Im folgenden veröffentlichen wir das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts Aachen zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 17.09.2019 (VI ZR 396/18), die wir am 28.01.2020 hier veröffentlicht hatten. Im wesentlichen hatte das LG den Anspruch fiktiver Kosten aus der Entscheidung des Amtsgerichts Aachen bestätigt (Zuspruch der UPE-Aufschläge / Kleinzeilzuschläge). Lediglich bei der Lackangleichung war das Landgericht Aachen von einer anderen Rechtsauffassung getrieben und hat die Entscheidung des AG Aachen entsprechend abgeändert. Mit der zugelassenen Revision ist der BGH dieser (fehlgeleiteten) Rechtsauslegung nun entgegen getreten. Im Ergebnis wurde das Urteil des LG Aachen durch den BGH aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung an das LG zurückverwiesen. Gemäß BGH sind auch die Kosten für die Beilackierung – analog der weiteren fiktiven Schadenspositionen – erstattungsfähig. What a surprise – wer hätte das gedacht? Wer entschädigt nun die Masse an Geschädigten, die mit dieser perfiden Strategie über viele Jahre von den Versicherern über den Tisch gezogen wurden (und möglicherweise weiterhin noch werden)?
Hier nun das aufgehobene Urteil des LG Aachen:
2 S 25/18 Verkündet am 06.09.2018
102 C 108/17
AG Aachen
Landgericht Aachen
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 18.01.2018 – 102 C 108/17 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 219,13 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.04.2017 zu zahlen.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird zur Klärung folgender Frage zugelassen:
Sind sogenannte Beilackierungskosten bei fiktiver Schadensberechnung erstattungsfähig?
G r ü n d e
I.
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis vom 3 01.04.2017 in Aachen. Die allein schuldhafte Verursachung des Unfalls durch den Fahrer des zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs steht zwischen den Parteien außer Streit.
Streitgegenständlich ist allein der Umfang des von dem Kläger auf Basis eines vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens fiktiv geltend gemachten Schadens an seinem im Farbton „phantomschwarz Perleffekt“ lackierten Fahrzeugs. Die Parteien streiten namentlich um die Ersatzfähigkeit
• der Kosten der Ein-/Beilackierung der Tür vorne rechts (unten II 1)
• von sogenannten UPE-Aufschlägen (unten II 2).
In dem von dem Kläger eingeholten Privatgutachten des Sachverständigen A aus Neuss werden die zur Behebung des Unfallschadens erforderlichen Reparaturkosten auf netto 3.075,58 € kalkuliert. Hierauf hat die Beklagte außergerichtlich bereits 2.432,19 € gezahlt. Den Restbetrag in Höhe von 643,39 € begehrt der Kläger nunmehr mit seiner Klage.
Die von der Beklagten nach Maßgabe eines Prüfberichts der DEKRA vorgenommenen Abzüge entfallen in Höhe von 424,60 € auf die Kosten der Beilackierung inklusive Ersatzteilkosten in Höhe von 94,76 €, Arbeitslohn in Höhe von 189,00 €, Lackierungslohn in Höhe von 138,60 €) sowie eines anteiligen Kleinteilezuschlags in Höhe von 1,90 €. Eine weitere Kürzung in Höhe von 219,13 € hat die Beklagte unter Verweis auf die einkalkulierten, ihrer Ansicht nach nicht erstattungsfähigen UPE-Aufschläge und Kleinteilzuschläge in Höhe von 15 % vorgenommen.
Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen seien zu Unrecht erfolgt. Er hat behauptet, zur Behebung der unfallbedingten Schäden sei es aufgrund des besonderen Farbtons des Fahrzeugs („phantomschwarz Perleffekt“) zwingend erforderlich, die vordere rechte Tür und die angrenzenden Leisten beizulackieren. Zur Erstattungsfähigkeit UPE-Aufschläge und Kleinteilzuschläge macht der Kläger geltend, derartige Zuschläge fielen im hiesigen Bezirk bei allen Audi Werkstätten an.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 643,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 12 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.04.2017 zu zahlen;
2. ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten der BKW Rechtsanwälte in Höhe von 79,90 € freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, bei fiktiver Abrechnung seien Beilackierungskosten ebensowenig erstattungsfähig wie einkalkulierte UPE-Aufschläge. Der Geschädigte sei auf die Möglichkeit einer konkreten Schadensberechnung zu verweisen. Die Beklagte hat mit Nichtwissen bestritten, dass sämtliche Reparaturwerkstätten in der Wohnsitzregion des Klägers derartige UPE-Aufschläge erheben.
… des weiteren Vorbringens wird ergänzend auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Amtsgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme stattgegeben, wogegen sich die Beklagte mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wendet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Aachen, 102 C 108/17, vom 18.01.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung zurückzuweisen;
2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.
II.
Die fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen formell unbedenkliche Berufung hat teilweise Erfolg und führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Das Amtsgericht hat dem Kläger zu Unrecht einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der auf die Beilackierung der rechten Fahrzeugtüre sowie die Leisten entfallenden Kosten zugestanden. Dem Kläger hat hat bei außer Streit stehendem Haftungsgrund gegen die Beklagte einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz in Höhe von 219,13 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG; §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1 BGB; 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG zu. Ein darüber hinaus gehender Schadensersatzanspruch ergibt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
1. Beilackierungskosten
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß den vorgenannten Normen keinen Anspruch auf restlichen Schadensersatz in Höhe von 424,26 € einer eventuell erforderlichen Beilackierung der rechten vorderen Tür und daran angrenzender Leisten. Denn es handelt sich insofern nicht um zur Herstellung des Fahrzeugs erforderlichen Geldaufwand im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer im Falle einer (ungewissen) Reparaturdurchführung etwa erforderlich werdenden Beilackierung von angrenzenden, nicht unmittelbar unfallbeschädigten Fahrzeugteilen, besteht bei einer fiktiven Abrechnung, wie sie der Kläger seinem Anspruch hier zugrunde legt, nicht.
a) Die Erstattungsfähigkeit von Beilackierungskosten bei fiktiver Schadensberechnung ist umstritten. Einige Gerichte (vgl. LG Hamburg, BeckRS 2014, 121594; AG Ratingen, BeckRS 2016, 05650; AG Stuttgart-Bad Cannstatt, BeckRS 2015, 19192) neigen dazu, diese Position zuzusprechen, wobei dies zum Teil unabhängig, zum Teil aber auch abhängig von einer zuvor durchgeführten Beweisaufnahme erfolgt (in diese Richtung tendierend die vorgelegten Urteile des LG Aachen, 24.10.2017 – 10 O 489/15 – und vom 13.09.2017 – 8 O 451/16 – beide unveröffentlicht). Eine verbreitete Ansicht, der sich die Kammer anschließt, verneint hingegen die Erstattungsfähigkeit fiktiver Beilackierungskosten (LG Berlin, Urteil vom 23.08.2012 – 44 O 262/11; LG Bielefeld, Beschluss vom 19.05.2014 – 20 S 109/13; OLG Hamm, Urteil vom 28.03.2017 – 26 U 72/16; LG Köln, Urteil vom 10.05.2016 – 11 S 360/15; Landgericht Essen, Beschluss vom 03.09.2014 – 10 S 234/14; zum Ganzen auch NJW-Spezial 2017, 394, beck-online).
b) Aus Sicht der Kammer gilt folgendes:
aa) Der Geschädigte kann vom Schädiger bzw. von dessen Haftpflichtversicherung als Schadensersatz alle anlässlich des Schadensereignisses anfallenden Kosten insoweit ersetzt verlangen, als sie nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Schadensbeseitigung erforderlich sind. Erforderlich sind Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH, Urt.. v. 12. 04. 2011, VI ZR 300/09). Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren X zu wählen. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Er soll zwar vollen Ersatz verlangen können, aber an dem Schadensfall nicht verdienen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 18. 10. 2011, VI ZR 17/11 mit weiteren Nachweisen).
bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze gehören bei Karosserieschäden die zur Vermeidung etwaiger Farbtonabweichungen aufzuwendenden Kosten einer Beilackierung angrenzender, nicht unmittelbar unfallbeschädigter Fahrzeugteile nach Ansicht der Kammer nicht zu den im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung erstattungsfähigen Herstellungskosten.
Die Beilackierung indes hat mit der Beseitigung des Unfallschadens als solcher nichts zu tun. Sie dient der Farbangleichung von nicht durch den Schaden selbst betroffenen angrenzenden Fahrzeugteilen. Erforderlich sind die Kosten der Beilackierung nur dann, wenn sich eine tatsächliche Abweichung des Farbtons der reparierten Teile von der übrigen Lackierung des Fahrzeugs ergibt. Während bei den unmittelbar betroffenen Fahrzeug-/Karosserieteilen jedenfalls für den Sachverständigen regelmäßig bereits aus ex-ante-Sicht zum Begutachtungszeitpunkt abzusehen ist, welche Reparaturschritte im Einzelnen zu deren Behebung vorzunehmen sind, ist der erforderliche (Bei)Lackieraufwand auch nicht beschädigter Fahrzeugteile erst nach der durchgeführten Instandsetzung der zu reparierenden Teile und deren Lackierung feststellbar. Dieser Umstand steht der Ersatzfähigkeit mutmaßlicher Beilackierungskosten bei einer Schadensabrechnung auf fiktiver Basis entgegen. Denn erst im Reparaturfall wird sichtbar, ob sich ein farblicher Unterschied zu der ursprünglichen Lackierung ergibt (in diesem Sinne auch LG Berlin, Urteil vom 23.08.2012 – 44 O 262/11; LG Köln, Urteil vom 10.05.2016 – 11 S 360/15).
Insoweit schließt sich die hier zur Entscheidung berufene (2. Zivil)Kammer der grundsätzlichen Auffassung der anderen Berufungskammern des Landgerichts Aachen an, die im vorliegenden Rechtsstreit auch schon zitiert worden ist (LG Aachen, Urteil vom 07.03.2016 – 5 S 142/15; LG Aachen, Urteil vom 24.08.2012 – 6 S 60/12).
Entsprechendes ergibt sich auch aus dem in Bezug genommenen und über das Internet frei abrufbaren Merkblatt für Ausbesserungen von Uni- und Effektlackierungen vom 29.04.2008. Dort heißt es – soweit hier von Interesse:
„Die Entscheidung über eine Beilackierung von angrenzenden Teilen wird vom ausführenden Lackierfachbetrieb anhand der von ihm gespritzten Farbmuster getroffen.“
cc) Dieser Auffassung steht auch nicht die dem von dem Kläger in Bezug genommene Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Ing. T entgegen, die der genannte Sachverständige auf der Basis einer von ihm durchgeführten Umfrage unter Karosserie- und Lackierfachbetrieben sowie unter öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im Bereich der Städteregion Aachen durchgeführt hat. Hiernach entspreche die Beilackierung angrenzender Karosserieteile zwecks Farbtonangleichung bzw. deren Kalkulation der üblichen und gängigen Praxis eines Lackierfachbetriebs bzw. eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, jedenfalls bei Metallic- bzw. Pearl-Color-Lackierungen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der Erforderlichkeit dieser Kosten und deren Erstattungsfähigkeit im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB letztlich um eine Rechtsfrage handelt, bei der andere Gesichtspunkte zum Tragen kommen, als bei einem Reparaturbetrieb, wo ggf. aus pragmatischen Gesichtspunkten und zur Vermeidung etwaiger Nachbesserungsarbeiten von vornherein eine Ein-/Beilackierung vorgenommen werden mag.
dd) Soweit das Oberlandesgericht Hamm zuletzt eine Öffnung dieses Grundsatzes befürwortet für den Fall, dass besondere Maßnahmen bei der Lackierung sich als tatsächlich notwendig erweisen und dies auch sicher feststellbar ist (Urteil vom 28.03.2017 – 26 U 72/16; ebenso LG Arnsberg, Urteil vom 02.08.2017 – 3 S 198/16; in diese Richtung tendierend wohl auch LG Köln, Urteil vom 10.05.2016 – 11 S 360/15), vermag die Kammer dem jedenfalls nicht uneingeschränkt zu folgen. Denn die „sichere Feststellung“ der Notwendigkeit der Beilackierung erfordert jedenfalls im Regelfall auch eine tatsächlich durchgeführte Reparatur. Die Einhaltung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots ist bei einer fiktiven Schadensberechnung deutlich schwieriger zu überprüfen als bei einer konkreten Abrechnung. Ob Beilackierungskosten daher tatsächlich zwingend anfallen, lässt sich nach Überzeugung der Kammer zweifelsfrei jedenfalls nicht im Vorhinein klären.
ee) Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, in all jenen Fällen, in denen offensichtlich oder gerichtsbekannt vorgegebene Schadenspositionen zwar anfallen können, aber nicht unbedingt anfallen müssen, den Geschädigten auf eine konkrete Abrechnung zu verweisen und mithin insbesondere fiktive Beilackierungskosten grundsätzlich nicht zuzusprechen. Einstweilen geht dies mangels konkreter Fahrzeugreparatur zulasten des Klägers, der die Darlegungs- und Beweislast für die Schadenshöhe trägt.
c) Diese Vorgehensweise erscheint für den durch einen Verkehrsunfall Geschädigten auch nicht unbillig oder beschränkt ihn in unzulässiger Weise in seinem grundsätzlich anzuerkennenden Wahlrecht zwischen konkreter und fiktiver Schadensabrechnung. Denn es steht dem Geschädigten zum einen die Möglichkeit offen, sofort eine konkrete Schadensabrechnung vorzunehmen und das Fahrzeug in der markengebundenen Fachwerkstatt seines Vertrauens umfassend und entsprechend den Vorgaben des zuvor eingeholten Privatgutachtens reparieren zu lassen. Er hat weiterhin auch zu jedem späteren Zeitpunkt noch die Möglichkeit, ggf. im Prozess oder danach auf die konkrete Schadensberechnung überzugehen, wenn der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nachträglich konkrete Einwendungen gegenüber der Erstattungsfähigkeit einzelner Schadenspositionen erheben. Schließlich bleibt es dem Geschädigten ebenfalls unbenommen, zunächst eine Abrechnung auf fiktiver Basis vorzunehmen und zugleich auf Feststellung der Ersatzfähigkeit von Beilackierungskosten anzutragen, um so etwaige nachträgliche Mehrkosten verjährungsfest abzusichern, die im Rahmen einer eventuellen Reparaturdurchführung anfallen. Dies ist etwa für die Mehrwertsteuer anerkannt, deren Ersatz ebenfalls nur und ausschließlich nach Anfall verlangt werden kann (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB).
d) Ob in Fällen, in welchen umfassend dargelegt wird, dass und warum unter Berücksichtigung des verunfallten Fahrzeugs sowie der Art und des Ausmaßes der hieran entstandenen Schäden eine Beilackierung konkreter Fahrzeugteile von vornherein zwingend erforderlich sein soll, etwas Anderes zu gelten hat, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Kläger hat Entsprechendes schon nicht dargelegt, so dass der Kammer eine solche Bewertung nicht möglich ist. Insbesondere lassen sich auch den – als qualifizierter Parteivortrag zu bewertenden – Ausführungen des Sachverständigen Gärtner hierzu keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen. Der pauschale Verweis auf eine bei dem klägerischen Fahrzeug gegebene Speziallackierung (phantomschwarz Perleffekt), welche inzwischen bei Fahrzeugen jüngeren Alters eher den Regel- denn den Ausnahmefall darstellen dürfte, genügt für sich betrachtet jedenfalls nicht den diesbezüglichen Anforderungen (anders augenscheinlich die 8. und 10. Zivilkammer des LG Aachen, in den eingangs zitierten Entscheidungen).
2. UPE-Aufschläge
Der Kläger hat gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB im Rahmen der hier vorgenommenen fiktiven Abrechnung Anspruch auf Erstattung der in dem Gutachten des Sachverständigen G. kalkulierten UPE-Aufschläge und Kleinteilzuschläge in Höhe von 219,13 €.
Der Kläger kann die geforderten UPE-Aufschläge hier verlangen, weil sie hier regional üblich sind. Anerkannt ist, dass solche Aufschläge auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung dann verlangt werden können, wenn sie im Falle einer Reparatur in der Region des Geschädigten bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise erhoben werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 21.04.2016 – 7 U 34/15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2012 – 1 U 108/11).
Bekanntlich darf ein Geschädigter nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen und hat auch Anspruch auf den Ersatz aller in einer solchen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten. Aus der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB ergibt sich jedoch die Möglichkeit für den Schädiger, den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer ohne weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt zu verweisen, wenn er darlegt, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und keine Umstände vorliegen, die eine Reparatur in einer freien Werkstatt ausnahmsweise unzumutbar erscheinen lassen (zuletzt und statt vieler BGH, Urteil vom 17.02.2017 – VI ZR 182/16).
Aufgrund des beiderseitigen Vortrags der Parteien war bei der hier zu treffenden Entscheidung davon auszugehen, dass eine solche Verweisungsmöglichkeit für die Beklagte nicht bestand. Die anspruchsbegründende regionale Üblichkeit der UPE-Zuschläge hat der für die Erforderlichkeit und Angemessenheit der in Ansatz gebrachten Reparaturkosten darlegungsbelastete Kläger in hinreichend substantiiert vorgetragen. Er hat nämlich geltend gemacht, dass in sämtlichen Audi-Vertragswerkstätten im hiesigen Bezirk sowohl Ersatzteilkosten als auch Kleinteilzuschläge und schließlich auch UPE-Aufschläge anfallen. Einer weitergehenden Spezifizierung des Vortrags etwa durch namentliche Auflistung der Werkstätten bedurfte es nicht.
Die Beklagte hat diesen Vortrag des Klägers nicht hinreichend bestritten, so dass er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu geltend hatte mit der Folge, dass es einer Beweisaufnahme zu diesem Thema nicht bedurfte. Die Beklagte hat sich hier – prozessual unzureichend – darauf beschränkt, den Vortrag des Klägers zur flächendeckenden regionalen Üblichkeit der Berechnung von UPE-Aufschlägen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen zu bestreiten. Der Beklagten oblag es nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO vielmehr, sich zum Vortrag des Klägers vollständig zu erklären. Bei der Beklagten handelt es sich um einen großen Versicherungskonzern mit eigenem Sitz im hiesigen Gerichtsbezirk. Aufgrund der ständigen Befassung mit einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen und der darauf gründenden genauen Marktkenntnis wäre es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, eine konkrete Audi-Vertragswerkstatt zu benennen, die UPE-Aufschläge und Kleinteilzuschläge nicht erhebt. Alternativ hätte es ihr ebenfalls freigestanden, den Kläger im Rahmen des gesetzlich zulässigen auf eine nicht markengebundene Fachwerkstatt im hiesigen Gerichtsbezirk zu verweisen, was – wie der Kammer aus anderen Verfahren mit der Beklagten bekannt ist – ansonsten der Üblichkeit entspricht.
Die Beklagte ist dieser Erklärungslast nicht gerecht geworden. Sie hat nämlich den Kläger nicht – wie in vergleichbaren Fällen üblich – auf mindestens eine bestimmte nicht markengebundene Fachwerkstatt verwiesen, in der solche Aufschläge nicht anfallen. Nur für diesen Fall hätte sich nämlich der Kläger so behandeln lassen müssen, als würde er die erforderliche Reparatur auch tatsächlich in dieser Werkstatt durchführen mit der Folge, dass er UPE-Zuschläge nicht beanspruchen kann, wenn sie in der benannten Referenzwerkstatt nicht anfallen.
3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Da es sich lediglich um einen restlichen Schadensersatzanspruch handelte und der Beklagten bereits zuvor eine Prüffrist eingeräumt worden war, ist die gesetzte Frist von knapp zwei Wochen und Berücksichtigung des Postlaufs im Ergebnis nicht zu beanstanden, was auch die Berufung nicht tut.
4. Ein Anspruch auf Freistellung von restlichen außergerichtlichen Kosten des Klägers in Höhe von 79,90 € als Teil des im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erstattungsfähigen Kosten der Rechtsverfolgung besteht nicht. Denn ungeachtet des von der Kammer geringfügig höher bemessenen erstattungsfähigen Fahrzeugschadens an dem klägerischen Pkw in Höhe von nunmehr 2.651,32 €, ist hierdurch ein Gebührensprung nicht ausgelöst worden. Vielmehr verbleibt es – unter Berücksichtigung der außergerichtlich unstreitig weiter regulierten Schadenspositionen in Gestalt von Sachverständigenkosten (635,00 €), Wertminderung (300,00 €) und Kostenpauschale (25,00 €) – bei einem gebührenrelevanten Gegenstandswert von bis 4.000,00 €. Aus eben diesem hat die Beklagte indes bereits außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 € gezahlt (1,3 Gebühr, Auslagenpauschale zzgl. Mehrwertsteuer).
III.
Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO, 52 diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit in § 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
IV.
Die Revision war in dem aus Ziffer 5 des Tenors ersichtlichen Umfang wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung dann, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Frage, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (Zöller/Heßler, 32. Auflage, § 543 Rn. 11 m. w. N; Musielak/Ball, ZPO, § 543 Rn. 5-6).
Dies ist hier – nicht zuletzt angesichts der dargestellten Unterschiede in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung bei gleichzeitiger weitgehender Absenz obergerichtlicher und fehlender höchstrichterlicher Rechtsprechung – in Bezug auf die Position der dem Kläger nicht zuerkannten Beilackierungskosten der Fall. Der Frage nach der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Beilackierung nicht beschädigter Karosserieteile im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung kommt in der verkehrsunfallrechtlichen Praxis eine herausragende Bedeutung zu, die im Interesse der Allgemeinheit an (Fort-)Entwicklung und einheitlicher Handhabung des Rechts eine höchstrichterliche Klärung wünschenswert ist.
Die gilt indes nicht im gleichen Maße für die im vorliegenden Verfahren ebenfalls streitgegenständliche Position der UPE-Aufschläge. Denn insoweit findet die Entscheidung der Kammer ihre Grundlage in spezifischen Einzelfallumständen betreffend die Anforderungen an das gemäß § 138 Abs. 3, Abs. 4 ZPO gebotene Ausmaß (qualifizierten) Bestreitens.
Der Streitwert wird auf 643,39 EUR festgesetzt.
Bezüglich der erforderlichen Beilackierung kann man dem Gericht nur sagen:
Setzen 6.
Thema verfehlt und vollumfänglich auf die Scharlatane der Versicherungswirtschaft reingefallen.
Offenbar ist der § 249 S. 1 BGB bei dieser Berufungskammer des LG Aachen entsorgt worden.
Was sollte denn ein Unfallopfer an einer solchen „Beilackierung“, die sich
kaschierend als eine Lackeffektangleichung innerhalb einer durchlaufenden Sichtfäche versteht, verdienen?
Offenbar hat das LG Aachen in einem solchen Aufwand eine „Verschönerungsreparatur“ gesehen.
Und wie steht es mit einer Akzeptanz erst nach Ausführung der partiellen Reparaturlackierung mit einer Abgrenzung auf Kante?
Wird dann die unfallbedingte Reparaturlackierung dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer noch einmal, also doppelt und erweitert in Rechnung gestellt?
Fehlende Lackanpassungsmaßnahmen bei den dafür infrage kommenden Lackierungen erfordern zwingend die Verifizierung einer Technischen Wertminderung und eine solche liegt zumindest in der Größenordnung der Kosten für Lackanpassungsmaßnahmen, die nach § 249 S.1 BGB sehr wohl unfallbedingt zuordnungsfähig sind.
Dass sich der BGH deshalb so ausführlich mit der Thematik qualifiziert befasst hat, ist deshalb im Interesse aller Beteiligten zu begrüßen, denn Aufwendungen dieser Art dienen einzig und allein der Werterhaltung.
Zu den UPE-Aufschlägen bei fiktiver Schadensabrechnung hat der VI. Zivilsenat des BGH – noch mit BGH-Richter Wellner – am 25.9.2018 zu dem Aktenzeichen VI ZR 65/18 entschieden. Der Leitsatz dazu lautet: „Die Frage der Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge (bei fiktiver Schadensabrechnung) entscheidet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von (fiktiven) Reparaturkosten“.
Erstattung der Gutachterkosten bei einem Verkehrsunfall
BGH, Urteil vom 01.06.2017 (VII ZR 95/16)
Ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter gerät durch einen Verkehrsunfall nicht nur unvermittelt, sondern in aller Regel erstmals in die Situation, ein Schadensgutachten über sein Kraftfahrzeug einholen zu müssen.
Wendet er sich an einen Gutachter, der derartige Gutachten zur Einreichung bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung auf dem Markt anbietet, geht er davon aus, dass diese im Rahmen einer hundertprozentigen Einstandspflicht die Kosten des Gutachtens in vollem Umfang erstattet.
Die vereinbarten Kosten des Gutachtens sind vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 BGB zu erstatten, wenn die Kosten bei objektiver Betrachtung nicht deutlich über der üblichen Vergütung liegen.
Anmerkung: Üblich im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsscltlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise für die Werkleistung gewährt zu werden pflegt. Vergleicltsmaßstab sind Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs. Die Anerkennung der Üblichkeit setzt gleiche Verhältnisse in zahlreichten Einzelfällen voraus (BGH -Urteile vom 01.06.2017 – Az. VII ZR 95/16, vom 19.11.2013 – Az. VI ZR 363/12, vom 26.10.2000-Az. VII ZR 239/98).
Anmerkung in Korrektur:
Anmerkung: Üblich im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB ist die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsabschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise für die Werkleistung gewährt zu werden pflegt. Vergleichsmaßstab sind
~Leistungen gleicher Art
~ gleicher Güte
~ und gleichen Umfangs.
Die Anerkennung der Üblichkeit setzt gleiche Verhältnisse in zahlreichten Einzelfällen voraus (BGH -Urteile vom 01.06.2017 – Az. VII ZR 95/16, vom 19.11.2013 – Az. VI ZR 363/12, vom 26.10.2000-Az. VII ZR 239/98).
Hallo, D.H.,
danke für die nützlichen Informationen. Nach meiner Berufspraxis von inzwischen über 50 Jahren ist eine Üblichkeit gerade nicht festzuszellen, weil beim angesprochenen „Vergleichsmaßstab“ 2 von 3 Randbedingungen nicht gegeben sind.
Leistungen „gleicher Art“ sind Schadengutachten.
Leistungen „gleicher Güte“ und „gleichen Umfangs“ existieren allein schon deshalb nicht, weil die beweissicherne Tatsachenfeststellung in Schadengutachten nach Art, Umfang und Qualität ein Stiefkind ist und sog. „Routinegutachten“ nicht als verkehrsfähige Beweissicherungsgutachten zu bewerten sind.
Zudem sind „gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen“ ebenfalls nicht festzustellen, so dass es schon an dieser Eingangsvoraussetzung fehlt.
Es ist also kein Wunder, dass der BGH eine Überprüfungsnotwendigkeit zur Rechnungshöhe auch vor diesem Hintergrund verworfen hat.
@ Farbzauberer
Ich meine, dass es sich bei fehlender Farbangleichung nicht um einen technischen Minderwert, sondern um einen merkantilen Minderwert handelt.
Hallo, Willi Wacker,
danke für den Hinweis. Es geht hier nicht um fehlende Farbangleichung, sondern um eine substantiell- und arbeitstechnisch erforderliche Farbeffektangleichung, die in dieser ihrer Positionierung dem Technischen Minderwert zuzuordnen ist, weil der Merkantile Minderwert grundsätzlich eine vollständige bzw. wie es auch so schön heißt, eine „sach-und fachgerechte“ Reparatur voraussetzt.
@ww
ist aber falsch
kann nur technisch sein wegen verzicht auf das technisch notwendige