Mit Urteil vom 30.09.2008 (6 S 39/08) hat das LG Münster auf die Berufung der Klägerin gegen ein Urteil des AG Ahaus vom 26.03.2008 (14 C 254/07) die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 285,07 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung der Klägerin hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten noch ein Anspruch auf Zahlung von 285,07€ gemäß den §§ 823, 249 BGB, 7 StVG, 398 BGB zu.
Die Klägerin ist nach Abtretung vom Geschädigten Inhaberin der geltend gemachten Forderung geworden und damit aktivlegitimiert. Die Abtretung verstößt nicht gegen § 134 BGB, § 1 Rechtsberatungsgesetz. Sie ist Teil einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit, wenn sie sich auf die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten bezieht.
Daher bedarf der Inhaber eines Mietwagenunternehmens, welches es geschäftsmäßig übernimmt, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, möglicherweise einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz auch dann, wenn er sich die Schadensersatzforderungen erfüllungshalber abtreten lässt und die eingezogenen Beträge auf seine Forderungen an die Kunden verrechnet (BGH NJW2006,1726; NJW-RR 2005, 1371). Bei der Beurteilung, ob die Abtretung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, ist danach nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten, diesen zugrundeliegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die es vermeidet, dass das Rechtsberatungsgesetz durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wird (BGH NJW 2006, 1726).
Ein solcher Fall liegt vor, wenn nach der Geschäftspraxis des Mietwagenunternehmens die Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten Kunden eingezogen werden, bevor diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Denn damit werden den Geschädigten Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sie sich eigentlich selbst zu kümmern hätten (BGH NJW2006, 1727; 2005, 3570). Allerdings ist es nach der Rechtsprechung des BGH durchaus zulässig, dem praktischen Bedürfnis nach einer gewissen Mitwirkung des Fahrzeugvermieters bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers Rechnung zu tragen (vgl. BGH NJW 2006, 1726 m.w. Nachw.). Damit hat der BGH seine früher etwas restriktivere Rechtsprechung relativiert.
Geht es dem Mietwagenunternehmer im Wesentlichen darum, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, so besorgt er keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit. Ähnlich wie in dem vom BGH entschiedenen Fall (BGH NJW 2006, 1726) ging es der Klägerin vorliegend im Wesentlichen darum, ihre durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen. Aus der Abtretungserklärung geht hervor, dass der Geschädigte selbst für die Durchsetzung seiner Ansprüche sorgen müsse. Die Abtretung ist auf die Höhe der Mietwagenkosten beschränkt. Weiter forderte die Klägerin den Geschädigten erfolglos zur Zahlung auf. Mithin ging es der Klägerin hier nur um die Wahrnehmung einer eigenen Angelegenheit.
Entgegen der von der Beklagten erstinstanzlich geäußerten Ansicht kommt es für den hier geltend gemachten Anspruch aus §§ 823 BGB, 7 StVG, 249 BGB auch nicht auf eine etwaige etwaige Unwirksamkeit der mietvertraglichen Vereinbarung an. Der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer können sich in einem solchen Fall nicht im Hinblick auf möglicherweise bestehende vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Vermieter von der Schadensersatzverpflichtung befreien. In ihrem Verhältnis zum Geschädigten spielen solche Ansprüche angesichts der Regelung des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB keine Rolle (vgl. BGH NJW 2007, 3782 f.).
Der Höhe nach kann die Klägerin von der Beklagten aber lediglich in dem zugesprochenen Umfang Ersatz verlangen. Bei der Bemessung ist die Kammer von folgenden Grundsätzen ausgegangen:
Der Geschädigte kann vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt -nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (BGH vom 24.06.2008 (NSW BGB § 249 Fb). Gemäß § 287 ZPO konnte die Kammer hier über Höhe des entstandenen Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheiden. Danach ist die Kammer- wie auch die Klägerin – von dem sogenannten Normaltarif nach dem gewichteten Durchschnittsmietpreis des Schwacke-Mietpreisspiegels 2003 im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ausgegangen (vgl. BGH vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06; vom 26. Juni 2007 – VI ZR 163/06 – jeweils m.w.N.),
Soweit die Beklagte Bedenken erhebt, die Mietwagenkosten auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2003 zu schätzen, teilt die Kammer die Bedenken nicht, dies insbesondere vordem Hintergrund, dass der Mietpreisspiegel für 2003 allgemein anerkannt ist (vgl. BGH vom 24.06.2008, NSW BGB § 249 Fb) und die Beklagte jedenfalls nicht konkret aufgezeigt hat (vgl. BGH NJW 2008, 1519) dass und inwieweit sich etwaige Mängel des Schwacke-Mietpreisspiegels 2003 auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt auswirken.
Nicht zugrunde gelegt hat die Kammer bei ihrer Schätzung den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006, da dieser stark umstritten ist (vgl. nur OLG N vom 25.07.2008, 10 U und LG E vom 14.06.2007, 4 S ). Auch die Kammer hat Bedenken, ob diese Liste die marktwirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich realistisch abbildet. Vergleicht man auf den vorliegenden Fall bezogen nur den durchschnittlichen Wochenpreis aus der Liste 2006 von 554,00€ mit dem aus der Liste 2003 von 359,00€ ergibt sich eine Preissteigerung von ca. 54 %, was auch im Hinblick auf die hier vorgetragene unstreitige Preissteigerung im maßgeblichen Zeitraum von 9,69 % nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Soweit der Geschädigte hier mit dem bei der Klägerin gewählten „Einheitstarif über dem gewichteten Durchschnittsmietpreis des Schwacke-Mietpreisspiegels 2003 liegt, hat er noch nicht allein dadurch gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung verstoßen. Mietet der Geschädigte ein Kraftfahrzeug zu einem Tarif an, der gegenüber dem „Normaltarif“ teurer ist, so kommt er trotzdem den ihm obliegenden Pflichten zur Schadensgeringhaltung nach, wenn die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallstation einen gegenüber dem „Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen ZUF Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. Entscheidung des BGH vom 24.06.2008 (NSW BGB § 249 Fb) und BGH vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 -VersR 2006, 669, 670; vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06 – VersR 2007, 1144; vom 26. Juni 2007 – VI ZR 163/06 – VersR 2007, 1286, 1287, jeweils m.w.N.).
Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs“ auch nicht die Kalkulation des konkreten Unternehmens in jedem Falle nachvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif in Betracht kommt. Die Möglichkeit, einen allgemeinen Aufschlag auf den Normaltarif zugrunde zu legen, soll gewährleisten, dass die erforderlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhand objektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB auf die konkrete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermieters ankommt.
Voraussetzung für einen pauschalen Aufschlag ist es aber, dass die Klägerin vorliegend überhaupt unfallbedingte, einen höherer Unfalltarif rechtfertigende Leistungen erbracht hat (vgl. BGH, NJW 2008, 1519). Dieser Darlegung ist die Klägerin aber trotz Hinweises der Kammer nicht nachgekommen. Allein die Bezugnahme auf die Rechnung, in der Zusatzleistungen lediglich ohne näherer Erläuterung aufgeführt sind, reicht insoweit nicht aus. Unverständlich bleibt insoweit, welche konkreten unfallbedingten Leistungen mit der „Fallpauschale“ abgerechnet werden sollen. Auch Kosten für das Zustellen und Abholen des Mietfahrzeuges sind in den Fällen, in der Geschädigte seinen Wohnsitz im Nahbereich zum Vermieter hat, ohne konkrete Darlegung der Erforderlichkeit nicht erstattungsfähig (vgl. OLG L vom 04.12.2007, Az. 15 U u.H.a. BGH vom 25.10.2005, VI ZR 9/05). Die Entfernung beträgt vorliegend nur ca. 9 km.
Lediglich die für die Zurverfügungstellung von Winterreifen berechnete Vergütung von 170,00€ (netto) hält die Kammer als Zusatzleistung für erstattungsfähig, da der Ansatz derartiger zusätzlicher Kosten unabhängig von der Frage der Unfallbedingtheit in den Wintermonaten plausibel erscheint. Schließlich hat die Kammer, da der Geschädigte ein Fahrzeug aus der derselben Fahrzeugklasse anmietete, eine Eigenerspamis von 10% berücksichtigt (vgl. Palandt, BGB, 66. Auflage, 2007, § 249, Rz. 32 u.H.auf OLG I, VersR 2001, 206).
Insgesamt ergibt sich danach folgende Abrechnung:
Nach dem zugrunde zu legenden Schwacke-Mietpreisspiegel für 2003 sind für 17 Tage 937,00€ (2 X 359,00€ = 718,00€ + 1 219,00€) – netto – in Ansatz zu bringen. Wegen der unstreitigen Preisentwicklung im Bereich „Verkehr“ zwischen 20O3 und 2006 in Höhe von 9,69 % ist ein Betrag in Höhe von 90,80€ hinzuzurechnen, gleichzeitig aber die Eigenersparnis von 10 % in Höhe von 102,78€ in Abzug zu bringen, so dassein Betrag in Höhe von 925,02€ verbleibt. Hinzuzuaddieren sind die Kosten für die zur Verfügung gestellten Winterreifen in Höhe von 170,00€ und die insgesamt anfallende Mehrwertsteuer von 19 %, so dass sich ein Gesamtbetrag in Höhe von brutto 1.303,07€ errechnet, den die Beklagte in Höhe von 1.018,00€ erfüllt hat (§ 362 BGB). Mithin verbleibt ein Betrag in Höhe von 285,07€.
Soweit die Beklagte behauptet, dem Geschädigten hätten sogar ohne weiteres unter dem von ihr vergüteten Betrag liegende Tarife zur Verfügung gestanden, bleibt dieser Einwand unerheblich. Nur ausnahmsweise ist nach § 254 BGB ein niedrigerer Schadensersatz zu leisten, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich war. Dies hat nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger darzulegen und zu beweisen, (vgl. BGH vom 6. März 2007 – VI ZR 36/06 – VersR 2007, 706, 707). Dem ist die Beklagte aber nicht hinreichend nachgekommen. Allein die Vorlage von allgemeinen Internetangeboten reichte hierzu nicht aus. Der Beklagten hätte es vielmehr oblegen, im Einzelnen darzulegen, bei welchem Anbieter im örtlich relevanten Markt ein Fahrzeug zu einem konkret niedrigeren Tarif alternativ zur Verfügung gestanden hätte.
Schließlich führt auch der Einwand der Klägerin, dem Geschädigten sei in der konkreten Situation eine Anmietung auf dem relevanten Markt zu einem wesentlich günstigeren Tarif schon nicht möglich gewesen, nicht zum Erfolg. Zwar kann die Frage, ob die Anmietung zu einem den „Normaltarif übersteigenden Tarif-„Unfallersatztarif oder wie vorliegend zu einem vergleichbar erhöhten „Einheitstarif – erforderlich i. S. d. § 249 BGB war, offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist. Dies bedeutet, dass der Geschädigte in einem solchen Fall einen den „Normaltarif übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen kann, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspazifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. Senatsurteile vom 13. Juni 2006 –VI ZR 161/05 VersR 2006, 1273, 1274; vom 4. Juli 2006 – VI ZR 237/05; vom 12. Juni 2007 – VI ZR 161/06; vom 26. Juni 2007 – VI ZR 163/06). Auch insoweit fehlt es aber an schon an einer hinreichenden Darlegung durch die insoweit darlegungs- und beweispflichtige (vgl. oben OLG N vom 25.07.2008) Klägerin. Mit dem bloßen Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen S. aus B vom 22.12.2007 in dem Verfahren 16 C AG B kam die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht nach. Zum einen bezieht sich dieses Gutachten auf einen anderen Fahrzeugtyp. Zum anderen ist das Gutachten schon deshalb nicht aussagekräftig, weil nicht ersichtlich ist, wie die telefonische Nachfrage erfolgte, insbesondere ob auch tatsächlich der für den sogenannten Selbstzahler berechnete „Normaltarif erfragt worden ist oder aber nur ein höherer sogenannter „Unfallersatztarif1. Näheren Vortrages hätte es auch schon allein deshalb bedurft, weil der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2008 selbst angab, dass die Klägerin bei Privatpersonen grundsätzlich nur zu einem „Einheitstarif“ Fahrzeuge anbiete und zwar dann nahezu ausschließlich in Schadensfällen, da sich die Vermietung andernfalls nicht rechne. Insbesondere die Kalkulation und Finanzierung seines Fuhrparks sei eine andere als bei den größeren Anbietern wie Sixt, Avis und Europcar, die grundsätzlich günstigere Tarife für Privatpersonen anbieten könnten. Vor diesem Hintergrund hätte es weiteren Vortrages dazu bedurft, dass die Anbieter von Sixt in B, Avis in H2, von Opel-Rent in W und Europcar in T nicht dazu in der Lage gewesen wären, dem Geschädigten ein Fahrzeug zum „Normaltarif“ anzubieten. Auch für den Fall, dass ein Fahrzeug den weiteren Anbietern im örtlich relevanten Markt nicht am selben oder darauffolgenden Tag verfügbar gewesen wäre, wäre vom Geschädigten zu verlangen gewesen, bei einer zu erwartenden längeren Reparaturdauer sich jedenfalls für die nachfolgenden Tage um ein günstigeres Alternativfahrzeug zu bemühen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 12.01.2007 zur Zahlung aufforderte und damit den Verzug begründete.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziffer 10 ZPO.
Soweit das LG Münster.