Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
zum bevorstehenden Wochenende stellen wir Euch hier noch ein Urteil aus Darmstadt zu den Sachverständigenkosten, zum Nutzungsausfall und zur Reparaturbestätigung gegen die bei der VHV Versicherung Versicherte vor. Nachdem es um mehrere Positionen ging, wurde der Prozess durch die VHV aufgenommen. Leider wurde seitens des erkennenden Gerichts wieder auf die „Indizwirkung der bezahlten Rechnung“ abgestellt sowie ein BVSK-Vergleich angestellt. Beides ist rechtsdogmatisch nicht haltbar. Zum einen hat der BGH selbst entschieden, dass der Geschädigte die Ergebnisse der BVSK-Honorarumfrage nicht kennen muss. Was aber der Geschädigte nicht kennen muss, kann ihm bei der Schadensschätzung nicht zum Nachteil gereichen, indem das Gericht eben diese Umfrage seiner Schätzung und gegebenenfalls Kürzung zugrunde legt. Zum anderen stellt auch die unbezahlte Rechnung nach herrschender Rechtsprechung des BGH und des BAG einen ersatzfähigen Schaden dar, da sie eine Belastung mit einer Zahlungsverbindlichkeit darstellt. Insoweit ist das Urteil keineswegs als mustergültig zu bezeichnen. Lest aber selbst und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
Amtsgericht Darmstadt
Aktenzeichen: 304 C 426/16
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn S. S. aus G.
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. u. K. aus A.
gegen
Frau R. G. aus D. (Versicherte bei der VHV-Versicherung)
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte L. u. K. aus N.
hat das Amtsgericht Darmstadt durch Richter am Amtsgericht K. im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO am 31.03.2017 für Recht erkannt:
Die beklagte Partei wird verurteilt, an die klagende Partei 250,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 153,– € seit dem 25.9.2014, aus 183,19 € vom 29.11.2014 bis zum 4.11.2016 und aus 97,19 € seit dem 5.11.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die beklagte Partei zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 a, 511 Abs. 2 ZPO abgesehen, weil gegen das Urteil ein Rechtsmittel mangels Erreichens der Beschwerdesumme von EUR 600 unzweifelhaft nicht eingelegt werden kann.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
1.
Die klagende Partei hat gegen die beklagte Partei einen Anspruch auf Zahlung von restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 153,– € aus § 18 Abs. 1 StVG.
Die vollständige Haftung der beklagten Partei für alle unfallbedingten Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig, so dass die Haftpflichtversicherung auch einen großen Teil der Schäden reguliert hat. Hinsichtlich der Sachverständigenkosten erfolgte jedoch nur eine Teil-Regulierung.
Das Gericht schätzt den durch die erforderliche Erstellung des Schadensgutachtens beim Kläger entstandenen Schaden gem. § 287 ZPO auf 543,– €.
Erstattungsfähig sind gem. § 249 BGB die „erforderlichen“ Kosten, wobei eine stark subjektbezogene Schadensbetrachtung anzuwenden ist (vgl. BGH VI ZR 225/13, Urteil vom 11.2.2014; VI ZR 67/06, Urteil vom 23.1.2007). Den Geschädigten trifft keine Marktforschungspflicht, um den günstigsten Sachverständigen zu finden (vgl. BGH a.a.O.). Eine Pauschalierung der Vergütung anhand der Schadenshöhe ist zulässig (vgl. BGH X ZR 122/05, Urteil vom 4.4.2006).
Der klagende Geschädigte hat die Rechnung des Sachverständigen vollständig bezahlt. Die Rechnungshöhe einer aus Mitteln des Geschädigten bezahlten Rechnung des Schadensgutachters ist ein wesentliches Indiz für die Begründetheit und Erforderlichkeit des Aufwandes (vgl. BGH, VI ZR 225/13, Urteil vom 11.2.2014). Ob die Rechnung die Grenzen der üblichen Vergütung überschreitet, ist für den Geschädigten in aller Regel nicht erkennbar und lässt die Indizwirkung jedenfalls der bezahlten Rechnung nicht entfallen, zumal der Geschädigte z.B. die Honorarbefragung der BVSK nicht kennen muss und zu einer Recherche nicht verpflichtet ist. Das gilt auch für Nebenkosten.
Das abgerechnete Honorar verlässt auch nicht den Korridor der BVSK-Befragung. Zwar ist der Nettoreparaturschaden unter 1.000,– €. Die Beklagte verkennt aber, dass die BVSK-Befragung beim Gegenstandswert die Reparaturkosten brutto zuzüglich der Wertminderung annimmt. Die Summe beträgt hier 1.274,62 €.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens des Geschädigten bestehen nicht.
2.
An Nutzungsausfallschaden stehen dem Kläger nur die seitens der Beklagten nach Rechtshängigkeit regulierten 86,– € zu. Das beschädigte Fahrzeug ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Gruppe F zuzuordnen, so dass der Tagessatz nur 43,- € beträgt. Der überschießende Anspruch ist unbegründet.
3.
Ebenfalls für erstattungsfähig hält das Gericht die Kosten der Reparaturbestätigung von 97,19 €. Diese sind sinnvoll und erforderlich für den Fall, dass der Kläger im unfallbeschädigten Bereich einen späteren Unfallschaden erleidet oder das Fahrzeug verkaufen will. Durch den Nachweis der fachgerechten Reparatur des streitgegenständlichen Schadens wird ihm die spätere Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen erleichtert. Der notwendige Zusammenhang zum streitgegenständlichen Unfallereignis ist auch gegeben, nachdem ohne den Unfall die Notwendigkeit eines Hinweises (z.B. beim späteren Verkauf) oder der Nachweis der fehlenden Vorschäden (bei späteren Unfällen) nicht erforderlich wäre.
4.
Die Zinsen sind aus Verzug begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung wurde gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 Ziff. 1 und 2 ZPO).
Die vermeintliche Glückssträhne verschwindet am Horizont, wie die im Meer untergehende Sonne und da kann auch das AG Hannover, also das Hausgericht der VHV, nur ab und zu noch weiterhelfen, denn Gehörsrügen und Nichtzulassungsbeschwerden stehen vor der Tür. Als nächstes muss die Hannoveraner Tages-und Wochenpresse mehr und detaillierter über das Regulierungsverhalten dieser Versicherung erfahren, wie auch von wiederholt rechtsbeugenden Fehlentscheidungen der Justiz in Hannover, die stark nach Versicherungsorientierung riechen.
Beobachter aus Celle
Bei aller geäußerten Kritik im Vorwort ist allerdings eines klar: Der Richter hat die für die Erstattung der Sachverständigenkosten entscheidenden Urteile des BGH in seiner Urteilsbegründung verwandt. Auf andere Urteile des BGH kommt es nämlich nicht an, da der Geschädigte gegen den Schädiger klagt –> VI ZR 67/06 und VI ZR 225/13.