Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
wir beginnen die Woche mit einem Urteil aus Saarbrücken im Schadensersatzprozess um die restlichen Sachverständigenkosten gegen die HUK-Coburg Allg. Vers. AG. Im Ergebnis hat das Amtsgericht Saarbrücken zwar richtig, in der Begründung jedoch wieder durchweg fehlerhaft entschieden. Obwohl der Geschädigte die konkret entstandenen Sachverständigenkosten, die ihm als Vermögensnachteil unmittelbar aus dem Verkehrsunfall entstanden sind, ersetzt verlangt, prüft das erkennende Gericht die grundsätzlich über § 249 I BGB auszugleichenden Sachverständigenkosten (vgl. BGH VI ZR 67/06 Rn. 11) über § 249 II BGB. Denn die Kosten des Sachverständigen resultieren daraus, dass die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH aaO.). § 249 II BGB tritt ein, wenn der Geschädigte statt der Herstellung den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangt, also im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung. Die Sachverständigenkosten werden aber konkret belegt durch die Rechnung, abgerechnet. Die Sachverständigenkostenrechnung stellt auch eine konkrete Belastung mit einer Zahlungsverbindlichkeit dar. Diese stellt nach absolut herrschender Rechtsprechung einen auszugleichenden Schaden dar. Da der Geschädigte die konkret angefallenen und ihn belastenden Sachverständigenkosten als konkreten Schaden ersetzt verlangt, hätte es einer Schadenshöhenschätzung auf der Grundlage von § 287 ZPO ggf. zu Lasten des Klägers nicht bedurft. Im Übrigen hat der BGH dem Schädiger und auch dem Gericht im Schadensersatzprozess eine Preiskontrolle – auch der Sachverständigenkosten – , untersagt, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gewahrt hat (BGH VI ZR 67/06 Rn. 13 mit Hinweis auf BGH VI ZR 211/03). Den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt der Geschädigte, wenn er zur sachverständigen Feststellung zur Beweissicherung einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Bei der Zitierung der Rechtsprechung hat das erkebnnende Gericht überdies übersehen, dass es sich bei den zitierten Entscheidungen um solche einer Abtretung an Erfüllungs Statt handelt. Da im zu entscheidenden Fall der Geschädigte selbst klagt, mithin gar keine Abtretung vorliegt, hätte BGH VI ZR 225/13 angewandt werden müssen. Dann schießt das erkennende Gericht auch noch übers Ziel hinaus, indem es sogar eine bezahlte Rechnung ggf. als nicht erforderlich erachtet und widerspricht damit sogar dem BGH. Die Begriffe Erfüllungsgehilfe und Forderungsausgleich sind in Saarbrücken sowieso nicht existent. Bei aller Kritik hat das erkennende Gericht aber auch gute Seiten: Es ist berechenbar. Das hat der klagende Sachverständige wohl erkannt und alle Rechnungspositionen genau so angepasst, dass das Gericht gar nicht anders konnte, als der Klage stattzugeben. Ob sich die HUK-COBURG unterm Strich mit der (durch sie durchgesetzten) Rechtsprechung im Saarland einen guten Dienst erwiesen hat, wagen wir zu bezweifeln, einen Bärendienst vielleicht? Was denkt Ihr? Gebt Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
120 C 399/17 (05)
Amtsgericht Saarbrücken
U r t e i l
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK-Coburg Allg. Vers. AG …
Beklagte
wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall, hier: Sachverständigenkosten
hat das Amtsgericht Saarbrücken ohne mündliche Verhandlung am 30.11.2017 im Verfahren gem. § 495a ZPO durch den Richter am Amtsgericht H. für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 203,07 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.10.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidunasaründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten in Höhe restlicher 203,07 € aus den §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 Abs. 2 BGB. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist unstreitig. Zu den ersatzfähigen Kosten gehören auch diejenigen für ein Sachverständigengutachten, soweit dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 249, Rdnr. 40).
Zu erstatten sind die Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbeseitigung ansehen darf, dabei ist grundsätzlich auf seine spezielle Situation und seine Erkenntnismöglichkeiten Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06).
Grundsätzlich darf der Geschädigte von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen (LG Saarbrücken, Urteil vom 30.05.2008, Az. 13 S 20/08 und Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07). Erst wenn er erkennen kann, dass der Sachverständige das Honorar willkürlich festsetzt oder Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder der Geschädigte ein Auswahlverschulden zu vertreten hat oder offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung verschuldet oder der Honorarberechnung missachtet, mindert sich sein Erstattungsanspruch (LG Saarbrücken, a.a.O.).
Dem Geschädigten obliegt keine Erkundigungspflicht, er muss nicht mehrere Angebote einholen. Die Berechnung des Schadens kann nicht von rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeit, also zum Beispiel einer überhöhten Honorarrechnungen des Sachverständigen, abhängig gemacht werden (LG Saarbrücken, Urteil vom 21.02.2008, Az. 11 S 130/07).
Der erforderliche Geldbetrag wird aber nicht durch die Rechnung des Sachverständigen festgelegt, auch nicht, wenn der Geschädigte diese gezahlt hat. Allerdings ist der tatsächlich erbrachte Aufwand ein Indiz für die Bemessung des erforderlichen Betrages, jedoch ist der aufgewendete Betrag nicht zwingend identisch mit dem zu ersetzenden Schaden (BGH, Urteil vom 22.07.2014, Aktenzeichen VI ZR 357/13), insbesondere dann nicht, wenn die Preise des Sachverständigen für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. Dann darf das Gericht den erforderlichen Betrag nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen.
Die Vergütung des Sachverständigen darf sich an der Schadenshöhe orientieren (LG Saarbrücken, Urteil vom 25.09.2003, Az.: 2 S 219/02; Saarl. OLG, Urteil vom 22.07.2003, Az.: 3 U 438/02-46-; so nunmehr auch der BGH, Urteil vom 4.4.2006, NJW 2006, 2472; VersR 2006, 1131). Deshalb überschreitet ein Sachverständiger bei Routinegutachten den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung seines Honorars grundsätzlich nicht, wenn er dieses an der Schadenshöhe orientiert.
Das Gericht legt bei der Berechnung von Sachverständigenhonoraren die Urteile des LG Saarbrücken vom 19.12.2014, Az. 13 S 41/13 und des BGH vom 22.07.2014, Aktenzeichen VI ZR 357/13, zugrunde. Demnach kann das Grundhonorar wie bisher entsprechend dem Honorarkorridor HB V der BVSK Honorarbefragung (hier 2015) geschätzt werden.
Für die Nebenkosten bietet die BVSK Honorarbefragung aber keine taugliche Schätzungsgrundlage. Es ist deshalb auf die vom Landgericht Saarbrücken im Urteil vom 19.12.2014, Aktenzeichen 13 S 41/13 aufgestellten Grundsätze zurückzugreifen.
Zunächst gilt der Grundsatz, dass ein Sachverständiger zum Ausdruck bringt, dass seine Ingenieurtätigkeit mit dem Grundhonorar abgegolten sein soll, wenn er dies mit einem Pauschalbetrag abrechnet und zusätzlich bestimmte Nebenkosten beansprucht. Nebenkosten können dann nur in Höhe der entstandenen Aufwendungen berechnet werden.
Als Aufwendungen können Fahrtkosten, Kosten für das Schreiben, Drucken und Vervielfältigen des Gutachtens, Fotokosten, Porto-, Versand-und Telefonkosten sowie die EDV-Abrufgebühr und Kosten der EDV- Fahrzeugbewertung angesetzt werden. Diese sind erstattungsfähig, soweit sie erforderlich sind, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Maßgebend ist, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch die Kosten als zweckmäßig und notwendig ansehen würde.
Der Geschädigte muss eine Plausibilitätskontrolle der berechneten Kosten durchführen, um zunächst zu einer eigenen Einschätzung zu kommen, ob die berechneten Nebenkosten angemessen sind. Zur Überprüfung der Angemessenheit im Rahmen des § 287 ZPO darf das Gericht nach dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.12.2014, Az. 13 S 41/13, auf den Rahmen zurückgreifen, den das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) für die Entschädigung von Sachverständigen vorgibt.
Für Fahrtkosten gilt dies allerdings nicht Das Landgericht weist darauf hin, dass der Kilometersatz des § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 JVEG von 0,30 € sich erkennbar an der steuerlichen Abzugsfähigkeit orientiert und nicht den tatsächlichen Kosten entspricht, die das Landgericht in seiner Ausgangsentscheidung mit 0,60 € pro Kilometer ermittelte. Erstattungsfähig ist daher ein Betrag von maximal 0,70 € pro Kilometer. Eine Überschreitung dieses Betrages ist erkennbar überhöht.
Für das Schreiben und den Druck des Originalgutachtens in Schwarz/Weiß sind gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG 0,50 € für jede Seite und gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG 0,90 € für jede Seite anzusetzen, also insgesamt 1,40 € für jede Seite. Zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 20 % liegt die Obergrenze hier bei 1,68 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 1,40 € erstattungsfähig.
Für jede weitere gedruckte Seite schwarz-weiß ohne Schreibkosten sowie für jede Kopie schwarz-weiß ohne Schreibkosten sind 0,50 € zu erstatten. Zuzüglich des Sicherheitszuschlages von 20 % liegt die Obergrenze hier bei 0,60 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 0,50 € erstattungsfähig. Grundsätzlich sind über das Originalgutachten hinaus maximal 2 Ausfertigungen erstattungsfähig (für den Geschädigten und dessen Rechtsanwalt).
Für eine in Farbe gedruckte Seite des Gutachtens ist 1,00 € zu vergüten, was aber nicht hinsichtlich der Fotos gilt, für die eine Sonderregelung eingreift. Die Obergrenze für Farbausdrucke liegt bei 1,20 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 1,00 € zu erstatten.
Fotokosten sind entsprechend § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG einmalig für das Originalgutachten in Höhe von 2,00 € pro Foto zu erstatten, soweit sie zur Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens erforderlich waren. Zuzüglich des Sicherheitszuschlages von 20 % liegt die Obergrenze bei 2,40 €. Wird diese überschritten, ist lediglich der Sockelbetrag von 2,00 € erstattungsfähig. Für maximal weitere 2 Fotosätze bei den Ausfertigungen des Gutachtens sind 0,50 € pro Foto zu erstatten. Die Obergrenze liegt hier bei 0,60 €. Sofern diese überschritten wird, sind lediglich 0,50 € zu erstatten.
Für die Porto-, Versand-und Telefonkosten bleibt es bei dem Pauschalbetrag von 15,00 €.
Femer sind die Kosten der EDV-Abrufgebühr und der EDV-Fahrzeugbewertung erstattungsfähig, jedenfalls soweit sie jeweils einen Betrag von 20,00 € nicht übersteigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Kosten konkret anfielen. Auch sonstige Fremdkosten des Sachverständigen sind zu erstatten.
Daraus ergibt sich folgende Berechnung:
. Kostenart Anzahl Einzelpreis Gesamtpreis
Grundhonorar bei Schaden 8100,00 € brutto pauschal 793,00 € 793,00 €
diff. -best.
Fahrtkosten 0,70 € pro Km 46 0,70 € 32,20 €
Schreiben und Druck s/w 1,40 €, max. 1,68 €/Seite 13 1,65 € 21,45 €
Druck s/w ohne Schreiben 0,50 €, max. 0,60 €/Seite 0,00 €
Kopie s/w ohne Schreiben 0,50 €, max. 0,60 €/Seite 26 0,60 € 15,60 €
Druck Farbe 1,00 €, max. 1,20 €/Seite 0,00 €
Fotos für Original 2,00 €, max. 2,40 €/Stück 16 2,40 € 38,40 €
Fotos für max. 2 Ausfert. 0,50 €, max. 0,60 €/Stück 32 0,60 € 19,20 €
Porto, Versand, Telefon gem. Rechng., max. 15,00 € 15,00 € 15,00 €
EDV-Abrufgebühr gem. Rechng., max. 20,00 € 20,00 € 20,00 €
EDV-Fahrzeugbewertung gem. Rechng., max. 20,00 € 20,00 € 20,00 €
Sonstige Fremdkosten nach Anfall 0,00 € 0,00 €
Summe netto 974,85 €
Umsatzsteuer 19% 185,22 €
Summe brutto 1.160,07 €
bereits gezahlt 957,00 €
Restbetrag zu zahlen 203,07 €
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.