BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 232/09 Verkündet am: 15.06.2010
in dem Rechtsstreit
…
a) Der Geschädigte, der sein beschädigtes Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern es veräußern und ein Ersatzfahrzeug anschaffen will, darf seiner Schadensabrechnung im Allgemeinen denjenigen Restwert zugrunde legen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.
b) Anderes gilt aber dann, wenn der Geschädigte für das Unfallfahrzeug ohne besondere Anstrengungen einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt.
BGH, Urteil vom 15. Juni 2010 – VI ZR 232/09 – LG Gera
. AG Rudolstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 8. April 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger die Kosten beider Rechtsmittelverfahren zu tragen hat.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer (nachfolgend: Beklagte) auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten und eines weiteren Schmerzensgeldes aus einem Verkehrsunfall vom 11. Juni 2003 in Anspruch, bei dem der Kläger verletzt und sein Pkw beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob die vom Amtsgericht für begründet erachtete Klageforderung in Höhe von 4.653,16 € durch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von 5.500 € erloschen ist. Die Beklagte hatte bei der Schadensregulierung Mitte August 2003 vom unstreitigen Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs in Höhe von 25.800 € brutto lediglich den vom Sachverständigen des Klägers ermittelten Restwert in Höhe von 5.200 € in Abzug gebracht. Der Kläger hatte das Unfallfahrzeug aber, nachdem er im Juli 2003 seinen Fahrzeugversicherer eingeschaltet und dieser ihm mit Hilfe der Internetrestwertbörse „Car TV“ eine günstigere Verwertungsmöglichkeit aufgezeigt hatte, an die Firma Kfz-Handel F. zu einem Kaufpreis von 10.700 € brutto veräußert. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger müsse sich auf den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs nicht lediglich den von seinem Gutachter geschätzten Restwert seines Fahrzeugs in Höhe von 5.200 €, sondern den tatsächlich von ihm erzielten Veräußerungserlös in Höhe von 10.700 € anrechnen lassen, weshalb sie 5.500 € zu viel an den Kläger gezahlt habe.
Das Amtsgericht hat die Klage, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, im Hinblick auf die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageforderung in Höhe von 4.653,16 € weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die vom Amtsgericht für begründet erachtete Klageforderung durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen sei. Der Kläger müsse sich auf seinen Schadensersatzanspruch den von ihm tatsächlich erzielten Veräußerungserlös in Höhe von 10.700 € anrechnen lassen. Zwar könne der Geschädigte seiner Schadensberechnung grundsätzlich den durch den Gutachter ermittelten Restwertbetrag zugrunde legen. Anderes gelte aber dann, wenn der Geschädigte für das Unfallfahrzeug ohne überobligationsmäßige Anstrengungen einen Erlös erzielt habe, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteige. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Kläger durch lediglich obligationsmäßige Anstrengungen an das Restwertangebot in Höhe von 10.700 € gelangt sei. Ihm sei das Restwertangebot der Firma Kfz-Handel F. „in den Schoß gefallen“. Er habe den Schaden lediglich seinem Fahrzeugversicherer gemeldet und ihm das Gutachten zur Schadensregulierung übersandt. Auch der Fahrzeugversicherer habe nur geringen Aufwand betrieben, um die dem Kläger unterbreitete günstige Verwertungsmöglichkeit zu ermitteln. Abgesehen davon habe der Versicherer den Ermittlungsaufwand nicht für und im Interesse des Klägers, sondern ausschließlich im eigenen Interesse getätigt, um mit Hilfe eines möglichst hohen Restwertangebots seine eigene Leistungsverpflichtung gering zu halten. Auch habe der Kläger seinen Fahrzeugversicherer nicht in Anspruch genommen, um in den Genuss eines besonders günstigen Restwertangebots zu kommen, sondern um auf Gutachtenbasis den Schaden reguliert zu erhalten.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klageforderung durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erloschen ist. Die Beklagte hat an den Kläger im Rahmen ihrer Schadensregulierung 5.500 € zuviel geleistet. In dieser Höhe steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Das Berufungsgericht hat der Schadensberechnung zu Recht einen Restwert des Unfallfahrzeugs von 10.700 € und nicht von lediglich 5.200 € zugrunde gelegt.
1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 92, 85, 86 f.; 102, 322, 330; 161, 151, 154; 181, 242, 245; Urteil vom 9. Dezember 2008 – VI ZR 173/07 – VersR 2009, 408, 409 und vom 13. Oktober 2009 – VI ZR 318/08 – VersR 2010, 130, 131).
2. Derartige Rechtsfehler sind vorliegend nicht ersichtlich.
a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt angenommen, dass der zu ersetzende Schaden dann, wenn der Geschädigte sein beschädigtes Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern es veräußern und ein Ersatzfahrzeug anschaffen will, in der Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert besteht (vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 364, 372; 143, 189, 193; 163, 362, 365; vom 21. Januar 1992 – VI ZR 142/91 – VersR 1992, 457; vom 6. April 1993 – VI ZR 181/92 – VersR 1993, 769; vom 7. Dezember 2004 – VI ZR 119/04 – VersR 2005, 381; vom 7. Juni 2005 – VI ZR 192/04 – VersR 2005, 1257, 1258 und vom 1. Juni 2010 – VI ZR 316/09 -z.V.b.). Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.
b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht den Restwert des Unfallfahrzeugs an dem Preis bemessen, den der Kläger bei der Veräußerung seines Fahrzeugs erzielt hat.
aa) Zwar darf der Geschädigte seiner Schadensabrechnung im Allgemeinen denjenigen Restwert zugrunde legen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 189, 193; 163, 362, 366; 171, 287, 290 f.; vom 21. Januar 1992 – VI ZR 142/91 – aaO, S. 458; vom 6. April 1993 – VI ZR 181/92 – aaO, S. 769 f.; vom 7. Dezember 2004 – VI ZR 119/04 – aaO, S. 382; vom 12. Juli 2005 – VI ZR 132/04 – VersR 2005, 1448, 1449; vom 10. Juli 2007 – VI ZR 217/06 – VersR 2007, 1243 f.; vom 13. Oktober 2009 – VI ZR 318/08 – aaO und vom 1. Juni 2010 – VI ZR 316/09 – z.V.b.).
bb) Anderes gilt aber dann, wenn der Geschädigte, was zur Beweislast des Schädigers steht, für das Unfallfahrzeug ohne besondere Anstrengungen einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt. In diesem Fall hat er durch die Verwertung seines Fahrzeugs in Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses den ihm entstandenen Schaden ausgeglichen. Da nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht „verdienen“ soll, kann ihn der Schädiger an dem tatsächlich erzielten Erlös festhalten (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 1992 – VI ZR 142/91 – aaO; vom 7. Dezember 2004 – VI ZR 119/04 – aaO).
cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Veräußerung des Unfallfahrzeugs zu einem Preis von 10.700 € sei für den Kläger nicht mit besonderen Anstrengungen verbunden gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision wendet sich nicht gegen die tatrichterliche Würdigung, wonach das Veräußerungsgeschäft unter den festgestellten Umständen weder für den Kläger noch für seine Kaskoversicherung, die ihm das Kaufangebot der Fa. F. übermittelt hat, einen nennenswerten Aufwand verursacht hat. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger besondere – einer vollständigen Anrechnung des erzielten Verkaufserlöses auf den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs entgegenstehende – Anstrengungen auch nicht dadurch entfaltet, dass er eine Fahrzeugversicherung unterhalten und dafür Beiträge geleistet hat. Denn diese Aufwendungen sind weder durch die Veräußerung des Unfallfahrzeugs verursacht worden noch überhaupt im Zusammenhang mit ihr entstanden. Die Entscheidung des Klägers, eine Fahrzeugversicherung abzuschließen und die Versicherungsbeiträge zu zahlen, war in jeder Hinsicht unabhängig von der späteren Verwertung des Unfallfahrzeugs. Die Revision zeigt keinen übergangenen Sachvortrag auf, der die Annahme begründen könnte, der Kläger habe die Versicherung zu dem Zweck abgeschlossen, dass ihm im Schadensfall eine günstige Verwertungsmöglichkeit aufgezeigt werde. Dies wäre auch lebensfremd. Gegenstand der Fahrzeugversicherung ist das Interesse des Eigentümers an der Erhaltung des versicherten Fahrzeugs (vgl. BGHZ 30, 40, 42; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12 AKB Rn. 2). Ihr Sinn besteht darin, Ersatz des unmittelbar am Fahrzeug entstandenen Schadens auch dann erlangen zu können, wenn ein Dritter nicht haftbar gemacht werden kann. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt der Versicherer, wenn er dem Versicherungsnehmer eine günstige Verwertungsmöglichkeit aufzeigt, auch ausschließlich im eigenen Interesse, seine Leistungsverpflichtung gering zu halten.
Bei dieser Sachlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den vom Kläger erzielten Verkaufserlös in Höhe von 10.700 € in vollem Umfang auf den Wiederbeschaffungswert angerechnet hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Revisionserwiderung wendet sich zu Recht gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts, die in der Revisionstanz von Amts wegen geändert werden kann, ohne dass das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers gilt (vgl. BGHZ 92, 137, 139; Urteile vom 6. April 2000 – III ZR 150/98 – zitiert nach Juris und vom 20. Januar 2010 – VIII ZR 141/09 – MDR 2010, 498, 499). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht teilweise unterlegen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückgewiesen. Die Beklagte, die sich gegen die Aberkennung ihrer zum Gegenstand der Hilfsaufrechnung gemachten Forderung durch das Amtsgericht im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO mit der Berufung hätte wenden können (vgl. BGHZ 26, 295, 296; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., Vor § 511 Rn. 26a), hat die Entscheidung des Amtsgerichts nicht angegriffen.
Galke Zoll Diederichsen
. Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
AG Rudolstadt, Entscheidung vom 03.04.2008 – 3 C 780/06 –
LG Gera, Entscheidung vom 08.04.2009 – 1 S 164/08 –
Der Kläger war natürlich ein Oberschlauer. Erst läßt er sich von seiner Kaskoversicherung ein höheres Restwertangebot als in dem Schadensgutachten seines SV, das er an den Haftpflichtversicherer gesandt hat, unterbreiten und „verdient“ so 5.500 Euro. Dann will er die 5.200 Euro Restwert auch noch von dem Haftpflichtversicherer haben, obwohl er den Schrott für 10.700 Euro an den Restwertbieter aus dem Internet via Car-TV verkauft hat. Insoweit liegt eigentlich gar kein Restwert-Fall vor, sondern ein Fall der ungerechtfertigten Bereicherung. Dass der BGH hier gem. § 812 BGB so entscheiden musste, ist klar.
Das Problem wird nur wieder sein, dass die Versicherer mit diesem Pseudo-Restwert-Urteil ( eigentlich Bereicherungs-Urteil) hausieren gehen werden.
Grüße
Sebastian Sommer
Die Entscheidung war so zu erwarten. Weshalb es da ein Geschädigter oder ein Anwalt darauf ankommen lässt, kann ich nicht verstehen…
Grüße
Andreas
Hallo Redaktion,
vom Hocker hauen konnte das obige Urteil eigentlich nicht. Ebenso sehe ich in dem Urteil keine Trendwende des VI. Zivilsenates. Im konkreten Rechtsstreit konnte der Senat doch gar nicht anders, als die Revision gegen das Berufungsurteil des LG Gera – 1. Zivilkammer – zurückzuweisen. Wer so superschlau sein will und aus dem Unfall verdienen will, obwohl der VI. Zivilsenat bereits entschieden hatte, dass im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes der Geschädigte gehalten ist, den Weg des geringsten Wiederherstellungsaufwandes zu beschreiten, wenn er die Möglichkeit des Reparaturweges bzw. der Wiederherstellung beeinflussen kann. Eine weiter Begrenzung ergibt sich nach BGH aus dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot, nach dem der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, aber an dem Schadensersatz nicht verdienen soll ( BGH VersR. 1989, 1056; BGHZ 154, 395 [398]; Müller VersR 2005, 1461 [1472]). Insofern ist das eigentlich gar kein Restwert-Urteil, sondern ein Rechtstreit der ungerechtfertigten Bereicherung. Die Beklagte hatte ja auch im amtsgerichtlichen Verfahren die hilfsweise Aufrechnung erklärt. Mit dieser Aufrechnung war dann die Schadensersatzforderung des Klägers erloschen. Das bedeutet, dass der „superschlaue“ Kläger bereits in dem Zeitpunkt, in dem er das beschädigte Fahrzeug an den KFZ-Handel, der ihm über car-tv bekannt gegeben worden ist, im Rahmen der Kasko-Abrechnung verkauft hat und 10.700,– € erhielt, gar nicht mehr geschädigt war. Insoweit war gem. § 362 BGB die Forderung durch Erfüllung erloschen.
Wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn keine Kasko-Versicherung bestanden hätte oder das Kasko-Angebot später erfolgt wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Der VI. Zivilsenat des BGH konnte in den vorliegenden Rechtsstreit gar nicht anders entscheiden wie geschehen.
Mit freundlichen Grüßen
F-W Wortmann
@ Andreas
…kann ich auch nicht verstehen, aber vielleicht hatte der Anwalt irgendwo gelesen, dass es auf Angebote aus dem Internet nie und unter keinen Umständen ankomme. Zweifel an dieser These werden ja gerne mit Wadenbissen bestraft.
Für Sebastian Sommer noch der Hinweis: Mit ungerechtfertigter Bereicherung hat das m.E. primär nichts zu tun. Beim BGH läuft Restwert unter Vorteilsausgleich, und hier ist eben der tatsächlich entstandene Verwertungsvorteil an- und aufgerechnet worden. Die ungerechtfertigte Bereicherung war nur die sekundäre Folge der Überzahlung, weil das erst später herauskam.
@Joachim Otting
„Mit ungerechtfertigter Bereicherung hat das m.E. nichts zu tun“
Womit dann, wenn einer unberechtigt 5.500 Euro mehr „einstreichen“ will?
„Da nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen der Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht „verdienen“ soll, kann ihn der Schädiger an dem tatsächlich erzielten Erlös festhalten“
Zu diesem Rechtstreit kann man der klägerischen Anwaltschaft nur herzlich gratulieren. Dümmer gehts m.E. nach wirklich nimmer?
Und wenn einer seine Weisheiten tatsächlich aus dem Internet bezogen hat, dann hat er wohl an der falschen Stelle gesucht oder nicht richtig gelesen.
Bei Haftpflichtschäden kann sich der Geschädigte auf den Restwert verlassen, den ein von ihm beauftragter Sachverständiger am örtlichen Markt ermittelt hat – sofern er das Fahrzeug behält. Irgendwelche Restwertangebote (auch oder insbesondere aus dem Internet) sind hierbei irrelevant! Wenn er das Fahrzeug verkauft und tatsächlich einen höheren Betrag – ohne größere Anstrengungen – realisiert, so ist dieser Restwert – unabhängig wie der Käufer ermittelt wurde – vom Wiederbeschaffungswert in Abzug zu bringen. Denn der Geschädigte darf ja bekanntlich am Schaden nicht „verdienen“.
S´war immer so, s´war immer so…..
Wenn aber ein „Superschlaumeier“ die Ermittlung eines überregionalen Restwertes durch eine Restwertbörse bei seiner eigenen Versicherung in Auftrag gibt und dann noch glaubt, dass die gegnerische Versicherung ihm dabei nicht auf die Schliche kommt bzw. wenn doch, mit einer derartig irrigen Rechtsmeinung substanzlos und frohen Mutes zum BGH schlendert, dann ist es Zeit für einen „juristischen Einlauf“ durch die Bundesrichter. Denn so viel „Weisheit“ muss bestraft werden.
Der gesamte Vorgang hat nichts aber auch gar nichts mit der Daseinsberechtigung irgendeiner Restwertbörse zu tun. Im Gegenteil. Es zeigt wieder einmal, dass man sich von diesen (unnötigen) Systemen fern halten sollte. Denn irgendwie erscheint es doch so, als ob hier – am Datenschutz vorbei – wieder ein reger Datenaustausch stattgefunden hat?
Lieber Herr Otting,
wenn Sie meinen, das Urteil hätte nichts mit ungerechtfertigter Bereicherung zu tun, dann frag ich mich, warum die beklagte Haftpflichtversicherung schon bereits im amtsgerichtlichen Prozess die hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung vorgebracht hat (vgl. Urteil Seite 2, Tatbestand 3. Satz Randziffer 1). Die Beklagte hatte doch ihrer Meinung nach zu viel gezahlt, weil der Geschädigte doch tatsächlich 10.700 € erhalten hatte. Wo liegt darin keine ungerechtfertigte Bereicherung? Die Beklagte ist laut Seite 3 des Urteils der Auffassung, der Kläger müsse sich auf den Wiederbeschaffungswert nicht lediglich nur 5.200 € , sondern den tatsächlich erzielten Veräußerungserlös von 10.700 € anrechnen lassen, weshalb sie 5.500 €zu viel an den Kläger gezahlt habe. Was bedeutet denn zu viel bezahlt? Doch nichts anderes als dass der Kläger ungerechtfertigt bereichert ist. Vorteilsausgleich ist doch auch eine Form des Bereicherungsausgleiches, oder nicht? Auch der BGH spricht auf Seite 4 selbst davon, dass das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, dass die Klageforderung durch die von der Beklagten erkärte Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch aus 3 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erloschen ist. M.W. spricht § 812 BGB von unberechtigter Bereicherung. Vgl. Randziffer 4 des Urteils. Ich bin daher nach wie vor der Meinung, dass das Urteil in erster Linie Bereicherungsrechtliche Gesichtspunkte beinhaltet und gar nicht so sehr auch und vor allen Dingen im Leitsatz b) vom Internetrestwert ausgeht.
@ hunter :
Bitte noch mal unter Abschaltug von Reflexen genau hinschauen bei meinem Beitrag: Nicht primär, sondern nur sekundär, habe ich geschrieben.
Primär ist das Vorteilsausgleich, sekundär wegen der Überzahlung ungerechtfertigte Bereicherung. Steht schon in meinem Ursprungsbeitrag.
Und noch mal hinschauen: Von Restwertbörsen habe ich kein Wort geschrieben.
Einig sind wir uns allerdings ob der Leistung der beteiligten Anwälte.
@Joachim Otting
Ob primär, sekundär oder Vorteilsausgleich ist juristische Haarspalterei. Aus Sichtweite des Geschädigten war es auf alle Fälle eine ungerechtfertigte Bereicherung, denn der wußte, was er alles (ungerechtfertigt) „abkassieren“ wollte.
Joachim Otting 12.07.2010 17:35:
„..aber vielleicht hatte der Anwalt irgendwo gelesen, dass es auf Angebote aus dem Internet nie und unter keinen Umständen ankomme“
Nachdem wir hier über das o.a. Urteil diskutieren, gibt es wohl keinen Zweifel, dass mit „Angeboten aus dem Internet“ die Restwertbörsen gemeint sind? Denn um einen Restwert aus dem Internet ging es doch wohl u.a. in dem Verfahren? Ob es hierbei einen Unterschied macht, ob man „Angebote aus dem Internet“ sagt oder das Kind beim Namen (Restwertbörse) nennt ist m.E. reine Wortklauberei.
Oder gab es im Jahr 2003 vielleicht irgendwelche andere Angebote aus dem Internet, über die Versicherer Restwerte generiert haben? Vielleicht über die Plattformen Kochrezepte.de, huk.org oder so?
Wenn man aus wirtschaftlichen Interessen tw. rechtwidrig agierenden Systemen, wie z.B. den Restwertbörsen, „nahe steht“, ist die Sichtweite natürlich eine völlig andere. Und damit ist auch beantwortet, wer hier und da mit „Reflexen“ zu kämpfen hat.
Hallo Herr Otting,
da muss ich Hunter nun allerdings zur Seite stehen.Das Missverständnis resultiert vermutlich aus Ihrem Halbsatz“ aber vielleicht hatte der Anwalt irgendwo gelesen, dass es auf Angebote aus dem Internet nie und unter keinen Umständen ankomme.“ Wenn Sie dabei auf meine These anspielen, dass bei Haftpflichtschäden die Internetrestwertbörse out ist, so bleibe ich in Anbetracht der ständigen Rechtsprechung des VI. Zivilsenates und des Urheberrechtsurteils des I. Zivilsenates dabei. SSHler werden auch weiterhin die onlinebörse bedienen, müssen ggfls. dann aber auch damit rechnen, dass ihr Kunde sie auf Schadensersatz aus pVV des Werkvertrages in Anspruch nehmen. In Kaskoschäden wird sich vermutlich nichts ändern, da der versicherungsgesteuerte Sachverständige die Lichtbilder fertigt. Aber bei Gutachten der freien und unabhängigen Sachverständigen ist eine „Kontrolle“ im Onlinemarkt sicher nicht mehr möglich. Es muss daher fein säuberlich getrennt werden.
„Primär ist das Vorteilsausgleich, sekundär wegen der Überzahlung ungerechtfertigte Bereicherung. Steht schon in meinem Ursprungsbeitrag.“ Was ist denn Vorteilsausgleich? Nichts anderes als eine Bereicherung auszugleichen.
Die ungerechtfertigte Bereicherung war auch bereits in erster Instanz durch den Versicherer vorgetragen worden und hilfsweise zur Aufrechnung gestellt worden. Die ungerechtfertigte Bereicherung ist daher bereits in erster Instanz bekannt gewesen.
Problematisch erscheint mir allerdings die Frage, wie konnten die Daten des Kaskoversicherers zum Haftpflichtversicherer gelangen. Gilt bei Versicherern das Datenschutzgesetz nicht mehr? Vermutlich ist der Datenaustausch durch die Uniwagnisdatei erfolgt. Hierüber sollte einmal nachgedacht werden.
Dass der Kläger den „Vorteil“ nicht behalten durfte war klar und entspricht auch dem allgemeinen schadensrechtlichen Bereicherungsverbot des BGH. Darüber besteht Einigkeit, denke ich.
Richtig ist zwar, dass Sie mit keinem Wort „Restwertbörse“ erwähnt haben, sprechen aber von „Angeboten aus dem Internet“. Was soll man davon denken?
Mit freundlichen Grüßen
F-W Wortmann
http://www.autohaus.de/cms/957535
Restwert-Schadenminderungspflicht BGH vom 1.6.2010
Das Urteil war ja so zu erwarten. Es wurde anscheinend nur allgemein vorgetragen, dass Internetgebote unseriös seien. Das konkrete Angebot wurde nicht stichhaltig angegriffen. Das Angebot lag auch schon einen Monat vor dem tatsächlichen Verkauf vor.
Und es wurde nicht Bezug auf das Urteil des OLG Karlsruhe genommen, dass zwar in einer Kasko-Angelegenheit ergangen ist, aber Ausführungen zu Restwertbörsen und der Verpflichtung der Annahme einer größeren Menge Bargeld macht…
Grüße
Andreas
Hallo Andreas,
nach I ZR 68/08 – rechtswidrige Nutzung der Lichtbilder durch den Haftpflichtversicherer – war das Urteil gerade nicht mehr zu erwarten.
Virus
Das sind aber zwei verschiedene Baustellen. Und selbst wenn nicht, wieso wird nicht entsprechend vorgetragen?
Grüße
Andreas