Mit Urteil vom 02.09.2009 (117 C 225/09) hat das AG Aachen die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 354,39 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht erachtet die Schwacke-Liste als geeignete Schätzungsgrundlage gem. § 287 ZPO und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht von der Beklagten die Zahlung von 354,39 Euro aus §§ 115 Abs. 1 VVG, 398 BGB verlangen.
Zur Ersatzfähigkeit von Unfallersatztarifen gilt Folgendes:
Wie der zuständige BGH-Senat inzwischen mehrfach dargelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – VersR 2006, 133: vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – VersR 2006, 669, 670 und – VI ZR 32/05 – VersR 2006, 564, 565; vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 – VersR 2006, 986, 987; vom 13. Juni 2006-VI ZR 161/05 – VersR 2006, 1273, 1274 – und vom 4. Juli 2006 – VI ZR 237/05 – VersR 2006, 1425, 1426), ist es nicht erforderlich, dass der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – in jedem Einzelfall nachvollzieht.
Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte bei Unternehmen dieser Art aus betriebswirtschaftlicher Sicht allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 vom 13. Juni 2006 – VI ZR 161/05 -, jeweils aaO). Jedenfalls ist „Normaltarif“ nicht der Tarif, der dem Unfallgeschädigten in seiner besonderen Situation angeboten wird, sondern derjenige, der dem Selbstzahler normalerweise angeboten und der unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 160, 377, 385; 163, 19, 23). Diesen „Normaltarif‘ kann der Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten – gegebenenfalls mit sachverständiger Beratung – ermitteln (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 – aaO).
Dabei steht der Anwendung des Schwacke-Automietpreisspiegels nicht der allgemeine Hinweis entgegen, die Verfasser hätten ihren Ermittlungen lediglich eine Sammlung schriflicher Angebotspreise der Autovermieter zu Grunde gelegt und nicht auf Ergebnisse von Marktuntersuchungen über‘ die tatsächlich gezahlten Mietpreise abgestellt (BGH NJW 2008, 2910). Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Frage der Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2005, 277; 2008, 1519; LG Aachen, Urteil vom 24.10.08 , 6 S 158/08).
Sofern sich aus derartigen konkreten Tatsachen, die sich ggf. auch aus rechnerischen Überlegungen unter Berücksichtigung von Vergleichswerten des Marktmietpreisspiegels 2008 des Fraunhofer Instituts ergeben können (LG Aachen, Urteil vom 13.02.09, 5 S 166/08), Bedenken gegen die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 ergeben, ist es dem Tatrichter nicht verwehrt, sich diesen Bedenken anzuschließen und ggf. auf die Schwackeliste 03 mit Zuschlag und Inflationsausgleich zurückzugreifen (BGH, Urteil vom 14.10.08, VI ZR 308/07).
Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, kann aber offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten jedenfalls ein günstigerer „Normaltarif“ bekannt und in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine solche (kostengünstigere) Anmietung eines entsprechenden Fahrzeugs unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. Senat Urteile vom 14. Februar 2006 – VI ZR 32/05 -; vom 6. März 2007 – VI ZR 36/06 – jeweils aaO m.w.N.). Ebenso kann diese Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif“ nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den „Normaltarif'“ übersteigenden Betrag im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Senat BGHZ 132, 373, 376) auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. Senat, Urteile vom 15. Februar 2005 – VI ZR 160/04 -, vom 19. April 2005 – VI ZR 37/04 -; vom 13. Juni 2006 –VI ZR 161/05 -; vom 4. Juli 2006 – VI ZR 237/05 -, jeweils aaO).
Für die Frage, ob dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif ohne weiteres zugänglich war, ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Nach den vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHZ 163, 19, 24 f.; Urteile vom 25. Oktober 2005 – VI ZR 9/05 – aaO; vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – aaO; vom 9. Mai 2006 – VI ZR 117/05 – aaO; vom 13. Juni 2006 – VI ZR 161/05 – aaO; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 243/05, vom 30. Januar 2007 – VI ZR 99/06 – je zur Veröffentlichung, bestimmt) kommt es insbesondere zur Frage der Erkennbarkelt der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifs haben muss, die sich Insbesondere aus dessen Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen. Jn diesem Zusammenhang kann es eine Rolle spielen, wie schnell der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug benötigt. Eine besondere Eilbedürftigkeit kann jedoch auch bei einer Anmietung noch am Unfalltag fehlen. Allein das allgemeine Vertrauen darauf, der ihm vom Autovermieter angebotene Tarif sei „auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten“, rechtfertigt es dagegen nicht, zu Lasten des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers ungerechtfertigt überhöhte und nicht durch unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieters gedeckte Unfallersatztarife zu akzeptieren (BGH, Urteile vom 13.02.2007- VI ZR 105/06, Rz.10, und vom 20.03.2007 – VI ZR 254/05, Rz. 11, 12, zitiert nach Juris, Hervorhebungen durch Unterzeichner)
Vorliegend ist die Anwendung der Schwackeliste 2006 bei der Berechnung des geltend gemachten Restanspruchs zu beanstanden, denn die Beklagte hat durch Angabe der deutlich darunter liegenden Normaltarife des Marktspiegels 08 des Fraunhofer Instituts (569,11 Euro statt 1.022,78 Euro) konkrete Tatsachen vorgebracht, die vorliegend zu der Annahme eines „überhöhten“ Normaltarifs führen. Die Klägerin hat selbst in einer Vergleichsberechnung (Bl. 56 – 58 d A) unwidersprochen dargelegt, dass sich unter Berücksichtigung eines Inflationsaufschlags von 8 % und der um 3 % erhöhten Mehrwertsteuer auf Basis der Schwackeliste 2003 eine Differenz der Endpreise von 171,13 Euro zur Berechnung nach der Liste 06 ergibt (1.736,34 ./. 1.565,21).
Das Gericht hält es danach für sachgerecht, gemäß § 278 ZPO die vorgenannte Berechnung des Normaltarifs auf Basis der Schwackeliste 03 zuzüglich eines Inflationsausgleichs vorzunehmen, so dass von der Restforderung der überhöhte Betrag von 171,13 Euro abzuziehen war.
Der Behauptung der Beklagten, der Zedent hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung über günstigere Tarife und mögliche Schwierigkeiten bei der Erstattung des von ihm gewählten Tarifs maximal zu dem von ihr regulierten Betrag angemietet, war schon deshalb nicht nachzugehen, weil sie keinerlei Umstände vorgetragen hat, woher sie dieses Wissen haben will und die Benennung des Zedenten als Zeugen damit einen unzulässigem Ausforschungsbeweis „ins Blaue hinein“ darstellt.
Der pauschale Aufschlag von 20 % wegen unfallbedingter Zusatzleistungen ist gerechtfertigt, weil die Beklagte diesen Aufschlag ausdrücklich in ihrem Abrechnungsschreiben (Bl. 50 d.A.) anerkannt hat und damit offen bleiben kann, ob dem Zedenten unter Berücksichtigung seiner Schadensminderungspflicht ein günstigerer „Normaltarif“‚ ohne unfallspezifischen Aufschlag bekannt und zugänglich war.
Die Klägerin muss sich auch keine ersparten Eigenaufwendungen (vgl. Palandt, BGB, 68. Aufl., § 249 Rn. 32) entgegenhalten lassen, denn der verunfallte Skoda hatte unbestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO) 74 KW und ist damit einer höheren Mietwagengruppe zuzuordnen als der angemietete VW Polo.
Die Zinsforderung ist begründet gem. §§ 286, 288 Abs. 1, 291 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 708 Nr 11 713 ZPO.
Soweit das AG Aachen.