Mit Urteil vom 04.06.2008 – 14 C 350/07 – hat das AG Recklinghausen die HUK-VN zur Zahlung restlichen SV-Honorars aus abgetretenem Recht verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits sind der Beklagten auferlegt worden.
Aus den Entscheidungsqründen:
Dem klagenden SV steht gegen die Beklagte als Schädigerin des Unfallereignisses der geltend gemachte Restschadensersatzanspruch in Höhe von 70,65 € nebst Zinsen zu. Der Kläger hat für die Erstellung seines Gutachtens einen Betrag von 344,39 € berechnet. Daraufhin hat die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung (HUK-Coburg) 273,74 € gezahlt, so dass die Klageforderung von 70,65 € verbleibt.
Dem geltend zu machenden Anspruch des Klägers liegt ein wirksamer Abtretungsvertrag zwischen dem Geschädigten, dem Kunden des Klägers, und dem Kläger vor. Dieser Abtretungsvertrag ist auch nicht gem. § 134 BGB i.V.m. dem Rechtsberatungsgesetz unwirksam. Es ist allgemein anerkannt, dass im Falle einer Abtretung an Erfüllungs statt ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz nicht vorliegt. Im Text der Abtretungserklärung ist davon die Rede, dass dem Abtretungsschuldner ein Schadensersatzanspruch gegen den Unfallverursacher zustehe und dieser in Höhe der nach einer Haftungsquote von 100 % erstattungsfähigen Sachverständigenkosten und der daraus entstehenden Umsatzsteuer unwiderruflich an den genannten SV abgetreten werde. Daraus kann geschlossen werden, dass die Abtretung nicht nur auf den realisierbaren Betrag beschränkt wird, sondern sich auf weitere Schadensersatzansprüche erstreckt. Ein geschäftsmäßiges Handeln des Klägers liegt nicht vor. Dem Unfallgeschädigten wird die Durchsetzung der Ansprüche nicht abgenommen. Der Unfallgeschädigte hatte auch einen abtretungsfähigen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe der vom Kläger erstellten Rechnung.
Soweit sich in diesem Zusammenhang die Beklagte darauf beruft, dass die Geschädigte nicht Eigentümerin des Pkw gewesen sei, ist ihr dieser Einwand nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt. Die Beklagte hat Teilzahlungen durch ihre Versicherung (HUK-Coburg) geleistet, ohne das Eigentum in Frage zu stellen. Die hinter der Beklagten stehende Versicherung wird durch rechtskundige Personen vertreten, die Zweifel am Eigentum frühzeitig hätten geltend machen können und nicht erst im Prozess.
Die Forderung des Klägers ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Nach der mittlerweile ständigen Rechtssprechung des BGH umfassen die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten, soweit sie ein vorprozessual eingeholtes Sachverständigengutachten betreffen, die „übliche“ Vergütung. ‚„Üblich“ sind in diesem Zusammenhang Gutachterkosten eines ohne großen Aufwand zugänglichen SV, wobei eine ex ante Betrachtung an den Tag zu legen ist. Dabei ist auf den regionalen Markt abzustellen. Es ist also darauf abzustellen, was nach den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten des Geschädigten im Raum Bochum für eine Auswahl an SV zur Verfügung steht und welche Kosten diese geltend machen. Diese Kosten darf das Gericht im Rahmen des § 267 ZPO schätzen.
Das Gericht hat sich dabei der Hilfe eines SV bedient. Der SV hat in seinem Gutachten und in der Ergänzung dazu aufgezeigt, dass im Raum Bochum für den vom Unfallgeschädigten erlittenen Schaden SV-Gutachten für Gesamtbeträge von 208,– € bis 348,– € einzuholen gewesen wären. Die im Nachhinein ermittelten Beträge von 312,– € und 332,– € liegen nur wenig unter dem Betrag, den der Kläger abgerechnet hat. Damit bewegt sich dieser Betrag im Rahmen dessen was im Raum Bochum üblich ist. Dabei kommt es nicht auf die Streitfrage an, ob das Urteil des BGH (NJW 2007, 1450 ff.) so verstanden werden, ob auch ein überhöhtes Gutachten grundsätzlich erstattungsfähig wäre. Ausschlaggebend für das Gericht ist aber letztlich der Gesamtbetrag. Dabei ist in Einzelpositionen durchaus eine Über- oder Unterschreitung von üblichen Beträgen zulässig, wenn der Gesamtbetrag das übliche Maß nicht überschreitet. In diesem Zusammenhang geht das Gericht auch entgegen der Auffassung der Beklagten davon aus, dass eine Abrechnung nach Schadenshöhe grundsätzlich zulässig ist. Das dürfte mittlerweile allgemein anerkannt sein.
Die vom Kläger abgerechneten Kosten stellen daher den zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwand dar und sind nach § 249 BGB zu ersetzen.
Ein in der Begründung zutreffendes Urteil des AG Recklinghausen. Bemerkenswert ist insoweit, wie der Amtsrichter den Einwand der Beklagte, der Geschädigte sei nicht Eigentümer des Pkw, beantwortet hat. Zutreffend hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es nicht angeht, dass die hinter dem Schädiger stehende Haftpflichtversicherung zunächst Teilzahlungen – auch auf das SV-Honorar – leistet, dann im Prozess jedoch für die verklagte VN den Einwand erhebt, der Geschädigte sei nicht Eigentümer der beschädigten Sache. Dies widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben und stellt widersprüchliches Verhalten dar.
Hallo Willi Wacker,
m.E. hätte das AG Recklinghausen einen Gutachter nicht beauftragen brauchen. Nach der Rspr. des BGH ist weder der Schädiger noch das Gericht zur Preiskontrolle des SV-Honorars im Schadensersatzprozess berechtigt, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt (BGH Urt. vom 23.1.2007, Vers.R. 2007,560 ). Erfreulich ist der Absatz des Richters zum Einwand der Beklagtenanwälte. Ein klassischer Fall für widersprüchliches Verhalten. Prima Urteil! Weiter so.
Die Frage: „Was kostet das Gutachten bei einem anderen SV?“ ist ungefähr genauso sinnvoll wie die Frage „Was kostet ein Joghurt der Geschmacksrichtung Erdbeere?“
Das kann alles zwischen 0,19 Euro (Billigmarke, kleiner Becher) und 2,59 Euro (Edelmarke, großer Becher) sein. Und keiner wird behaupten wollen, dass der Joghurt für 2,59 Euro nicht auch seine Käufer findet.
Es ist eine Frage dessen, was man haben möchte. Qualität hat genauso ihren Preis wie Kundenservice auch. Mancher schert sich nicht um das Eine oder das Andere, dann kann er sein Produkt billig anbieten. Der andere nimmt beides sehr Ernst und dann wird sein Produkt im Regelfall deutlich teurer sein. Aber beides ist durchaus das eingesetzte Geld wert.
Wenn also tatsächlich das Honorar überprüft werden müsste, müsste man sich nicht die Frage stellen, was andere verlangen, sondern ob das erhaltene Produkt mit sämtlichen dazu gehörigen „Nebenleistungen“ das Geld wert ist.
Aber letztlich kommt es selbst darauf nicht einmal an, sondern nur darauf, ob der Kunde, der das Gutachten in Auftrag gibt, erkennen kann, dass er einen überhöht abrechnenden SV beauftragt oder ob er dies nicht erkennen kann.
Die Versicherung kann selbstverständlich ihrerseits den SV im Wege des Regresses in Anspruch nehmen. Und warum macht das keine Versicherung? Richtig, weil die SV, die immer wieder mit Kürzungen belästigt werden, eben nicht zu hoch abrechnen.
Grüße
Andreas
Hallo Andreas,
Sie haben es auf den Punkt gebracht. Die Preiskontrolle ist lt. BGH dem Schädiger, dessen Versicherer und dem Gericht nicht erlaubt. Im Schadensersatzrecht ist nur zu fragen, ist das SV-Honorar erforderlich i.S. d. § 249 BGB.
MfG
RA. Wortmann