Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
nach dem kritisch zu betrachtenden Urteil des AG Halle, das wir Euch vor Kurzem vorgestellt hatten, stellen wir Euch hier nun ein Urteil aus Diez im Schadensersatzprozess um die restlichen Sachverständigenkosten gegen die HUK- COBURG Allgemeine Versicherung AG vor. Geklagt hatte der Geschädigte. Insoweit war das BGH-Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – zugrunde zu legen. Das erkennende Amtsgericht Diez hat eine gut begründete Entscheidung gegen Die HUK-COBURG erlassen. Es wurde nach Recht und Gesetz entschieden. Von dem Urteil können sich so manche Richter eine Scheibe von abschneiden. Insbesondere kam dem erkennenden Gericht mit keiner Silbe der – unsinnige – Gedanke, dass eine eventuell getroffene Honorarvereinbarung eine vertragliche Regelung zu Lasten eines Dritten darstellen könnte. Lest selbst das Urteil des AG Diez und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Aktenzeichen:
3 C 159/16
Amtsgericht
Diez
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
HUK Coburg-Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Dr. Wolfgang Weiler, Stefan Gronbach, Klaus Jürgen Heitmann, Dr. Hans Olav Heroy, Sarah Rössler, Jörn Sandig, Bahnhofsplatz, 96444 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadenersatz
hat das Amtsgericht Diez durch die Richterin am Amtsgericht W. am 10.04.2017 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 451,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2016 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Parteien streiten vorliegend um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 01.01.2015 gegen 16:45 Uhr in der Ortsmitte von Singhofen. Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Beklagten sind verpflichtet, an den Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls weitere 451,97 € Sachverständigenkosten zu zahlen.
Der Kläger war berechtigt das Sachverständigenbüro … mit der Erstellung der Schadensgutachten zu beauftragen.
Soweit die Beklagte nunmehr offenbar sogar den Auftrag bestreiten will (Der Geschädigte will einen Sachverständigen … beauftragt haben) muss sie sich fragen lassen, auf was sie vorgerichtlich 1.240,– € direkt an den Sachverständigen gezahlt hat.
Der Schädiger hat grundsätzlich die tatsächlich angefallenen Sachverständigenkosten zu ersetzen, soweit diese aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Hinsichtlich der hier nur noch streitgegenständlichen Kosten ist dabei maßgeblich, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten im Rahmen des Erforderlichen halten, d.h. die Kosten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich erachtet. Dies ist hier der Fall. Der Kläger ist nicht verpflichtet zunächst eine Marktforschung zu betreiben, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden. Die Abrechnung des hier beauftragten Sachverständigen entspricht auch nach ständiger Rechtsprechung einer rechtlich zulässigen Preisgestaltung. Ein Preisvergleich ist einem Geschädigten in der Regel nicht möglich und nicht zuzumuten. Der Streit über die Höhe der Gutachterkosten kann nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden.
Etwas anderes kann immer nur dann gelten, wenn der Geschädigte sich im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten auf den ersten Blick hätte auffallen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen nicht einer üblichen Vergütung nach § 632 BGB und der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht. Dies ist vorliegenden offensichtlich – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht der Fall.
In Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung der Amtsgerichte und des BGH hat der Sachverständige auch nach ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts Diez im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums das Recht, sein Grundhonorar für sein Schadensgutachten nach einem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe zu berechnen. Der ihm hier zuzubilligende Rahmen ist vorliegend nicht überschritten, da das Grundhonorar hier ca. 11% der Schadenssumme entspricht.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diesem Honorar die geltend gemachten Nebenkosten für Kopien, Kilometerkosten, Fremdleistung, Fotos, Telefon/Portokosten hinzuzusetzen. Inwieweit die genannten Kosten für übersetzt angesehen werden, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Im Übrigen gilt hier auch das oben Gesagte.
Der Einwand gegen die Fahrtkosten, kann ebenfalls nicht durchgreifen. Grundsätzlich muss es dem Sachverständigen überlassen bleiben, inwieweit er in einem vertretbaren Rahmen Fahrtkosten ansetzen will. Darüber hinaus vermag der Einwand, der Geschädigte müsse den nächsten Sachverständigen beauftragen und nicht einen entfernten in einem ländlichen Gebiet wie Nassau/Singhofen nicht durchzugreifen. Die Sachverständigendichte wie in einer Großstadt wird dort nicht erreicht.
Auch im übrigen vermag er die Kosten pauschaliert geltend zu machen.
Schreibkosten des Sachverständigen macht der Kläger offensichtlich nicht geltend, sondern Kopierkosten.
Nach allemdem war der Klage stattzugeben.
Die Zinsentscheidungen folgen aus §§ 288, 247 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen.
Hallo, Willi Wacker,
das Urteil ist klar und verständlich strukturiert. Dennoch irritiert mich folgende Passage der Entscheidungsgründe:
„Etwas anderes kann immer nur dann gelten, wenn der Geschädigte sich im Einzelfall eine Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Geschädigten auf den ersten Blick hätte auffallen müssen, dass das Honorar des Sachverständigen nicht einer üblichen Vergütung nach § 632 BGB und der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht. Dies ist vorliegenden offensichtlich – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht der Fall.“
Eine solche Überlegung beschränkt sich doch auf eine werkvertragliche Perspektive oder irre ich mich ?
D.H.
Hallo D.H.,
im Schadensersatzrecht ist eigentlich eine werkvertragliche Preiskontrolle untersagt (BGH VI ZR 67/06 Rn. 13), wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat. Das zur Wiederherstellung Erforderliche zur beweissichernden Feststellung des schadensumfangs und der Schadenshöhe hat der Geschädigte dadurch gewahrt, indem er einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen hinzugezogen hat. Dabei ist der Sachverständige dann sogar noch der Erfüllungsgehilfe des Schädigers (OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.), wobei dessen Fehler bei der Begutachtung und der Berechnung seiner Kosten dann auch noch zu Lasten des Schädigers gehen, §§ 278 BGB.
Gemeint hat das Gericht aber offenbar die dem Geschädigten obliegende Pausibilitätskontrolle. D.h. der Geschädigte muss grob überprüfen, ob die berechneten Posten mit den tatsächlichen Positionen übereinstimmen, wie z.B. die Fahrtstrecke grob und die Seitenzahlen u.s.w.. Zu einer weiteren Überprüfung ist der Geschädigte gar nicht in der Lage, denn er kennt die betriebsinterne Berechnungsbasis gar nicht und kann diese auch nicht kennen, und deshalb hat er grundsätzlich auch keine vorherige Erkundigungspflicht (vgl. BGH VI ZR 211/03).
@Willi Wacker
Danke für die Beantwortung.
D.H.
Hi Willi
genauso isses!
Mitverschulden setzt begrifflich ein Verschulden voraus,also mindestens eine einfache Fahrlässigkeit.
Diese kann man nur bejahen bei bestehender Voraussehbarkeit des Eintritts eines höheren Schadens,vgl.BGH VersR 1964,950,951;Staudinger/Medicus §254 BGB Rz.29.
Jede andere Sicht würde den Geschädigten für das Fehlen hellseherischer Fähigkeiten in die anteilige Mithaftung nehmen.
Also besteht nur die Pflicht,Abrechnungen auf Rechenfehler,auf ihre Kongruenz mit den tatsächlich erbrachten Leistungen und eventuelle krasse Überhöhungen(Wuchergrenze) zu prüfen.
LG