behauptung, insbesondere dafür, daß seine Tochter wegen Überanstrengung 1/4 Jahr mit dem Dienst habe aussetzen diesen, keinen Beweis angetreten.
Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Beweisführung nach § 287 ZPO überspannt; im Hinblick auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 % spreche schon der Anscheinsbeweis dafür, daß die Tochter des Klägers nur durch dauernde Überanstrengung ein normales Einkommen erzielt habe. Das Ergebnis einer solchen Überanstrengung, zu der die Tochter des Klägers nicht verpflichtet gewesen sei, könne der Beklagte nicht für sich in Anspruch nehmen.
Die Rügen greifen nicht durch. Es entspricht einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß sich der vom Schädiger zu ersetzende Verdienstausfall nicht nach der abstrakten Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet. Vielmehr verpflichtet eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit nur zum Schadensersatz, soweit tatsächlich durch sie ein Vermögensschaden entstanden ist, d.h. soweit der Verletzte durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit einen Verdienstausfall erlitten hat (vgl. RGZ 165, 236; Erman-Drees 3. Aufl., § 145 BGB Anm. 3 a). Der durch den Beklagten verursachte Gesundheitsschaden ist nach Maßgabe des § 847 BGB durch Zahlung eines Schmerzensgeldes auszugleichen. Die durch den Gesundheitsschaden bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit führt nach § 843 BGB erst dann zu einem Schadensersatzanspruch, wenn tatsächlich ein durch sie verursachter Erwerbsschaden eingetreten ist. Das ist jedoch hier nicht der Fall, da nach den Feststellungen das Einkommen der Tochter trotz geminderter Erwerbsfähigkeit keine Einbuße erlitten hat.
Im übrigen können auch die Angriffe der Revision gegen die tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts keinen Erfahr haben. Der Kläger hat selbst vorgetragen, seiner Tochter sei die Bewältigung ihres Aufgabenkreises als Assistenzärztin dadurch erheblich erleichtert worden, daß sowohl die Krankenhausleitung als auch ihre Kollegen auf ihren Gesundheitszustand weitgehend Rücksicht genommen hätten. Er hat sich weiter die Äußerung des Sachverständigen Prof. Dr. R. zu eigen gemacht, es sei nur dem Ärztemangel in den Krankenhäusern zu verdanken, daß sich die verminderte Erwerbsfähigkeit seiner Tochter gegenwärtig noch nicht auf ihre berufliche Position ausgewirkt habe. Für seine Behauptung, seine Tochter habe wegen Überanstrengung 1/4 Jahr lang mit ihren Dienst im Krankenhaus B. aussetzen müssen, hat der Kläger keinen Beweis angetreten. Unter diesen Umständen kam der Revision nicht zugegeben werden, daß das Berufungsgericht gegen die Grundsätze des § 287 ZPO verstoßen oder die Regeln des Anscheinsbeweises verkannt hätte, wenn es sich nicht davon überzeugen konnte, daß die Tochter des Klägers das volle Gehalt nur durch dauernde Überanstrengung erzielt hat.
Die Revision erweist sich nach alledem als unbegründet. Sie war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Engels Hanebeck Dr. Hauß
. Dr. Pfretzschner Dr. Nüßgens
Vorinstanzen:
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.09.1963 – 4 U 187/62