Mit Urteil vom 28.05.2010 (7 C 723/09) hat das AG Bitterfeld-Wolfen die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 146,35 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 146,35 Euro gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1VVG i.V.m. § 398 BGB.
Die Haftung der Beklagten für die durch den Unfall vom xx.xx.2009 in B. am Fahrzeug der Geschädigten A. mit dem amtlichen Kennzeichen … eingetretenen Schäden zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig. Ebenso ist unstreitig, dass die Klägerin durch Abtretung Inhaberin der Forderung geworden ist.
Der Klägerin stand ursprünglich ein Anspruch auf Zahlung von 326,35 Euro zu, welcher durch die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von 180,00 Euro teilweise erloschen ist, in Höhe der Klageforderung aber fortbestand.
Die von der Klägerin der Geschädigten A. in Rechnung gestellten Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für die Zeit vom xx.xx.2009 bis xx.xx.2009 in Höhe von 326,35 Euro gehören zu den ersatzfähigen Kosten der Geschädigten, weil diese „erforderlich“ im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB waren. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges durch die Geschädigte erforderlich war. Das Gericht ist darüber hinaus jedoch auch davon überzeugt, dass die Höhe der konkret in Rechnung gestellten Mietkosten erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB war, da hierbei die Kosten des sogenannten Normaltarifes nicht überschritten wurden. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 25.02.2009 insoweit ausgeführt, dass aufgrund des Schwacke-Automietpreisspiegels 2009 für die Postleitzahlgebiete 068 (Wohnbereich der Geschädigten) und 067 (Standort der Klägerin) die Kosten im Normaltarif inklusive Vollkaskoversicherung und Haftungsbegrenzung bei einer Mietdauer von drei Tagen zwischen 261,01 Euro und 539,00 Euro betragen hätten, wobei im Postleitzahlgebiet 068 das arithmetische Mittel bei 389,11 Euro und im Postleitzahlgebiet 067 bei 391,59 Euro gelegen habe.
Hiernach ist das Gericht davon überzeugt, dass die Geschädigte nur die erforderlichen Kosten für die Anmietung des Ersatzfahrzeuges aufgewendet hat und die Preise des sogenannten Normaltarifes nicht überschritten wurden. Der Sachverständige hat dies nachvollziehbar und widerspruchsfrei ausgeführt. Er hat offen gelegt, auf welcher Grandlage er seine Ergebnisse gewonnen hat und verständlich ausgeführt, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Soweit die Beklagte hinsichtlich des Gutachtens ausgeführt hat, dass der Sachverständige seinen Feststellungen ohne Weiteres die Schwacke-Liste zugrunde gelegt und sich nicht mehr der Frage auseinander gesetzt habe, ob diese oder die Studie des Fraunhofer-Institutes zugrunde zu legen sei, vermag dies den Beweiswert des Gutachtens nicht zu beeinträchtigen. Denn der Sachverständige war ausweislich des Beweisbeschlusses nicht mit der Frage beauftragt worden festzustellen, ob die Schwacke-Liste oder die Fraunhofer-Studie zugrunde zu legen ist. Dies ist eine Rechtsfrage, welche das Gericht zu entscheiden hat, keine tatsächliche Frage, zu deren Beantwortung ein Sachverstandiger beizuziehen ist, weshalb das erkennende Gericht eine solche Beweisfrage auch nicht formuliert hat. Der Sachverständige hat keine Rechtsfragen zu entscheiden, sondern aufgrund seiner Sachkunde tatsächliche Feststellungen zu treffen. Dies könnten beispielsweise die Fragen sein, in welcher Art und Weise die verschiedenen Preisübersichten erstellt wurden, welche Daten hierzu herangezogen wurden u.a.. Hiermit war er vorliegend aber nicht zu beauftragen, da sämtliche Tatsachen, welche von den Parteien zugunsten der einen Grundlage oder gegen die andere vorgetragen wurden, unstreitig sind. Das Gericht hat also beispielsweise davon auszugehen, dass die Erhebungen durch Schwacke für die Liste des Jahres 2006 auffallend höhere Werte aufweisen als frühere Listen und von der sonstigen Preisentwicklung nach den sonstigen Feststellungen des Statistischen Bundesamtes im Bereich Verkehr abweichen. Ebenso hat es beispielsweise zu berücksichtigen, dass die Fraunhofer-Studie in der weit überwiegenden Anzahl der zugrunde liegenden Internetofferten sechs große nationale Anbieter, nicht aber regionale Anbieter berücksichtigt hat, den Durchschnittspreis aus einem lediglich einzahligen Postleitzahlengebiet ermittelt hat und in einzelnen Gebieten nur eine geringe Anzahl von Stichproben ermittelt hat. Im Ergebnis dessen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass beide Grundlagen hinsichtlich der Schätzung des regional üblichen Normaltarifes Stärken und Schwächen aufweisen. Das erkennende Gericht hält jedoch in ständiger Rechtsprechung trotz der aufgekommenen Diskussionen die Schwacke-Liste weiterhin für eine geeignete Schätzungsgrandlage (z.B. Urteil vom 20.10.2008, Geschäftsnummer: 7 C 199/07). Insbesondere basieren die Erhebungen hierfür und deren Gewichtung auf einer jahrelangen Erfahrung und auf einem nachprüfbaren Maßstab nämlich den Kriterien des Bundeskartellamtes zur Untersuchung von Preisen. Dem erkennenden Gericht ist es daher nicht verwehrt, seine Entscheidung auf die Schwacke-Liste zu stützen (z.B. BGH, NJW 2008, 1519; BGH NJW 2009, 58), insbesondere nicht im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, es sei „gerichtsanerkannt“, dass die Schwacke-Liste nicht den tatsächlichen Marktpreis widerspiegele. Zwar existieren solche Entscheidungen, es gibt aber auch eine Vielzahl abweichender Entscheidungen und insbesondere ist der Fraunhofer-Studie eine Pauschalierung entgegen zu halten, wenn in dieser teilweise große Gebiete zusammen gefasst werden. Anders wäre die Situation möglicherweise zu beurteilen, wenn die Beklagte einen örtlichen Anbieter benannt hätte, welcher der Geschädigten am xx.xx.2009 ein Fahrzeug zu einem günstigeren Tarif als die Klägerin vermietet hätte. Denn dann wäre abweichend von den pauschalisierenden Feststellungen von Tabellen eine konkrete abweichende örtliche Möglichkeit zur Anmietung eines Fahrzeuges vorgetragen, welche die Geschädigte möglicherweise hätte berücksichtigen müssen. Solches hat die Beklagte aber nicht dargetan. Die Geschädigte war daher nicht verpflichtet, sich nach günstigeren Tarifen zu erkundigen, denn sie hat ein Ersatzfahrzeug zu einem üblichen Tarif, das heißt zu einem nicht über den Normaltarif hinaus gehenden und hier sogar zu einem deutlich unter dem Mittelwert liegenden Preis angemietet. Unter diesen Umständen musste ein verständiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter nicht nach günstigeren Anbietern suchen und hätte solche auch kaum gefunden, wie das Gutachten des Sachverständigen ausweist. Auf die Frage, ob die Klägerin den Geschädigten auf seine Schadensminderungspflicht hingewiesen hat, kommt es vorliegend daher nicht an.
II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf 5 %-Punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus 146,35 Euro seit dem 10.07.2009 gemäß §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB, denn die Zahlung des mit dem Schadenseintritt falligen gewordenen und noch offenen Schadensersatzbetrages in Höhe der Klageforderung hat die Klägerin mit Schreiben vom 29.06.2009 unter Fristsetzung zum 09.07.2009 gemahnt, die Beklagte hat die Zahlung spätestens mit Schreiben vom 30.06.2009 abgelehnt, so dass sie spätestens mit Zugang dieses Schreibens bei der Klägerin in Verzug geriet. Die Höhe des Zinsanspruches folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Klägerin hat ferner Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 45,00 Euro. Der Anspruch besteht dem Grunde nach, denn diese Kosten sind regelmäßig Inhalt des Ersatzanspruches aus einem Verkehrsunfall. Als Gegenstandswert ist für die vorgerichtliche Tätigkeit ist ein Betrag von 146,35 Euro zugrunde zu legen, denn in dieser Höhe stand der Klägerin bei Einschaltung ihrer Rechtsanwälte noch ein Anspruch gegen die Beklagte zu. Die hierfür entstandene 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 WRVG beläuft sich auf 37,50 Euro netto und die Kostenpauschale nach Nr. 7002 WRVG auf 7,50 Euro, der Anspruch insgesamt mithin auf 45,00 Euro.
IV.
Die Klägerin hat Anspruch auf 5 %-punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus 45,00 Euro seit dem 29.07.2009 gemäß §§ 291,288 Abs. 1 BGB, denn rechtshängig wurde die Forderung gemäß §§ 253, 261 BGB i.V.m. § 696 Abs. 3 ZPO mit Zustellung des Mahnbescheides, weil die Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht nach dem Widersprauch „alsbald“ erfolgte. Die Nachricht über den Widerspruch wurde vom Mahngericht am 11.08.2009 an die Klägerin abgesandt, die Abgabe erfolgte am 02.09.2009.
V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3, 4 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG.
Soweit das AG Bitterfeld-Wolfen.