Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
bevor wir noch weitere BGH-Urteile zur Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO vorstellen, stellen wir Euch hier und heute ein Berufungsurteil des LG Freiburg zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht vor. Im Ergebnis ist das Berufungsurteil zwar positiv, aber in der Begründung überzeugt es keinesfalls. Da wurde im wesentlichen negative Rechtsprechung zusammengetragen und daraus ein Urteil zusammen gebastelt. Insbesondere wurde der erfüllungshalber abgetretene Schadensersatzanspruch auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkostenn auf § 249 II 1 BGB gestützt, wobei unberücksichtigt geblieben ist, dass die in der Rechnung indizierte Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung in Höhe des Rechnungsbetrages einen konkreten, zu ersetzenden Schaden im Sinne der Naturalrestitution gemäß § 249 I BGB darstellt (siehe dazu auch die Ausführungen von Offenloch ZfS 2016, 244, 245, Kap. 2). Obwohl die Sachverständigenkosten durch die konkrete Rechnung belegt sind, und damit einer Schadensregulierung gemäß § 249 I BGB zugänglich sind, wobei auch noch die Höhe des Schadens zugunsten des Geschädigten durch das erkennende Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden könnte, wird ein gerichtliches Honorargutachten eingeholt. Unverständlich ist auch die Annahme der Indizwirkung nur bei einer bezahlten Rechnung, so wie es fälschlicherweise der VI. Zivilsenat des BGH macht, obwohl Bundesrichter Offenloch, selbst Mitglied des VI. Zivilsenates, diese Schadensabrechnung über § 249 II 1 BGB nicht für zwingend ansieht (Offenloch aaO.), dabei aber die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung außer acht läßt. Da wird blind der Rechtsprechung des BGH gefolgt, obwohl diese nicht zwingend ist. Weiterhin wird, obwohl es sich um einen Schadensersatzprozess handelt, eine (werkvertragliche) Überprüfung der Einzelposten der Sachverständigenkostenrechnung vorgenommen mit Verweis auf BVSK, JVEG usw. Auf die werkvertragliche Angemessenheit kommt es aber im Schadensersatzprozess nicht an. Der BGH hat sogar dem Schädiger und dem Gericht eine Preiskontrolle ausdrücklich untersagt, sofern der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat (BGH DS 2007, 144 = NJW 2007, 1450). Das ist mit der Einschaltung eines Sachverständigen immer dann der Fall, wenn der geschädigte Fahrzeugeigentümer selbst nicht in der Lage ist, den Umfang und die Höhe des Unfallschadens anzugeben. Dann darf er sich sachverständiger Hilfe bedienen und einen Sachverständigen seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragen. Die dann berechneten Kosten des Sachverständigen gehören zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB zu ersetzenden Vermögensnachteilen, sofern eine vorherige Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH DS 2007, 144 ff. m. zust. Anm. Wortmann). Lest aber selbst das Berufungsurteil aus Freiburg und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Geschäftsnummer: Verkündet am
3 S 145/16 24.1.2016
3 C 1663/15
AG Lörrach
Landgericht Freiburg
3. Zivilkammer
Im Namen des Volkes
Urteil
Im Rechtsstreit
…
Klägerin / Berufungsklägerin –
gegen
…
– Beklagte / Berufungsbeklagte –
wegen Schadensersatzes
…
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lörrach vom 03.06.2016 – 3 C 1663/15 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 107,01 nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 22.01.2016 zu bezahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellung wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, wegen restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 107,01 EUR. Die alleinige Haftung eines Versicherungsnehmers der Beklagten für den eingetretenen Schaden (u.a. Reparaturkosten iHv 1335,72 EUR netto; merkantiler Minderwert von 200,00 EUR) ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.
Der Geschädigte beauftragte nach dem Verkehrsunfall einen Sachverständigen mit der Feststellung der Schadenshöhe. Im entsprechenden schriftlichen Auftrag vom 19.10.2015 ist – in der Berufungsinstanz nach entsprechendem Hinweis entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil unter 3., erster Absatz unstreitig – vereinbart, dass Nebenkosten für die Erstellung des Gutachtens nach Aufwand abgerechnet werden, mit Einsatzpreisen wie aus folgender Aufstellung ersichtlich. Das Grundhonorar orientiere sich am ermittelten Schaden, wobei Grundlage der Berechnung „der im Honorarbereich V ermittelte Wert der BVSK-Befragung 2015“ sei.
Der Gutachter rechnete seine Kosten gegenüber dem Geschädigten mit Rechnung vom 22.10.2015 sodann wie folgt ab:
Gutachtenerstellung incl. EDV-Anlage 376,00 EUR
Fotokosten 10 Stück x 2,00 EUR 20,00 EUR
Fotoindex und 2. Satz je Foto 0,50 EUR 5,00 EUR
Fahrtkosten 29 km x 0,70 EUR 20,30 EUR
Telefon- und Portoauslagen 15,00 EUR
Schreibgebühren 10 Seiten á 1,80 EUR 18,00 EUR
Zweitschrift pro Seite 0,50 EUR 5,00 EUR
Rechnungssumme 459,30 EUR
MwSt. 19 % 87,27 EUR
Endsumme 546,57 EUR
Der Geschädigte hat seine Ersatzansprüche gegen die Beklagte auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Gutachter abgetreten. Dieser hat die Ansprüche aus der – bislang nicht bezahlten – Rechnung an die Klägerin abgetreten. Die Beklagte hat auf die Rechnung 439,56 EUR bezahlt.
Das Amtsgericht hat im Rahmen des § 287 ZPO die erforderlichen Kosten aufgrund eines „Honorartableau 2012 basierend auf der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011“ auf 433,00 EUR geschätzt und demgemäß die auf den Differenzbetrag zur geleisteten Zahlung gerichtete Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Amtsgericht zugelassenen Berufung.
Die Kammer hat ein Gutachten zur Frage der üblichen Vergütung im hiesigen Bezirk eingeholt.
Im Übrigen wird nach § 540 Abs. 2 iVm § 313 a Abs. 1 ZPO auf die Darstellung des Tatbestandes verzichtet.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht von der Beklagten noch 107,01 EUR verlangen.
1.
Die Klägerin ist unstreitig aktivlegitimiert. Sie hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht. Der Geschädigte hat den Schadensersatzanspruch teilweise an den Sachverständigen abgetreten. Es erfolgte durch diesen eine Abtretung an die Klägerin. Die abgetretene Forderung ist hinreichend bestimmt. Ein den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21.06.2016 (VI ZR 475/15, VI ZR 476/15, VI ZR 477/15 – zitiert, wie alle anderen Entscheidungen, soweit nicht anders angegeben, nach juris) vergleichbarer Fall einer iSd § 305 c Abs.1 BGB überraschenden und damit unwirksamen Abtretungsklausel liegt nicht vor.
2.
Die Beklagte ist grundsätzlich zur Erstattung von Sachverständigenkosten verpflichtet. Die Kammer geht mit einer verbreiteten Rechtsprechung (vgl. OLG München, Urteil vom 26.02.2016 – 10 U 579/15 -) davon aus, dass die Bagatellschadensgrenze bei 750,00 EUR anzusetzen ist, d. h., dass darunter eine Beauftragung eines eigenen Sachverständigen durch den Geschädigten regelmäßig nicht erforderlich sein wird und er deshalb keine Erstattung der Kosten durch den Schädiger bzw. die Versicherung des Schädigers erhält. Aufgrund der hier vorliegenden Schadenshöhe durfte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Schadens in Auftrag gegeben werden, die hierfür aufgewendeten Kosten sind ersatzfähig, soweit sie erforderlich waren.
3.
Nach welchen Grundsätzen in Fallgestaltungen wie der vorliegenden die Schadensbemessung durchzuführen ist, hat in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine weitgehende Klärung erfahren (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13; Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13; Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15):
Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Der Geschädigte muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben, ihm obliegt im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots jedoch grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten oder später berechneten Preise.
4.
Hinsichtlich der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Geschädigte grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig. Maßgeblich ist nämlich allein, ob der in seiner Person entstandene Schadensersatzanspruch die vereinbarten und/oder in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten in voller Höhe umfasst. Dies hängt davon ab, ob sich die vom Sachverständigen berechneten Kosten nach schadensrechtlichen Grundsätzen im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB halten.
Gelingt der Nachweis der Erforderlichkeit, sind die geltend gemachten Sachverständigenkosten in voller Höhe zu erstatten. Liegen die berechneten und geltend gemachten Sachverständigenkosten unter den erforderlichen Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, die gegebenenfalls nach § 287 ZPO geschätzt werden können (hierzu unter 6.), steht dem Geschädigten allerdings im Hinblick auf das Bereicherungsverbot nur ein Anspruch in Höhe der tatsächlich vereinbarten bzw. in Rechnung gestellten Kosten zu.
Eine Beweiserleichterung ergibt sich für den Geschädigten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter folgenden Voraussetzungen: Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13). Präzisierend führt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.04.2016 (VI ZR 50/15; ebenso Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15) aus, nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bilde einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.
5.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich nach diesen Grundsätzen Folgendes:
Die tatbestandlichen Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof für die Indizwirkung einer Rechnung aufgestellt hat – tatsächliche Begleichung der Rechnung durch den Geschädigten in Übereinstimmung mit der Preisvereinbarung – , sind im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht erfüllt, weil der Geschädigte die Rechnung nicht selbst beglichen, mithin keinen eigenen Aufwand gehabt hat. Eine der beglichenen Rechnung vergleichbare Indizwirkung tritt bei einer Abtretung der Schadensersatzforderung erfüllungshalber an den Sachverständigen nicht ein (BGH, Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15). Die Indizwirkung hinsichtlich der Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten greift vorliegend infolgedessen nicht ein.
Bezüglich der zu erstattenden Nebenkosten haben Geschädigter und Sachverständiger konkrete Einsatzpreise vereinbart. Aber auch bezüglich des Grundhonorars liegt durch die Bezugnahme auf den Honorarbereich V der BVSK Befragung 2015 eine Honorarvereinbarung vor, auch wenn dem Sachverständigen insoweit im von HB V vorgegebenen Rahmen ein Ermessen eingeräumt wird.
6.
Um zu überprüfen, ob die vereinbarten und in Rechnung gestellten Kosten erforderlich sind, hatte die Kammer zum Vergleich die üblichen Kosten zu bestimmen. Falls nicht im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte eine abweichende Beurteilung gebieten, schätzt die Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die übliche Vergütung, was das Grundhonorar betrifft, auf der Grundlage der BVSK-Befragung 2015 (a), soweit es die Schätzung der im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Nebenkosten auf der Grundlage des § 287 ZPO betrifft, zieht die Kammer allerdings im Wesentlichen die Bestimmungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe heran, wobei nicht verkannt wird, dass genau die in diesem enthaltenen Kostenansätze in der BVSK Honorarbefragung 2015 teilweise vorgegeben waren (b).
a)
Der von der Kammer mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragte Sachverständige L. hat aufgrund einer von ihm getätigten Umfrage bei verschiedenen Sachverständigenbüros dargelegt, dass es eine einheitliche Abrechnungspraxis im Landgerichtsbezirk nicht gibt, auch wenn sich eine knappe Mehrheit der befragten Sachverständigen an dem Tableau der BVSK Honorarbefragung orientiert. Die Kammer folgt diesen überzeugenden Ausführungen. Nachdem sich somit eine einheitliche Abrechnungspraxis im Bezirk nicht feststellen lässt, schätzt die Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die übliche Vergütung, was das Grundhonorar betrifft, auf der Grundlage der BVSK-Befragung 2015. Sie stellt dabei auf den Mittelwert aus HB I und HB III der BVSK Honorarbefragung 2015 ab, was ausreichend ist um die Extremwerte zu eliminieren (so auch LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2016 – 5 S 333/15).
Für die Anwendung der BVSK 2015 als Schätzungsgrundlage für das Grundhonorar, die auch von anderen Gerichten insoweit herangezogen wird, spricht zum einen, dass deren Datenerhebung hier in zeitlicher Hinsicht am nächsten zum Unfallzeitpunkt liegt und zum anderen aber auch, dass sich ein Großteil der vom gerichtlichen Sachverständigen befragten Sachverständigen(büros) hieran orientiert.
b)
Soweit die Schätzung der im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Nebenkosten auf der Grundlage des § 287 ZPO im Einzelfall erforderlich wird, zieht die Kammer allerdings in Übereinstimmung mit der vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15) gebilligten Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken (Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13) weitgehend die Bestimmungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe heran.
Im Einzelnen:
Bei Schätzung der Kosten für Originalfotos (2,00 EUR), den 2. Abzug von Fotos (0,50 EUR) und einer Zweitschrift (Fotokopie) je Seite (0,50 EUR) orientiert sich die Kammer direkt an den Bestimmungen des JVEG, wobei zu beachten ist, dass Kosten für den 2. Abzug nur zu erstatten sind, wenn die Fotos nicht Teil des schriftlichen Gutachtens selbst sind (§ 12 Abs.1 Nr. 2 JVEG), weil dann die entsprechenden Aufwendungen schon nach § 7 Abs. 2 JVEG ersetzt werden (zur Problematik: Schneider, JVEG, 2. Aufl., § 7 Rn 44, § 12 Rn 44f).
Was die Höhe der Fahrtkosten betrifft, hält die Kammer die Regelung des JVEG nicht für geeignet, da sich diese nicht an den tatsächlichen Kosten orientiert, sondern an der Höhe der steuerlichen Anerkennung privat genutzter Fahrzeuge (BT-Drs. 15/1971, S. 177, 232). Vielmehr ist es angemessen, diese anhand der von verschiedenen Anbietern erstellten Autokostentabellen und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung verschiedener Landgerichte (u.a. LG Saarbrücken Urteil vom 19.12.2014 – 13 S 41/13; LG Stuttgart, Urteil v. 28.07.2016 – 5 S 333/15; LG Bochum, Urteil vom 31.05.2016 – 9 S 36/16), die der Bundesgerichtshof gebilligt hat (Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15), auf 70 ct/km zu schätzen.
Für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens schätzt die Kammer die erforderlichen Kosten aus Praktikabilitätsgründen nicht nach der Zahl der Anschläge (§ 12 Abs.1 Nr. 3 JVEG) sondern, wie auch in früheren Fassungen des JVEG vorgesehen, nach Seitenanzahl, wobei 1,80 EUR pro Seite angemessen erscheinen (ebenso etwa im Ergebnis LG Bremen, Urteil vom 02.09.2016 – 3 S 289/15).
Hinzu kommen kann eine Pauschale für Portoauslagen, Telefonkosten etc. die nur dann näherer Begründung bedarf, wenn sie den von der Kammer auch ansonsten für eine Unkostenpauschale – ohne Einzelnachweis – noch als maximal angemessen angesehenen Betrag von 20,00 EUR übersteigt.
Halten sich die geltend gemachten Nebenkosten in diesem Rahmen, sind auch diese grundsätzlich zu ersetzen. Liegen die tatsächlich geltend gemachten Nebenkosten darunter sind nur diese zu ersetzen. Liegen sie darüber, ist zu differenzieren (siehe oben II 4 2.Absatz).
7.
Der vom Geschädigten beauftragte Gutachter hat hier für seine Sachverständigentätigkeit eine Pauschale und zusätzlich bestimmte Nebenkosten abgerechnet. Dies legt die Kammer so aus, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass die Ingenieurleistung mit dem Grundhonorar abgegolten sein soll und daneben lediglich Ersatz tatsächlich angefallener Aufwendungen verlangt wird. Dies entspricht nach den überzeugenden Ausführungen des von der Kammer vernommenen gerichtlichen Sachverständigen im Übrigen auch einer im hiesigen Bezirk mehrheitlich verbreiteten Praxis. Lediglich zwei der von ihm befragten Sachverständigenbüros rechnen mit Pauschalpreisen ab.
8.
Unter Beachtung der dargelegten Grundsätze ergibt sich damit, dass die Rechnung des Sachverständigen auszugleichen ist. Auf die Rechnungssumme von 508,49 EUR hat die Beklagte 439,56 EUR bezahlt, weshalb sich ein restlicher Anspruch der Klägerin iHv 107,01 EUR ergibt.
Das in Übereinstimmung mit der Vereinbarung in Rechnung gestellte Grundhonorar ist zu erstatten, da dieses nicht – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht ist (vgl. etwa, auch zu Nebenkosten: LG Stuttgart, Urteil vom 28.07.2016 – 5 S 333/15; LG Mannheim, Urteil vom 05.02.2016 – 1 S 119/15; BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15; BGH, Urteil vom 22.07.2014 – VI ZR 357/13). Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die üblichen Kosten für das Grundhonorar nach Schätzung der Kammer (§ 287 ZPO) lediglich 344,00 EUR (Mittelwert aus HB I und HB III) betragen würden, der Sachverständige jedoch bis an die Obergrenze von HB V herangegangen ist und damit 376,00 EUR in Rechnung gestellt hat. Beide Beträge liegen noch innerhalb vom vereinbarten Honorarbereich HB V der BVSK Befragung 2015. Die Möglichkeit, dass der Sachverständige auf Grund der Vereinbarung an die Obergrenze von HB V geht und daher möglicherweise die übliche Vergütung etwas überschreitet, war für den Geschädigten jedoch bei Abschluss der Vereinbarung nicht zu erkennen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass vereinbarte Kosten bei einer Überhöhung von 15% – 20% für einen Laien, der sich nicht mit Sachverständigenkosten befasst hat, im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle nicht erkennbar sind und daher für eine weiteren Prüfung keine Veranlassung besteht (vgl. etwa LG Stuttgart, Urteil vom 28.07.2016 – 5 S 333/15 mwN). Vorliegend liegen auch keine einzelfallbezogenen Umstände vor, aus denen der Geschädigte den Schluss hätte ziehen können, dass der Sachverständige ein Honorar vereinbart hat, dass die branchenüblichen Sätze deutlich übersteigt bzw. – bei Ausschöpfung des vereinbarten Honorarbereichs bis zu dessen Obergrenze – deutlich übersteigen könnte.
Die in Rechnung gestellten Nebenkosten sind der Höhe nach nicht zu beanstanden (vgl. im Einzelnen oben II 6 b). Diese sind daher ebenfalls zu ersetzen.
Die Tatsache, dass der Sachverständige insgesamt 29 km gefahren ist zur Besichtigung des Unfallfahrzeugs in Sch. hatte die Beklagte schon erstinstanzlich nicht mehr bestritten. Die Fahrtstrecke ergibt sich im Übrigen schon aus der Entfernung zwischen dem Sitz des Sachverständigen und dem Besichtigungsort.
III.
Die Nebenforderungen rechtfertigen sich unter Verzugsgesichtspunkten.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713, ZPO i.V.m. § 26 Nr.8 EGZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Schadensschätzung beruht auf einer einzelfallbezogenen Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und eines eingeholten Sachverständigengutachtens.
Hello, Willi Wacker,
in der Tat sind die Entscheidungsgründe schwierig nachvollziehbar und der unbedarfte Geschädigte ist in der Regel mit dem Colorit der angestellten Überlegungen auch wohl uneingeschränkt überfordert. Der Fahzeugschaden wurde beziffert auf 1535,72 € und die abgerechneten Gutachterkosten lagen vergleichsweise hierzu bei 546,57 €, also lediglich bei 35,59 % (!) der Schadenhöhe.
Die Summe der Nebenkosten ergibt einen Betrag von 83,30 € und lag damit vergleichsweise zum Grundhonorar bei 22.15 % (!). Beide Relationen liegen deutlich unter dem, was der BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13 als der Schadenersatzverpflichtung unterliegend verdeutlicht hat. Damit wäre die Angelegenheit schon erledigt gewesen, vor dem Hintergrund, dass eine Honorarvereinbarung vorlag, kein Auswahlverschulden zu unterstellen war und damit auch kein Verstoss gegen die Schadenminderungspflicht. Zu schätzen gab es mit Vorlage einer Rechung auch nichts und somit kann man des immensen Aufwand und die Mannigfaltigkeit der Entscheidungsgründe nicht so recht verstehen, deine einleitende Kommentierung zu diesem Urteil allerdings umso mehr. Bei Vorlage einer Honorarbefragung und einer Rechnung noch ein Gutachten zur Üblichkeit (Werkvertrag) einzuholen, ist ebenfalls unverständlich, zumal es bekanntlich eine solche Üblichkeit nicht gibt und wenn es anders wäre, diese schadenersatzrechtlich hier keine Rolle spielen würde, wenn eine Honorarvereinbarung vorliegt.
Das ganze reduziert sich deshalb darauf, dass auch in diesem Fall mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde und das ohne Rücksicht auf den damit verbundenen Zeitaufwand und die Kostenverursachung. Vor diesem Hintergrund könne die Infragestellungen der Beklagtenseite auch nur als nicht erheblich unterstellt werden uns das hätte schon genügt, der Klage stattzugeben unter der Voraussetzung, dass bei einer Haftung von 100 % auch 100 % Schadenersatz fällig waren, weil es hier nicht um eine fiktive Abrechnung ging und demgemäß § 249 S.1 BGB entscheidungserheblich war.
R-REPORT-AKTUELL
Nach den Ausführungen von R-REPORT-AKTUELL müsste man – mit einem Fragzeichen versehen – einen solchen Vorgang titeln: „Ein Käfig voller Narren?“.
Alligator 007
@ Alligator 007
Streiche „?“, setzte „!“