Mit Entscheidung vom 21.03.2017 – 6 C 239/16 – wurde die eintrittspflichtige Versicherung durch das Amtsgericht Duisburg-Hamborn zur Erstattung der restlichen Kosten für die Fahrzeugverbringung verurteilt, die außergerichtlich durch die Versicherung willkürlich gekürzt wurden. Es handelte sich um eine konkrete Abrechnung nach Fahrzeuginstandsetzung in einer Reparaturwerkstatt.
Im Wesentlichen wurde die Entscheidung korrekt begründet. Lediglich der Hinweis auf die „Indizwirkung der bezahlten Rechnung“ war entbehrlich. Im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Auseinandersetzung spielt es nämlich keine Rolle, ob eine Rechnung bereits beglichen ist oder nicht. Denn auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit ist schadensersatzrechtlich einer bezahlten Rechnung gleichzustellen. Der Hinweis der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH zur Differenzierung zwischen bezahlten und unbezahlten Rechnungen ist demzufolge unverständlich bzw. rechtsfehlerhaft.
Das Werkstatt- bzw. Prognoserisiko geht grundsätzlich zu Lasten des Schädigers, so dass es keine Rolle spielt, ob eine Rechnung bereits bezahlt ist oder nicht. Denn auch die Reparaturwerkstatt gehört zu den Erfüllungsgehilfen des Schädigers (BGH vom 29.10.1974, VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182ff). Demzufolge gehen auch sämtliche Fehler des Erfüllungsgehilfen zu Lasten des Schädigers – somit also auch mögliche Fehler bei der Rechnungserstellung. Nachdem die Schadensposition (durch den Reparaturauftrag) ausgelöst wurde, hat der Geschädigte Anspruch auf vollständigen Schadensausgleich gem. § 249 BGB. Natürlich immer nur dann, sofern ihm kein Auswahlverschulden angelastet werden kann.
Der Schädiger ist hierbei nicht rechtlos gestellt, denn er kann im Rahmen des Forderungsausgleichs möglicherweise zuviel bezahlte Kosten zurückfordern (OLG Naumburg vom 20.01.2006, 4 U 49/05, NJW-RR 2006, 1029 ff).
Dieser Streitfall zeigt wieder einmal sehr deutlich, dass die Versicherer an allen Ecken und Enden den berechtigten Schadensersatz des Geschädigten willkürlich und rechtswidrig kürzen, was das Zeug hält. Das Rechtsbewusstsein ist dabei inzwischen vollständig auf der Strecke geblieben.
6 C 239/16
Amtsgericht Duisburg-Hamborn
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Klägerin,
gegen
…
Beklagte,
hat das Amtsgericht Duisburg-Hamborn
im Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 21.03.2017
durch den Richter am Amtsgericht Dr. …
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 164,10 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.12.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
– ohne Tatbestand gemäß § 313a Abs. 1 ZPO –
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe von 164,10 EUR aus§§ 7 Abs. 1,17 StVG, § 115 VVG zu.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Insbesondere ist unstreitig, dass das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug mit dem Kennzeichen … am 11.08.2016 alleinverantwortlich einen Schaden am Klägerfahrzeug mit dem Kennzeichen … verursacht hat.
Die Verbringungskosten gehören im vorliegenden Fall als Kosten, die im Rahmen der unstreitig notwendigen Lackierarbeiten erforderlich sind, zum erstattungsfähigen Schaden der Klägerin gemäß §§ 249 ff. BGB.
Die Details der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, welcher Geldbetrag bei Beschädigung eines Kraftfahrzeuges zur Herstellung „erforderlich“ im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist und welche Aufwendungen ersatzfähig sind, weil sie ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung), bedürfen hier keiner Erörterung. Denn im vorliegenden Fall spricht für die Erforderlichkeit der angesetzten Verbringungskosten zur Lackierwerkstatt jedenfalls eine Indizwirkung, die die Beklagte nicht entkräftet hat. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten ist davon auszugehen, dass der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe auch dann genügt, wenn er nachweist, dass er die Zahlung gemäß der Rechnung der von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Werkstatt in Übereinstimmung mit dem Gutachten einer anerkannten Sachverständigenorganisation erbracht hat. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet dann bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB (vgl. BGH v. 11.02.2014 – VI ZR 225/13, NJW2014, 1947 f. (LS 2, Rn. 8), zitiert nach juris).
Die Voraussetzungen der Indizwirkung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegen hier vor.
Die Klägerin hat die Rechnung der Werkstatt nach ihrem unbestrittenen Vortrag bereits beglichen.
Die Rechnung stimmt zudem mit der vereinbarten Vergütung überein. Es ist nicht bestritten, dass die Klägerin den Reparaturauftrag entsprechend dem außergerichtlichen Gutachten der … vom 16.08.2016 erteilt hat. Die hier betroffene Position der Kosten der Verbringung zum Lackierer ist im Gutachten der mit 217,89 EUR (netto) und in der Rechnung der Werkstatt mit 217,90 EUR (netto) bewertet worden, also in nahezu identischer Höhe.
Selbst im Falle des Fehlens einer Vergütungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Werkstatt wäre eine Übereinstimmung zwischen der vereinbarten Vergütung und der bezahlten Rechnung festzustellen. Denn ohne ausdrückliche Vergütungsvereinbarung wäre die ortsübliche Vergütung vereinbart und auf der Grundlage des Gutachtens der … ist hinsichtlich der Verbringungskosten die Ortsüblichkeit dieser Kosten – und damit deren Erstattungsfähigkeit – zu bejahen.
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen „Fremdaufwendungen“ einer Werkstatt zu erstatten sind, bedarf keiner Entscheidung. Im vorliegenden Fall sind der Klägerin keine von der Werkstatt beglichenen Kosten Dritter in Rechnung gestellt worden, sondern gemäß dem Schreiben der Werkstatt vom 29.04.2016 (Bl. 64 der Akten) Arbeitskosten für 1,5 Stunden als Zeitaufwand für die Fahrzeugverbringung zum Lackierer und zurück.
Ein Verstoß der Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht bzw. -Obliegenheit ist nicht festzustellen. Ob – wie die Beklagte meint – nur 95,20 EUR als Verbringungskosten ortsüblich und angemessen sind, bedarf keiner Entscheidung. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH, a. a. O., Rn. 8). Hinzu kommt, dass hier von der Beklagten jedenfalls nicht dargelegt ist, dass die Klägerin als Geschädigte es hätte erkennen können, falls die von ihr ausgewählte Werkstatt (deutlich) überdurchschnittliche Preise berechnet hätte. Vielmehr durfte die Klägerin auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens der … davon ausgehen, dass die Berechnung von Verbringungskosten ortsüblich und in der dort angegebenen Höhe angemessen ist.
2. Zinsen ab Rechtshängigkeit sind nach § 291 BGB antragsgemäß zuzusprechen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung der Berufung liegen insbesondere nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vor.
Der Streitwert wird auf 164,10 EUR festgesetzt.