AG Siegburg verurteilt die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse zwar im Ergebnis zutreffend zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten, aber in der Begründung fehlerhaft mit Urteil vom 11.7.2017 – 111 C 30/17 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

am heutigen Sonnabend stellen wir Euch hier ein Urteil aus Siegburg zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-COBURG vor. Das Amtsgericht Siegburg hat im Ergebnis zwar zutreffend die HUK-COBURG Haftpflichtunterstützungskasse verurteilt, in der Begründung jedoch fehlerhaft entschieden. So wurde trotz konkreter Schadensabrechnung und der Stellung des Sachverständigen als Erfüllungsgehilfe des Schädigers über § 249 Abs. 2 BGB geprüft. Darüber hinaus wurde die Indizwirkung bei einer noch nicht bezahlten Rechnung verneint, obwohl auch die unbezahlte Rechnung eine Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung darstellt, die einen ersatzfähigen Schaden bildet. Das hat sogar das AG Coburg richtig gesehen in dem Urteil vom 7.7.2017 – 11 C 607/17 – , das wir Euch gestern nachmittag hier vorgestellt hatten. Weiterhin wurde auf BVSK und JVEG verwiesen, obwohl der BGH bereits entschieden hatte, dass der Geschädigte die Ergebnisse der Honorarumfrage des BVSK nicht kennen muss (BGH VI ZR 225/13 Rn. 10). Auch wurde der § 287 ZPO rechtsfehlerhaft zur Schadensschätzung herangezogen, obwohl eine konkrete Rechnung vorlag, die den Schaden der Höhe nach darlegt und beweist. Der Paragraf 287 ZPO als Darlegungs- und Beweiserleichterungsnom zugunsten des Klägers wurde gänzlich verkannt. Aus Siegburg gab es schon wesentlich bessere Urteile. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

111 C 30/17

Amtsgericht Siegburg

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Ingenieurbüro … ,

Klägerin,

gegen

die HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G., vertr. d. d. Vorstand, dieser vertr. d. den Vorstandsvorsitzenden, Herrn Dr. Wolfgang Weiler, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg,

Beklagte,

hat das Amtsgericht Siegburg
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
11.07.2017
durch den Richter am Amtsgericht S.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 153,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.04.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Eines Tatbestandes bedarf es gemäß den §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 511 Abs. 2 ZPO nicht.

Entscheidungsgründe

Die Zulässigkeit einer abschließenden Entscheidung nach Aktenlage ohne vorherige mündliche Verhandlung folgt aus §§ 313a, 495a ZPO.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung von 153,68 € gemäß den §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1 VVG, 398 Satz 2 BGB wegen der aufgrund des Verkehrsunfalls vom 13.05.2016 in Siegburg entstandenen Sachverständigenkosten.

Die Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall vom 13.05.2016 in Siegburg ist dem Grunde nach unstreitig.

Dem Zedenten A. J. B. ist durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall aufgrund der Einholung eines Sachverständigengutachtens ein Schaden i.H.v. 675,68 € entstanden.

Der Schädiger hat die Kosten eines vom Geschädigten zur Schadensfeststellung, insbesondere zur Bestimmung der Schadenshöhe eingeholten Sachverständigengutachtens zu ersetzen, soweit dieses aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (BGH NJW 2007, 1450). Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (BGH NJW 2005, 356). Nach diesen Grundsätzen durfte die Zedentin die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich halten. Insbesondere lag bei kalkulierten Reparaturkosten in Höhe von 1.831,67 € netto kein Bagatellschaden vor.

Der Geschädigte kann jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 2007, 1450). Maßgeblich ist demnach, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (BGH NJW 2007, 1450). Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH NJW 2014, 1947). Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH NJW 2014, 1947; BGH NJW 2014, 3151). Ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH NJW 2014, 1947; BGH NJW 2014, 3151). Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten, zu berücksichtigen sind. Diese schlagen sich regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solcher (BGH DAR 2016, 451).

Nach diesen Grundsätzen ist das von der Klägerin der Zedentin in Rechnung gestellte Grundhonorar in Höhe von 449,– € netto nicht zu beanstanden. Zwar hat der Zedent die Rechnung der Klägerin vom 22.06.2016 in Höhe von 675,68 € nicht bezahlt, so dass diese Rechnung keine Indizwirkung entfaltet. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass das Grundhonorar für den Zedenten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen gelegen hat. Denn die Klägerin hat gemäß der Honorartabelle BVSK 2015 abgerechnet, die eine Vergütung in Relation zur Schadenshöhe vorsieht. Es war für den Zedenten zudem nicht ersichtlich, dass die Klägerin nach dem arithmetischen Mittel der Werte des HB V Korridors der Honorartabelle BVSK 2015 ein geringeres Grundhonorar hätte errechnen können.

Auch die von der Klägerin in Rechnung gestellten Nebenkosten sind nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Schätzung der tatsächlich erforderlichen Nebenkosten gemäß § 287 ZPO können die Bestimmungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) als Orientierungshilfe herangezogen werden (BGH DAR 2016, 451). Alternativ kommt eine Schätzung auf Grundlage der BVSK-Tabelle 2015 in Betracht (LG Stuttgart, Urteil vom 14.07.2016, Az. 5 S 164/15; AG Siegburg, Urteil vom 15.03.2017, Az. 128 C 7/17; AG Siegburg, Urteil vom 25.01.2017, Az. 102 C 201/16). Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung schließt sich das Gericht der zuletzt genannten Auffassung an und schätzt die erforderlichen Nebenkosten auf Grundlage der BVSK-Tabelle 2015. Ausweislich dieser Tabelle sind Kosten von 2,– € pro Foto des 1. Fotosatzes und 0,50 € pro Foto des 2. Fotosatzes, 1,80 € Schreibkosten pro Seite, 0,50 € pro Kopie, 15,– € Kommunikationspauschale sowie Fahrtkosten von 0,70 € pro km erstattungsfähig. Die Klägerin hat keine höheren Nebenkosten berechnet. Dabei war die Klägerin nicht verpflichtet, die Porto-und Telefonkosten näher aufzuschlüsseln. Die pauschale Abrechnung solcher Kosten dient gerade dazu, eine genaue Auflistung der entstandenen Kosten zu vermeiden. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Klägerin sind unstreitig Kosten für eine Fahrstrecke von mehr als 70 km entstanden. Da sie nur eine Strecke von 40 km abgerechnet hat, ergibt dies bei Kosten von 0,70 € einen Betrag von 28,- €.

Die Beklagte hat von den Gesamtkosten des Gutachtens in Höhe von 675,68 € bislang nur einen Betrag in Höhe von 522,– € erstattet, so dass ein Betrag in Höhe von 153,68 € zur Zahlung offen geblieben ist.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Berufung wird nicht zugelassen. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 511 Abs. 4 ZPO. Gemäß den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 11.02.2014 und 22.07.2014 (BGH NJW 2014, 1947; BGH NJW 2014, 3151) ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen.

Streitwert: 153,68 € (§§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO)

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. R-REPORT-AKTUELL sagt:

    Alles richtig, Willi Wacker. Die praktische Erfahrung zeigt jedoch immer wieder, dass Justizia den Schadenersatz nicht nur durch eine Brille beäugt. So ist es auch hier. Immerhin hat das Gericht am Schluss des Urteils beachtenswert ausgeführt:

    „Gemäß den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 11.02.2014 und 22.07.2014 (BGH NJW 2014, 1947; BGH NJW 2014, 3151) ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen.“

    Unabhängig davon ist das Thema in rein schadenersatzrechlicher Betrachtung doch doch nicht so kompliziert, dass es den Gerichten seitenlange Urteile abverlangt. Im vorliegenden Fall war die Entscheidungsfindung deshalb auch nicht mit Hindernissen verstellt, denn der Sachverständige hat sich anpassend brav nach der BVSK-Befragung abgerechnet. Dennoch hat die Versicherung gekürzt, was ja auch bemerkenswert ist.

    Dass die HUK-Coburg Versicherung bei ihrer Kürzungsmanie eine subjektbezogene Schadenbetrachtung respektieren würde, lässt sich den Kürzungsscheiben dieser Versicherung nicht entnehmen.

    Dennoch darf insoweit erinnert werden:

    Der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag umfasst auch die Kosten, welche der Geschädigte für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufwenden musste (vgl. auch: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 75.Auflage 2016, § 249 Rn. 58).

    Die Vorschrift des § 249 BGB verpflichtet den Schädiger grundsätzlich, im Rahmen seiner Haftung die dem Geschädigten entstandenen Nachteile vollständig auszugleichen.

    Es ist nicht Anliegen der Norm, diese Haftung unter Inanspruchnahme des Geschädigten auf dessen Kosten zu mindern bzw. auszuhöhlen.“

    Genau das Letztere ist aber das Steckenpferd dieser Versicherung mit der Bruderhilfe und der VHV im Gefolge.
    Jede rechtswidrige Kürzung beschränkt sich auf normative ex post Zubilligung von Schadenersatz. Eine solche schadenersatzrechtliche „Lösung“ gibt der § 249 S. 1 BGB aber nicht her, denn der herzustellende Zustand ist ein ganz bestimmter und nicht alternativ ein anderer nach versicherungsseitigen Vorstellungen.

    R-REPORT-AKTUELL

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