Amtsrichterin des AG München ändert Rechtsprechung hinsichtlich der Voraussetzungen zur Verweisung auf alternative Reparaturmöglichkeiten und weist die DA Allg. -Vers. AG auf Erstattung der Sachverständigenkosten auch bei behaupteter Überhöhung hin mit gerichtlicher Verfügung vom 8.8.2013 – 343 C 16478/13 – .

Die von der Rechtsprechung unterschiedlich behandelten Voraussetzungen für die Verweisung des Geschädigten auf eine vom Schädiger bzw. dessen Versicherung benannte billigere Alternativwerkstatt wurden jetzt noch einmal durch die Amtsrichterin beim AG München neu untersucht. Dabei hatte sie auch Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen des LG Berlin in seinem Urteil vom 24.11.2011 – 43 S 152/11 -. Dieses Mal war es die DA-Versicherung, die meinte, die berechtigten Schadensersatzansprüche des Geschädigten bei den fiktiven Reparaturkosten um die Stundensätze der Alternativwerkstatt und die Sachverständigenkosten kürzen zu können. Dabei hat sie allerdings die Rechnung ohne die erfahrene Amtsrichterin der 343. Zivilabteilung des AG München gemacht. Lest die Hinweisverfügung der Richterin und gebt dann bitte Eure Kommentare ab


Amtsgericht München                                                               München, den 8.8.2013
– 343 C 16478/13 –

Verfügung 

In Sachen

…. ./.  DA Deutsche Allgemeine Vers.-AG
wegen Forderung

1. Die Parteien werden gemäß §§ 139, 273 ZPO auf Folgendes hingewiesen:

– Zu den Reparaturkosten:
Der Entscheidung des LG Berlin vom 24.11.2011 – 43 S 152/11 – wird gefolgt.

Dem erkennenden Gericht ist aus einer Beweisaufnahme in einigen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass die niedrigeren Stundensätze von alternativ angebotenen Fachwerkstätten nicht unbedingt bedeuten, dass sich die Reparaturkosten dort tatsächlich genau um den entsprechenden Betrag der ersparten Stundenlöhne verringert. Sowohl vernommene Zeugen aus solchen werkstätten als auch Sachverständige haben in anderen verfahren bei dem erkennenden Gericht bereits bekundet, dass in den Fällen , in denen Stundenlöhne nidriger sind, häufig andere Beträge der Reparaturkostenkalkulation anders berechnet werden. So werden zum Teil höhere Ersatzteilpreise und mehr Arbeitswerte in Ansatz gebracht.

Aus diesen Gründen vertritt das erkennende Gericht im Anschluss an die oben genannte Entscheidung des LG Berlin ab sofort die Auffassung, dass ein adäquates Ersatzangebot nur dann vorliegt, wenn von einer zertifizierten Fachwerkstatt ein Kostenvoranschlag  vorgelegt wird, der die Vorgaben aus dem Sachverständigengutachten des Unfallgeschädigten berücksichtigt.

Im Übrigen wäre das Angebot, die Reparatur bei der Firma … ausführen zu lassen, zumutbar, nachdem es sich um eine zertifizierte Werkstatt handelt und auch die Entfernung nicht zu groß ist.

– Zu den Sachverständigenkosten:
Die erkennende Richterin hat am 9.11.2011 sechs Endurteile verkündet, die sich umfangreich mit den rechtlichen und tatsächlichen Problemen im Zusammenhang mit Sachverständigenkosten auseinandersetzen. Die Verfahren waren zur gemeinsamen Beweisaufnahme verbunden worden. In dem verbundenen Verfahren wurde durch das Gericht ein Sachverständigengutachten zur üblichen Abrechnung von Kfz-Schadensgutachtern eingeholt. Das Aktenzeichen des führenden Verfahrens lautet: 343 C 7350/10. Auf den Inhalt des dort erholten Gutachtens, die zahlreich erteilten Hinweise und die übrigen Begründungen in dem Urteil wird Bezug genommen.

Im vorliegenden Fall gilt:
Es kommt nicht darauf an, ob die Sachverständigenkosten überhöht sind und die Klagepartei nicht verpflichtet gewesen wäre, den entsprechenden Betrag zu erstatten. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Sachverständige im Zusammenhang mit der Schadensregulierung nicht Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten ist. Eine überhöhte Rechnung kann daher nicht ohne Weiteres dem Geschädigten zugerechnet werden. Es handelt sich nicht um eine Frage der Erforderlichkeit gemäß § 249 II 1 BGB, sondern um eine Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB. Der durchschnittliche Unfallgeschädigte hat keine Ahnung, wie Sachverständigenkosten   berechnet werden und was in dieser Hinsicht angemessen ist. Er kann auch nicht, wie in anderen Fällen,  zuerst einen Kostenvoranschlag verschiedener Sachverständiger anfordern. Denn die Höhe der Sachverständigenkosten richtet sich nach dem entstandenen Sachschaden (98,5 % aller selbständigen Sachverständigen berechnen so), der erst im Rahmen der Begutachtung festgestellt wird.

Das in dem oben erwähnten Rechtstreit eingeholte Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass nicht nur das Grundhonorar, sondern auch die zusätzlich erhobenen Gebühren (gemeint sind Kosten, Anm. des Autors)  und Auslagen teilweise pauschal, teils in bunter Mischung konkret abgerechnet werden. Hier ließ sich eine übliche Berechnungsmethode nicht feststellen.

Die Beklagtenseite hat allerdings einen Anspruch auf Abtretung etwaiger Regressansprüche, wenn die Sachverständigenkosten nicht dem Üblichen und Angemessenen entsprechen (§§ 255, 632 II, 812 BGB). Es wird geraten, den Anspruch insoweit anzuerkennen.

Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens geht das Amtsgericht davon aus, dass die Sachverständigenkosten dem Üblichen entsprechen. Es mag richtig sein, dass wegen der fehlenden echten Marktsituation die Sachverständigenkosten allgemein nicht angemessen sind. Aus den oben genannten Gründen kann dies aber kaum ein Laie beurteilen. Deshalb kann man auch nicht von ihm erwarten, dass er einer entsprechenden Sachverständigenrechnung entgegentritt und gegebenenfalls hierfür sogar ein Prozessrisiko in Kauf nimmt.

2. Die Parteien werden aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu erklären, ob sie mit einem schriftlichen Verfahren einverstanden sind.

gez. ….
(Richterin am Amtsgericht).

So die gerichtliche Hinweisverfügung des AG München. Und nun bitte Eure Kommentare.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter DA Allgemeine/DA direkt Versicherung, Erfüllungsgehilfe, Erfreuliches, Fiktive Abrechnung, Gleichwertigkeit, Haftpflichtschaden, Lohnkürzungen, Sachverständigenhonorar, Stundenverrechnungssätze abgelegt und mit , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

5 Antworten zu Amtsrichterin des AG München ändert Rechtsprechung hinsichtlich der Voraussetzungen zur Verweisung auf alternative Reparaturmöglichkeiten und weist die DA Allg. -Vers. AG auf Erstattung der Sachverständigenkosten auch bei behaupteter Überhöhung hin mit gerichtlicher Verfügung vom 8.8.2013 – 343 C 16478/13 – .

  1. Bernhard Brockamp sagt:

    Es ist erfreulich, dass auch Richter und Richterinnen jetzt einmal aufwachen und die von den Versicherungen immer wieder vorgesetzten Prüfberichte mit geringeren Stundensätzen genauer untersuchen. Das LG Berlin hatte es vorgemacht. Das AG München macht jetzt weiter. Die Hinweisverfügung des AG München kann durchaus auch als Textbaustein gegen die geringeren Stundensätze in den Prüfberichten verwandt werden.

    Mit dieser Hinweisverfügung zeigt sich, was die Prüfberichte wert sind, nämlich nichts. Denn geringere Stundenlöhne alleine sagen noch nichts über eine geplante Reparatur in der alternativen Werkstatt, die angeblich gleichwertig arbeitet, aus. Wo sollen die Einsparungen vorgenommen werden? Es kann doch dann nur an anderer Stelle wieder zugelegt werden, wie die Münchner Richterin zu Recht feststellt. Der Gedanke mit dem verbindlichen Kostenvoranschlag der alternativen Werkstatt ist ein guter Weg, denn dann ist die Werkstatt auch in der Pflicht, zu den zugesagten Konditionen zu reparieren.

    Dann kann auch ein Sachverständiger sein Gutachten und den Kostenvoranschlag der Freien Werkstatt miteinander vergleichen. Guter Gedanke. Und damit wird dann dieser unsinnigen Verweisungsmasche auf die Referenzwerkstätten der Garaus gemacht. Also sind die billigen Reparaturen in den Referenzwerkstätten doch nicht mit den im Gutachten zugrunde gelegten Reparaturen in der markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertig. Da ändert dann auch EUROGARANT nichts mehr. Denn eine Zertifizierung besagt noch gar nichts über die beabsichtigte Reparatur.

  2. Ali sagt:

    Subber!
    Schreibisch jetz email an Veschisserung?
    ej Alde,wo issn euer Werkschdatt,brauchisch jetz Kosdevoranschlach guggstdu!?

  3. G.v.H. sagt:

    Schadenersatzrechtlich war zur Beurteilung der Ersattungsverpflichtung für die gekürzten Gutachterkosten die Einholung eines Gutachtens allein schon deshalb nicht erforderlich, weil erhebungsmethodisch nach der Definition der Üblichkeit eine solche nicht festgestelltwerden kann. Ein Grund dafür liegt in dem Umstand begründet, dass man fälschlicherweise praxisfremd unterstellen würde, dass alle erfaßten Sachverständigenbüros gleichermaßen eine qualifizierte Beweissicherung erstellen würden und überdies im Prognosebereich auch übereinstimmende Ergebnisse zur Schadenhöhe. Gerade unsere Gerichte sollten reichlich die Erfahrung gemacht haben, dass es so etwas gerade nicht gibt.
    Richtig und grundsätzlich beachtenswert ist aber in der Verfügung sinngemäß der Hinweis, dass es eine übliche Berechnungsmethode nicht gibt. Gleichermaßen ist Folgendes grundsätzlich beachtenswert, weil mit der BGH-Rechtsprechung konfom gehend:
    „Es kommt nicht darauf an, ob die Sachverständigenkosten überhöht sind und die Klagepartei nicht verpflichtet gewesen wäre, den entsprechenden Betrag zu erstatten.“
    Und damit ist auch erklärt, warum eine Nachprüfung lt. BGH verworfen wurde.-

    Weitere Überlegungen der Münchener Amtsrichterin machen dann aber auch noch die Unsinnigkeit und den vorsätzlich falschen Vortrag deutlich, dass der Geschädigte für etwas nachweispflichtig wäre, was schadenersatzrechtlich nicht verlangt wird. Hierzu wurde ausgeführt:
    „Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Sachverständige im Zusammenhang mit der Schadensregulierung nicht Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten ist.“
    Insbesondere an die Adresse der HUK-Coburg gerichtet, sollte man jetzt erwarten dürfen, dass zukünftig ein solch unsinniger Vortrag unterbleibt, denn die Sachverständigen laufen nicht auf ihren Ohren, sondern stehen auf ihren Beinen.
    Und auch das Folgende sollte man zur Kenntnis nehmen und beachten:
    „Der durchschnittliche Unfallgeschädigte hat keine Ahnung, wie Sachverständigenkosten berechnet werden und was in dieser Hinsicht angemessen ist. Er kann auch nicht, wie in anderen Fällen, zuerst einen Kostenvoranschlag verschiedener Sachverständiger anfordern. Denn die Höhe der Sachverstänbdigenkosten richtet sich nach dem entstandenen Sachschaden (98,5 % aller selbständigen Sachverständigen berechnen so), der erst im Rahmen der Begutachtung festgestellt wird.“
    Bis auf die angesprochenen Eigenschaft „angemessen“, auf die es schadenersatzrechtlich nicht ankommt, gehen diese Überlegungen der Amtsrichterin in Ordnung.

    Gleichermaßen ist zutreffend, dass sich eine übliche Berechnungsmethode auch bei den Nebenkosten nicht feststellen läßt.
    Auch das war vielleicht ein Grund, das der BGH die Unsinnigkeit einer „Prüfung“ verworfen hat.

    Hingegen sind folgende Ausführungen nicht verständlich:
    „Es mag richtig sein, dass wegen der fehlenden echten Marktsituation die Sachverständigenkosten allgemein nicht angemessen sind.“
    Zuvor wird gegenläufig ausgeführt:
    „Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens geht das Amtsgericht davon aus, dass die Sachverständigenkosten dem Üblichen entsprechen.“
    Wenn man aber eine solche Üblichkeit unterstellt, dann fehlt keine echte Marksituation. Die „Angemessenheitsfrage“ ist schadenersatzrechtlich nicht relevant, denn das würde der einleitenden zutreffenden Auslegung widersprechen, wozu ausgeführt wurde: „Es kommt nicht darauf an, ob die Sachverständigenkosten überhöht sind und die Klagepartei nicht verpflichtet gewesen wäre, den entsprechenden Betrag zu erstatten.“ Aber auch die Frage der Üblichkeit ist schadenersatzrechtlich deshalb nicht von Bedeutung, weil sich eine solche auch unter Berücksichtigung ideal verfügbarer Parameter im Rahmen einer unmöglichen Vollerhebung nicht feststellen lassen würde. Danach kann schadenersatzrechtlich durchaus ein Betrag erstattungspflichtig sein, der nicht der „Üblichkeit“ entspricht, wenn man beispielsweise einen Preisunterbietungswettbewerb berücksichtigt, der in seiner Eigenschaft nicht Maßstab für Schadenersatz sein kann. Das wäre ersichtlich am Gesetz nach § 249 BGB vorbei.-
    Zu folgen ist der Richterin des AG München aber in der Überlegung:

    „Aus den oben genannten Gründen kann dies aber kaum ein Laie beurteilen. Deshalb kann man auch nicht von ihm erwarten, dass er einer entsprechenden Sachverständigenrechnung entgegentritt und gegebenenfalls hierfür sogar ein Prozessrisiko in Kauf nimmt.“

    Eine solche Erkenntnis findet man leider bis heute in viel zu wenig Urteilen und hier gilt es einfach mal den Spieß umzudrehen und den rechtswidrigen Kürzungen mit teilweise sinnlosen und unsubstantiierten Behauptungen zu einer vermeintlichen Überhöhung mit dem Hinweis entgegenzutreten, dass mit der zunächst bestehenden Zahlungsverpflichtung die Versicherung ja keineswegs rechtlos gestellt ist, sondern sie sich im Wege der Abtretung gegenüber dem Sachverständigen durch schadlos halten kann.

    G.v.H.

  4. Babelfisch sagt:

    Allein die Tatsache, dass die Versicherer für jede Kfz-Marke und -typ die selben Alternativ-Werkstätten als gleichwertig anbieten, müsste den Gerichten doch zu denken geben. Dies bedeutet doch, dass dann diese – im wesentlichen aus Lackierereien hervorgegangenen – Werkstätten SÄMTLICHE Fahrzeuge ebensogut reparieren können, wie die jeweiligen Marken-Werkstätten.
    Ja, nee, die Erde ist eine Scheibe!

  5. virus sagt:

    „- Zu den Sachverständigenkosten:
    Die erkennende Richterin hat am 9.11.2011 sechs Endurteile verkündet, die sich umfangreich mit den rechtlichen und tatsächlichen Problemen im Zusammenhang mit Sachverständigenkosten auseinandersetzen. Die Verfahren waren zur gemeinsamen Beweisaufnahme verbunden worden. In dem verbundenen Verfahren wurde durch das Gericht ein Sachverständigengutachten zur üblichen Abrechnung von Kfz-Schadensgutachtern eingeholt. Das Aktenzeichen des führenden Verfahrens lautet: 343 C 7350/10. Auf den Inhalt des dort erholten Gutachtens, die zahlreich erteilten Hinweise und die übrigen Begründungen in dem Urteil wird Bezug genommen.“

    Aus gegebenem Anlass bitte ich diese / den Kläger d r i n g e n d und absolut z e i t n a h die 6 Urteile an die Redaktion von Captain-HUK zu senden.

    Wer zudem noch Urteile von der Richterin „343 C“ in der Schublade zu liegen hat, bitte auch diese Urteile an CH senden. Wir benötigen auch alle Urteile, die neuerdings nach JVEG ergangen sind bzw. ergehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert